Am konservativsten von allen …

… ist die Jun­ge Uni­on Frei­burg (und damit schon wie­der so rich­tig nied­lich). Jeden­falls for­dern die in einer Pres­se­mit­tei­lung folgendes:

1. Strei­chung aller öffent­li­chen Gel­der für die KTS (Grund: ande­re Ein­rich­tun­gen bräuch­ten das Geld eher, die KTS hält sich nicht an Polizeibefehle)

2. Strei­chung aller öffent­li­chen Gel­der für die „sog. Schat­ten­par­ker“ (kei­ne Ahnung, ob die über­haupt wel­che krie­gen oder was die JU damit meint, Grund: ande­re Ein­rich­tun­gen bräuch­ten das Geld eher, die Schat­ten­par­ker hal­ten sich nicht an Polizeibefehle)

3. Kei­ne Koali­ti­on der CDU mit den Grü­nen (Grund: gefähr­li­che Anar­chis­ten­freun­de, die sich nur hin­ter einer bür­ger­li­chen Fas­sa­de verstecken)

Wäh­rend (1) und (2) so in etwa dem ent­spricht, was von einer ultra­kon­ser­va­ti­ven Grup­pe zu erwar­ten ist (und selbst aus die­ser Sicht ziem­lich däm­lich ist – die JU wür­de glau­be ich als ers­te pro­tes­tie­ren, wenn das KTS-Publi­kum nicht mehr vor­wie­gend in der KTS, son­dern vor­wie­gend z.B. in der Innen­stadt oder auf der Stra­ße zu fin­den wäre), ist die Aus­sa­gen zu (3) in der Pres­se­mit­tei­lung rich­tig amü­sant. Zitat:

„Frau Vie­then und die Grü­nen ver­su­chen wohl mit ihrer demons­tra­ti­ven Unter­stüt­zung der Anar­chis­ten und mit ihrer pole­mi­schen Kri­tik an der Frei­bur­ger Poli­zei wie­der Boden im lin­ken Lager gut zu machen, den sie beim Beschluss für den Ver­kauf der Frei­bur­ger Stadt­bau ver­lo­ren haben. Damit zei­gen die Grü­nen ihr wider­sprüch­li­ches Gesicht und machen sich unglaub­wür­dig“, so Dani­el Sander. […]

Die Äuße­run­gen von Frau Vie­then und Co. und deren Unter­stüt­zung der sinn­lo­sen und gefähr­li­chen Aktio­nen gegen den Staat hät­ten gezeigt, dass der bür­ger­li­che Anschein, den die Grü­nen beim Woh­nungs­ver­kauf gewon­nen hät­ten, nur Fas­sa­de sei. „Unter die­sen Umstän­den ist auf abseh­ba­re Zeit kei­ne kom­mu­na­le Koali­ti­on mit den Frei­bur­ger Grü­nen und der CDU denk­bar“, so Dani­el Sander.

Mal abge­se­hen davon, dass im baden-würt­tem­ber­gi­schen Kom­mu­nal­recht eh kei­ne Koali­tio­nen vor­ge­se­hen sind, und eine sach­be­zo­ge­ne Poli­tik anders aus­sieht, als in der pau­scha­len Ableh­nung jeder Zusam­men­ar­beit mit der stärks­ten Frak­ti­on, so scheint mir die CDU – und ins­be­son­de­re die JU – vor allem noch nicht ganz kapiert zu haben, dass es tat­säch­lich sowas wie eine „neue Bür­ger­lich­keit“ gibt, dass Grü­ne in Frei­burg längst nicht nur von Links­al­ter­na­ti­ven gewählt wer­den. Deutsch­land­weit wird das bei­spiels­wei­se in den Milieu­stu­di­en des SINUS-Insti­tuts deut­lich: bis Anfang der 1990er Jah­ren gab es dem­zu­fol­ge in Deutsch­land ein „Alter­na­ti­ves Milieu“, das etwa 4 % der Bevöl­ke­rung aus­mach­te, und eine Art (jugend­li­che) Sub­kul­tur dar­stell­te. In den aktu­el­len SINUS-Stu­di­en gibt es die­ses Milieu nicht mehr – dafür die „Post­ma­te­ri­el­len“, eines der gesell­schaft­li­chen Leit­mi­lieus und mit etwa 12 % min­des­tens so stark wie die Konservativen.

Die Exis­tenz die­ser „ver­bür­ger­lich­ten Alter­na­ti­ven“ – in Frei­burg sicher deut­lich mehr als 12 % – haben Tei­le der CDU/JU noch nicht begrif­fen. Sie lau­fen Feind­bil­dern aus den 1980ern hin­ter­her, die es so nicht mehr gibt. Und sie kapie­ren nicht, dass es inzwi­schen mög­lich ist, hohen Bil­dungs­sta­tus und hohes Ein­kom­men – mit allen Fol­ge­er­schei­nun­gen wie dem Wohn­ei­gen­tum etc. – also die alten Insi­gni­en des Bür­ger­tums – mit einem grün-bür­ger­rechts­li­be­ra­len Wer­te­mus­ter zu ver­bin­den, zu dem sowohl die Suche nach ver­nünf­ti­gen Haus­hal­ten als auch die Offen­heit für kul­tu­rel­le Expe­ri­men­te und alter­na­ti­ve Lebens­for­men gehört.

Mit wem im Sommerloch koalieren?

Manch­mal benimmt sich „mein“ grü­ner Lan­des­ver­band Baden-Würt­tem­berg so ste­reo­typ und kli­schee­haft, dass er des­we­gen fast schon wie­der lieb gewon­nen wer­den muss. So im Sin­ne eines schrä­gen Typens mit etli­chen Macken, der aber eigent­lich ganz süß ist. Der Anlass für die­se Sät­ze: eine ges­tern ver­schick­te Pres­se­mit­tei­lung der Lan­des­vor­sit­zen­den Andre­as Braun und Petra Selg, lei­der noch nicht auf der Web­site ver­linkt. Ich zitie­re mal die Haupt­aus­sa­ge (Her­vor­he­bung von mir):

Grüne Landesvorsitzende zu Koalitionsspekulationen auf Bundesebene: Farbenspiele sind Sommertheater

„Über­le­gun­gen zu rot-rot-grün auf Bun­des­ebe­ne hal­ten wir für rei­ne Spe­ku­la­tio­nen und nichts wei­ter als Som­mer­thea­ter“, erklär­ten die grü­nen Lan­des­vor­sit­zen­den Petra Selg und Andre­as Braun. „Ärger­lich sind sie trotz­dem, weil es kei­ner­lei Anlass gibt, dar­über zu spe­ku­lie­ren, auch nicht als ver­meint­li­ches The­ma für das media­le Sommerloch.“

„Wir Grü­nen in Baden-Würt­tem­berg haben zu einem rot-rot-grü­nen Bünd­nis auf Bun­des­ebe­ne eine kla­re Hal­tung“, beton­ten Selg und Braun: „Wir leh­nen nicht nur Spe­ku­la­tio­nen dar­über strikt ab und möch­ten sie deut­lich zurück­wei­sen, son­dern sehen auch nicht den rea­lis­ti­schen Kern einer sol­chen Überlegung.“ 

Was ist an die­ser Pres­se­mit­tei­lung irri­tie­rend? Ers­tens natür­lich die Ein­sei­tig­keit. Aber ange­sichts der Lie­be zu Schwarz-grün-Debat­ten bei eini­gen Par­tei­freun­den wun­dert es mich nicht so sehr, dass nur über rot-rot-grün gere­det wird. Irri­tie­ren­der fin­de ich zwei­tens, näm­lich den Ein­blick, den die­se Pres­se­mit­tei­lung in die Wahr­neh­mung der bei­den Lan­des­vor­sit­zen­den gibt. Anlass dafür, sich zu Wort zu mel­den, sind „Über­le­gun­gen zu rot-rot-grün auf Bun­des­ebe­ne“. Die sei­en ein media­les Som­mer­loch­the­ma und eigent­lich igno­rier­bar. Wer jetzt etwas nach­denkt, was denn im Som­mer­loch die­sen Jah­res schon so alles ver­hack­stückt wur­de, wird schnell dar­auf kom­men, dass kurz vor Äuße­run­gen etwa Trittins zu rot-rot-grün ande­re Spe­ku­la­tio­nen stan­den: u.a. der Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Ber­nin­ger, aber auch Tei­le der FDP und der gro­ße heim­li­che Vor­sit­zen­de a.D. fan­den es vor zwei Wochen sexy, mal wie­der über Jamai­ka nach­zu­den­ken. Erst danach kamen dann Stim­men, auch ande­re rech­ne­risch mög­li­che Mehr­hei­ten anzu­schau­en. Scha­de eigent­lich, dass sich nie­mand zur rot-grün-gelb äußert …

Eine klei­ne chro­no­lo­gi­sche Pres­se­schau dazu:

Die Neu­auf­la­ge der Jamaika-Debatte
> Bericht in der Welt über Gesprä­che zwi­schen Fischer und Schäub­le, 12.07.2006
> Franz Wal­ter in Spie­gel Online zu bür­ger­li­chen Mehr­hei­ten, 13.07.2006
> Wes­ter­wel­le in der FAZ zum Jamai­ka, 15.07.2006

Reak­ti­on: lin­ke Koali­ti­on wäre doch auch ganz schön
> Trit­tin warnt in Spie­gel Online vor Jamai­ka, 22.07.2006

Zur Som­mer­loch­de­bat­te über „Koali­tio­nen der bür­ger­li­chen Mit­te“ gab es kei­ne Pres­se­mit­tei­lung, wie die oben zitier­te. Wenn wundert’s. Dabei scheint es mir viel wahr­schein­li­cher, dass ab Okto­ber in Ber­lin z.B. rot-rot-grün regiert wird, als dass es auf Lan­des- oder Bun­des­ebe­ne in nächs­ter Zeit zu schwarz-gelb-grün kommt. Aber hin­ter Stutt­gart scheint die Welt anders auszusehen.

> Pres­se­mit­tei­lun­gen Grü­ne BW

Männer und Hausarbeit

Bei Hen­nig gibt es eine recht heiß­lau­fen­de Debat­te dar­über, ob es ein Pro­blem dar­stellt, wenn in Paar­be­zie­hun­gen Män­ner sich weni­ger an Haus­ar­bei­ten betei­li­gen als Frau­en, oder nicht. Nach­dem ich mich da inzwi­schen drei oder vier mal zu Wort gemel­det habe, will ich doch auch drauf verlinken:

> http://www.henningschuerig.de/blog/2006/07/23/neue-maenner-hat-das-land/

Wo kommen eigentlich die kleinen Grünen her?

In Aus Poli­tik und Zeit­ge­schich­te 41/2005 (Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung) wird unter ande­rem der Fra­ge nach­ge­gan­gen, wie Kin­der­hör­spie­le zur poli­ti­schen Sozia­li­sa­ti­on bei­tra­gen. Das Fazit des Autors, Gerd Stroh­mei­er, Uni Pas­sau:

„Äußerst bedenk­lich ist aller­dings, dass bei­na­he nur Umwelt­pro­ble­me the­ma­ti­siert bzw. ande­re Pro­ble­me, Bedürf­nis­se oder For­de­run­gen, z.B. der Wirt­schaft, gegen­über Belan­gen der Umwelt als abso­lut nach­ran­gig und unbe­deu­tend dar­ge­stellt wer­den und sich die „rich­ti­gen“ poli­ti­schen Posi­tio­nen grund­sätz­lich „links“ der poli­ti­schen Mit­te befinden.“

Oder anders gesagt: Hör­spie­le wie Bibi Block­berg und Ben­ja­min Blüm­chen ver­der­ben unse­re Jugend und trei­ben sie den Grün-Alter­na­ti­ven und Lin­ken in die Arme. Was kommt als nächstes?

> http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID4850212_TYP6_THE_NAV_REF_BAB,00.html
> http://concord.antville.org/stories/1239207/

Nach­trag: Die Ant­wort aus der Hörpsielstadt

„Wir sind links“

Die FR ent­deckt nach dem „Wir sind Papst“-Hype der BILD-Zei­tung die Lin­ke neu: http://www.fr-aktuell.de/ressorts/kultur_und_medien/feuilleton/?cnt=691271