Vogelperspektive auf Übermorgen

Z_Punkt, eine Zukunfts­for­schungs­fir­ma, hat jetzt ein net­tes PDF mit den 20 „Mega­trends“ zusam­men­ge­stellt. Mega­trends meint damit die gro­ben Rich­tun­gen des glo­ba­len sozia­len Wan­dels. Genau­er gesagt:

Mega­trends sind lang­fris­ti­ge und über­grei­fen­de Transformationsprozesse.Wir sehen sie als wir­kungs­mäch­ti­ge Ein­fluss­grö­ßen, die die Märk­te der Zukunft prägen.

Teil­wei­se geht es dabei um tech­ni­sche Ent­wick­lun­gen, teil­wei­se um den sozia­len Wan­del. Zusam­men ergibt das Bild, das Z_Punkt hier – natür­lich vor allem aus der Per­spek­ti­ve: dar­auf müs­sen Unter­neh­men reagie­ren – eine ziem­lich kla­re Vor­stel­lung dar­über, was in viel­leicht zwan­zig Jah­ren der Kon­text von All­tags­le­ben und Poli­tik sein wird.

Die Trends rei­chen vom demo­gra­fi­schen Wan­del, einer neu­en Stu­fe der Indiv­dua­li­sie­rung und dem wach­sen­den Gesund­heits­markt über stei­gen­de Betei­li­gung von Frau­en oder die Wis­sens­öko­no­mie bis hin zu Kli­ma­wan­del, Urba­ni­sie­rung, dem Auf­stieg Indi­en und Chi­nas und einer wach­sen­den glo­ba­len Bedro­hung. Vie­les davon ist inzwi­schen (sozio­lo­gi­sches oder feul­lie­to­nis­ti­sches) All­ge­mein­gut, ande­res wird auch anders­wo dis­ku­tiert – das Schö­ne an der Zusam­men­stel­lung von Z_Punkt ist der Ein­druck, einen Über­blick über wich­ti­ge Ent­wick­lun­gen zu gewin­nen, von denen anders­wo eben oft nur ein Teil gese­hen und ein gro­ßer Teil aus­ge­blen­det bleibt. Also die Vogel­per­spek­ti­ve auf Übermorgen.

War­um blog­ge ich das? Weil ich krank im Bett lie­ge, gera­de kein unter­halt­sa­mes Buch da ist, und mein Lap­top so schön klein ist. 

Lesenswertes zum Frauentag

Anläss­lich des heu­ti­gen Inter­na­tio­na­len Frau­en­ta­ges möch­te ich auf zwei Links hin­wei­sen, die für Men­schen jeg­li­chen Geschlechts, die sich mit Geschlech­ter­rol­len, Gen­der Main­strea­ming, Chan­cen­gleich­heit, Femi­nis­mus, Eman­zi­pa­ti­on und ähn­li­chen The­men beschäf­tig­ten, ziem­lich span­nend sind.

Das eine gibt es nur heu­te: das taz-Dos­sier „Miss Femi­nis­mus“, das eine gan­ze Rei­he lesens­wer­ter Arti­kel zum The­ma alter und neu­er Femi­nis­mus im In- und Aus­land vereint.

Das ande­re gibt es immer, aber heu­te ist es beson­ders lesens­wert: Der/die/das Gen­der­blog mit Bei­trä­gen von Frau­en (und an ande­ren Tagen auch von Män­nern) zu allem rund um Frau­en- und Geschlech­ter­for­schung, Que­er Stu­dies, Femi­nis­mus und Geschlechterpolitik.

Zeitkapsel aus dem Jahr 1938

1939 wur­de im Rah­men der Welt­aus­stel­lung eine „time cap­su­le“ in der Erde ver­senkt, die erst im Jahr 6939 geöff­net wer­den soll. Um sicher­zu­stel­len, dass sie dann auch gefun­den wird, gibt es eine Anlei­tung dazu, die 1938 an ver­schie­de­ne Biblio­the­ken, Klös­ter etc. ver­teilt wur­de. Neben einem eher selt­sam anmu­ten­den Ver­such, die Aus­spra­che des Eng­li­schen mit Hil­fe einer pho­ne­ti­schen Schrift zu erhal­ten, und diver­sen Anlei­tun­gen zum Auf­fin­den metal­li­scher Gegen­stän­de in der Erde, zur Posi­ti­ons­be­stim­mung etc. fin­den sich in die­sem Buch auch eini­ge Brie­fe aus der inzwi­schen ver­gan­ge­nen Gegen­wart – recht ein­drucks­voll fand ich „The Mes­sa­ge of Dr. Albert Einstein“:

In unse­rer Zeit gibt es vie­le erfin­dungs­rei­che Köp­fe, deren Erfin­dun­gen unser Leben in hohem Mas­se erleich­tern könn­ten. Wir durch­que­ren die Mee­re mit Maschi­nen­kraft und benut­zen die letz­te­re auch, um die Men­schen von aller anstren­gen­den Mus­kel­ar­beit zu befrei­en. Wir haben flie­gen gelernt und sen­den uns bequem alle Nach­rich­ten über die gan­ze Erde durch elek­tri­sche Wellen.
Aber die Pro­duk­ti­on und Ver­tei­lung der Güter ist völ­lig unor­ga­ni­siert, so daß jeder in der Angst leben muß, aus dem Kreis­lauf der Wirt­schaft aus­ge­schal­tet zu wer­den und an allem Man­gel zu lei­den. Außer­dem töten ein­an­der die Men­schen, die in ver­schie­de­nen Län­dern woh­nen, in unre­gel­mä­ßi­gen Zeit­ab­schnit­ten, so daß auch aus die­sem Grun­de alle in Furcht und Schre­cken leben, wel­che sich irgend­wie über die Zukunft Gedan­ken machen. Alles hängt damit zusam­men, daß die Intel­li­genz und Cha­rak­ter-Bil­dung der Mas­sen unver­gleich­lich tie­fer steht als die ent­spre­chen­den Eigen­schaf­ten der weni­gen, die für die Gesamt­heit Wert­vol­les hervorbringen.
Hof­fent­lich liest das spä­te­re Geschlecht die­se Kon­sta­tie­run­gen mit dem Gefühl stol­zer und berech­tig­ter Überlegenheit.
A. Einstein

War­um blog­ge ich das? Neben Ein­steins Bemer­kung fand ich vor allem inter­es­sant, was allein schon in dem Text aus den 1930er Jah­ren heu­te voll­kom­men selt­sam und alt­mo­disch erscheint – ange­fan­gen von der reich­li­chen Ver­wen­dung von Liga­tu­ren bis hin zur voll­kom­me­nen Selbst­ver­ständ­lich­keit, mit dem „unse­re erfin­dungs­rei­chen Män­ner“ „unse­ren schö­nen Frau­en“ gegen­über­ge­stellt werden.

Bundeskabinett tut mal was Gutes

Ich habe mir die letz­ten Details noch nicht ange­schaut, und durch den Gesetz­ge­bungs­pro­zess muss das gan­ze auch noch: aber wenn das hier beschrie­ben tat­säch­lich umge­setzt wird, wird die Lebens­fern­heit der Befris­tungs­re­ge­lun­gen im Wis­sen­schafts­be­reich wenigs­tens ein biß­chen ent­schärft. Mich betrifft das gra­de ganz kon­kret – und eine Anrech­nung von Kin­der­er­zie­hungs­zei­ten wäre klas­se. Ich bin gespannt dar­auf, was davon imn Früh­jahr 2007 übrig­bleibt – und ob ich als Grü­ner dann immer noch bereit bin, ein schwarz-rotes Gesetz gut zu finden.

Update: Grü­ne PM dazu – Kai Geh­ring MdB fin­det das Vor­ha­ben zwar prin­zi­pi­ell gut, sieht aber in Alters­gren­zen und dem par­al­le­len Aus­lau­fen akti­ver Frau­en­för­der­pro­gram­me Grün­de, doch nicht gleich in Jubel zu ver­fal­len. Da hat er recht, aber der Kabi­netts­ent­wurf geht trotz­dem prin­zi­pi­ell mal in die rich­ti­ge Richtung.

Am konservativsten von allen …

… ist die Jun­ge Uni­on Frei­burg (und damit schon wie­der so rich­tig nied­lich). Jeden­falls for­dern die in einer Pres­se­mit­tei­lung folgendes:

1. Strei­chung aller öffent­li­chen Gel­der für die KTS (Grund: ande­re Ein­rich­tun­gen bräuch­ten das Geld eher, die KTS hält sich nicht an Polizeibefehle)

2. Strei­chung aller öffent­li­chen Gel­der für die „sog. Schat­ten­par­ker“ (kei­ne Ahnung, ob die über­haupt wel­che krie­gen oder was die JU damit meint, Grund: ande­re Ein­rich­tun­gen bräuch­ten das Geld eher, die Schat­ten­par­ker hal­ten sich nicht an Polizeibefehle)

3. Kei­ne Koali­ti­on der CDU mit den Grü­nen (Grund: gefähr­li­che Anar­chis­ten­freun­de, die sich nur hin­ter einer bür­ger­li­chen Fas­sa­de verstecken)

Wäh­rend (1) und (2) so in etwa dem ent­spricht, was von einer ultra­kon­ser­va­ti­ven Grup­pe zu erwar­ten ist (und selbst aus die­ser Sicht ziem­lich däm­lich ist – die JU wür­de glau­be ich als ers­te pro­tes­tie­ren, wenn das KTS-Publi­kum nicht mehr vor­wie­gend in der KTS, son­dern vor­wie­gend z.B. in der Innen­stadt oder auf der Stra­ße zu fin­den wäre), ist die Aus­sa­gen zu (3) in der Pres­se­mit­tei­lung rich­tig amü­sant. Zitat:

„Frau Vie­then und die Grü­nen ver­su­chen wohl mit ihrer demons­tra­ti­ven Unter­stüt­zung der Anar­chis­ten und mit ihrer pole­mi­schen Kri­tik an der Frei­bur­ger Poli­zei wie­der Boden im lin­ken Lager gut zu machen, den sie beim Beschluss für den Ver­kauf der Frei­bur­ger Stadt­bau ver­lo­ren haben. Damit zei­gen die Grü­nen ihr wider­sprüch­li­ches Gesicht und machen sich unglaub­wür­dig“, so Dani­el Sander. […]

Die Äuße­run­gen von Frau Vie­then und Co. und deren Unter­stüt­zung der sinn­lo­sen und gefähr­li­chen Aktio­nen gegen den Staat hät­ten gezeigt, dass der bür­ger­li­che Anschein, den die Grü­nen beim Woh­nungs­ver­kauf gewon­nen hät­ten, nur Fas­sa­de sei. „Unter die­sen Umstän­den ist auf abseh­ba­re Zeit kei­ne kom­mu­na­le Koali­ti­on mit den Frei­bur­ger Grü­nen und der CDU denk­bar“, so Dani­el Sander.

Mal abge­se­hen davon, dass im baden-würt­tem­ber­gi­schen Kom­mu­nal­recht eh kei­ne Koali­tio­nen vor­ge­se­hen sind, und eine sach­be­zo­ge­ne Poli­tik anders aus­sieht, als in der pau­scha­len Ableh­nung jeder Zusam­men­ar­beit mit der stärks­ten Frak­ti­on, so scheint mir die CDU – und ins­be­son­de­re die JU – vor allem noch nicht ganz kapiert zu haben, dass es tat­säch­lich sowas wie eine „neue Bür­ger­lich­keit“ gibt, dass Grü­ne in Frei­burg längst nicht nur von Links­al­ter­na­ti­ven gewählt wer­den. Deutsch­land­weit wird das bei­spiels­wei­se in den Milieu­stu­di­en des SINUS-Insti­tuts deut­lich: bis Anfang der 1990er Jah­ren gab es dem­zu­fol­ge in Deutsch­land ein „Alter­na­ti­ves Milieu“, das etwa 4 % der Bevöl­ke­rung aus­mach­te, und eine Art (jugend­li­che) Sub­kul­tur dar­stell­te. In den aktu­el­len SINUS-Stu­di­en gibt es die­ses Milieu nicht mehr – dafür die „Post­ma­te­ri­el­len“, eines der gesell­schaft­li­chen Leit­mi­lieus und mit etwa 12 % min­des­tens so stark wie die Konservativen.

Die Exis­tenz die­ser „ver­bür­ger­lich­ten Alter­na­ti­ven“ – in Frei­burg sicher deut­lich mehr als 12 % – haben Tei­le der CDU/JU noch nicht begrif­fen. Sie lau­fen Feind­bil­dern aus den 1980ern hin­ter­her, die es so nicht mehr gibt. Und sie kapie­ren nicht, dass es inzwi­schen mög­lich ist, hohen Bil­dungs­sta­tus und hohes Ein­kom­men – mit allen Fol­ge­er­schei­nun­gen wie dem Wohn­ei­gen­tum etc. – also die alten Insi­gni­en des Bür­ger­tums – mit einem grün-bür­ger­rechts­li­be­ra­len Wer­te­mus­ter zu ver­bin­den, zu dem sowohl die Suche nach ver­nünf­ti­gen Haus­hal­ten als auch die Offen­heit für kul­tu­rel­le Expe­ri­men­te und alter­na­ti­ve Lebens­for­men gehört.