Phänomen des Alltags: Geburtstagsglückwünsche auf Facebook

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Es gibt Leu­te, die Sta­tis­ti­ken dar­über füh­ren, auf wel­chem Kanal ihnen an ihrem Geburts­tag wie oft gra­tu­liert wur­de – von der real­räum­li­chen Begeg­nung über das Tele­fo­nat bis zur E‑Mail, zu Face­book, Twit­ter und Netz­wer­ken wie XING. Das habe ich nicht vor. Trotz­dem fin­de ich das Phä­no­men der Geburts­tags­glück­wün­sche in sozia­len Netz­wer­ken interessant. 

Aus Sicht sozia­ler Netz­wer­ke ist es ver­mut­lich eine Kun­den­bin­dungs­me­tho­de, mehr (XING!) oder weni­ger offen­siv auf die Geburts­ta­ge der jewei­li­gen Kon­tak­te auf­merk­sam zu machen: Die­se Netz­wer­ke leben davon, dass der zugrun­de­lie­gen­de „social graph“ mit Inter­ak­tio­nen gefüllt wird. 

Die sozia­le Ver­pflich­tung, Arbeits­kol­le­gIn­nen, Freun­dIn­nen und Bekann­ten zum Geburts­tag zu gra­tu­lie­ren, ist hoch. Enspre­chend liegt es nahe, dar­auf auf­merk­sam zu machen, wenn jemand aus dem Kreis der Kon­tak­te Geburts­tag hat. Das ist für die Nut­ze­rIn­nen nütz­lich, weil es den hand­ge­schrie­be­nen Kalen­der­ein­trag ersetzt, der jedes Jahr aktua­li­siert wer­den müss­te, und es ist für die Netz­wer­ke nütz­lich, weil sie sich so mit Leben fül­len. Etwas weni­ger freund­lich gesagt, wäre mei­ne The­se, dass es dar­um geht, einen exis­tie­ren­den sozia­len Anlass (der indi­vi­dua­li­sier­ter ist als die gro­ßen Kon­sum­ta­ge wie Weih­nach­ten, Sil­ves­ter, Valen­tins­tag, …) der Markt­herr­schaft zuzuführen.

Aber gut. Nun ist die­se Funk­ti­on da, und wer dem Netz­werk sei­ne Daten gege­ben hat, wird bei den jewei­li­gen Kon­tak­ten am ange­ge­be­nen Geburts­tag – oder auch schon eine Woche vor­her (XING!) – ein­ge­blen­det. Und bekommt dann mehr oder weni­ger vie­le Glückwünsche.

Ich per­sön­lich mache das ja so, dass ich dann Kon­tak­ten auf Face­book (oder Twit­ter) zum Geburts­tag gra­tu­lie­re, wenn ich a. die Per­son tat­säch­lich irgend­wie näher ken­ne, und b. zufäl­lig sehe, dass da ein Geburts­tag statt­fin­det. Ob ich das bemer­ke, hängt (bis auf weni­ge Aus­nah­men, sie­he hand­ge­schrie­be­ner Kalen­der) vor allem davon ab, ob ich Face­book am Handy/Tablet oder am Rech­ner nut­ze, da die Geburts­ta­ge nur in der Desk­top-Ver­si­on der Sei­te ein­ge­blen­det wer­den. Wenn ich an dem jewei­li­gen Tag von unter­wegs auf Face­book zugrei­fe, dann müs­sen sich die Glück­wün­sche in mei­ner Time­line schon anhäu­fen, so dass ich dann sehe, dass da jemand, den oder die ich auch ken­ne, Geburts­tag hat. 

Und dann ist da ja immer das Pro­blem, das ein „Alles Gute!“ ein biss­chen unin­spi­riert wirkt. Klar, bei der Begeg­nung auf dem Büro­flur mit Hand­schüt­teln oder Umar­men wer­den auch kei­ne ela­bo­rier­ten Reden gehal­ten. Aber da ist ja auch nicht sicht­bar, dass alle „Alles Gute“ sagen.

Ist das so? Statt Kanä­le zu zäh­len, habe ich mir mal ange­schaut, wie das bei den Glück­wün­schen zu mei­nem Geburts­tag vor ein paar Tagen auf Face­book so war (hier nur die an mei­ne Chro­nik gepos­te­ten Glück­wün­sche) – letzt­lich auch eine net­te Gele­gen­heit, all die­se Glück­wün­sche noch­mal durchzulesen. 

Glückwünsche bei Facebook, 2014

Wie die Abbil­dung zeigt, domi­nie­ren zwei Grund­mus­ter bei den Glück­wün­schen (manch­mal auch kom­bi­niert): „Alles Gute [zum Geburts­tag]!“ (alter­na­tiv: „Alles Lie­be [zum Geburts­tag]!“ (53%) sowie „[Herz­li­chen] Glück­wunsch [zum Geburts­tag]!“ (39%). Die For­meln „Viel Glück zum Geburts­tag!“ (nicht extra aus­ge­wie­sen) sowie „Hap­py Bir­th­day!“ (7%, in abso­lu­ten Zah­len 6 von 83 Fäl­len). Ins­ge­samt ent­spre­chen 95 Pro­zent der Glück­wün­sche im Grund­auf­bau einem der Standard.

Die­se Grund­for­men wer­den ergänzt durch die Nen­nung des Namens („[Lie­ber] Till“, 18%), durch Orts­an­ga­ben („nach Frei­burg“, „aus Xyz“, 11%) sowie ger­ne auch durch Smi­leys oder beson­ders vie­le Aus­ru­fe­zei­chen (14%). In eini­gen Fäl­len wird eine schö­ne Fei­er oder ein schö­ner Tag gewünscht (10%).

Jeder fünf­te Glück­wunsch ent­hält wei­te­re „nicht­stan­dar­di­sier­te“ Ele­men­te – Hin­wei­se auf das Alter, per­sön­lich for­mu­lier­te Wün­sche, die sich nicht in eine der For­meln pas­sen las­sen und ähnliches. 

Oder, noch­mal zusam­men­ge­fasst und aus­ein­an­der­ge­rech­net: Ins­ge­amt ent­spre­chen unter den bei Face­book zu mei­nem letz­ten Geburts­tag gepos­te­ten Glück­wün­schen 46% genau einer der drei Stan­dard­for­meln (also ent­we­der „Alles Gute“ oder „Herz­li­chen Glück­wunsch“ oder „Hap­py Bir­th­day“; ohne Kom­bi­na­tio­nen und ohne Ergän­zun­gen wie Namens­nen­nung, Orts­an­ga­ben, per­sön­li­che Wün­sche). Etwas böse gesagt – ich habe mich trotz­dem dar­über gefreut! – waren also etwa die Hälf­te „Rou­ti­n­e­glück­wün­sche“. ((Wobei natür­lich auch ein bei jedem Anlass gleich geäu­ßer­ter ori­gi­nel­ler Glück­wunsch Rou­ti­ne wäre …))

Die ande­re Hälf­te vari­iert die­se Stan­dard­for­men und ist per­sön­li­cher. Fünf­zehn­mal (das ist knapp ein Fünf­tel aller Glück­wün­sche) sind es meh­re­re Ergän­zun­gen, die zusam­men­kom­men (die­se Kate­go­rie reicht von „Alles Gute, lie­ber Till :-)!“ bis zu ganz per­sön­lich for­mu­lier­ten Wün­schen). Über die ich mich, auch das gebe ich ger­ne zu, noch ein klei­nes Biss­chen mehr gefreut habe.

Jetzt sind die­se 83 Glück­wün­sche, die mir die­ses Jahr über Face­book zuge­tra­gen wur­den, selbst­ver­ständ­lich kei­ne geeig­ne­te Daten­ba­sis, um weit­rei­chen­de Schlüs­se über die Eta­blie­rung und die Funk­ti­on von Glück­wunsch­prak­ti­ken in sozia­len Netz­wer­ken zu zie­hen. Und ich habe auch nicht über­prüft, ob die Ori­gi­na­li­tät und Per­so­na­li­sie­rung von Glück­wün­schen vom Grad der per­sön­li­chen Nähe abhän­gig ist. Ich ver­mu­te aller­dings, dass das nur zum Teil etwas mit­ein­an­der zu tun hat, ins­be­son­de­re, wenn die über Face­book geäu­ßer­ten Glück­wün­sche ins­ge­samt eher aus dem Feld der „weak ties“ kom­men (was umge­kehrt hei­ßen wür­de, dass enge­re sozia­le Bezie­hun­gen eben per­sön­lich, am Tele­fon oder per Mail gra­tu­lie­ren, und nicht auf die Erin­ne­rungs­funk­ti­on von Face­book hin).

Letzt­lich zeigt mein Aus­flug in die per­sön­li­che litt­le big data , dass es ver­mut­lich sozio­lo­gisch gar nicht so unin­ter­es­sant wäre, sich die­se Nut­zungs­prak­ti­ken mal ernst­haft anzu­schau­en. Hat das schon jemand getan?

War­um blog­ge ich das? Face­book ist ja auch schon zehn Jah­re alt gewor­den – ganz so neu ist der Social-Media-Gruß zum Geburts­tag also auch nicht mehr. Letzt­lich han­delt es sich dabei um ein All­tags­phä­no­men in der Pha­se der Ver­fes­ti­gung. Und das ist – selbst wenn’s, wie hier, augen­zwin­kernd geschieht – ja durch­aus nicht unin­ter­es­sant. Was ich abge­se­hen davon mit­neh­me: indvi­du­el­le­re Glück­wün­sche machen den Beglück­wünsch­ten mehr Freu­de. Ich wer­de ver­su­chen, mir in die­sem Sin­ne beim nächs­ten Beglück­wün­schungs­an­lass Mühe zu geben.

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