Ampel schaltet auf Notbetrieb

Was für eine Woche, oder eigent­lich: was für ein Tag! Am Mor­gen des 6. Novem­ber 2024 wird klar, dass Donald Trump nicht nur die Prä­si­dent­schafts­wahl klar gewinnt, son­dern auch durch­re­gie­ren kann und eine Mehr­heit der popu­lar vote haben wird. Am Abend des sel­ben Tages dann die Ent­las­sung des Finanz­mi­nis­ters und eine der weni­gen in Erin­ne­rung blei­ben­den Reden des Bun­des­kanz­lers (war­um erst da?). 

Die Ampel schal­tet nun tat­säch­lich in den Not­be­trieb. Das war zwar immer mal wie­der ver­mu­tet wor­den – dass es am Mitt­woch­abend dazu kam, war trotz­dem uner­war­tet. Chris­ti­an Lind­ner hat­te wohl einen etwas ande­ren Zeit­plan im Kopf. Trotz Feh­de­hand­schuh Wirt­schafts­pa­pier wirk­te er über­rascht, dass der Kanz­ler ihn tat­säch­lich vor die Tür setz­te. Und eben­so über­ra­schend folg­ten nur zwei der drei FDP-Minister*innen ihrem Parteichef. 

Umge­hend wur­de nach­be­setzt – für eine rot-grü­ne Min­der­heits­re­gie­rung mit unkla­rem Ablauf­da­tum. Das Gezer­re über den Ter­min der Ver­trau­ens­fra­ge wirkt unwür­dig und so, als sei­en alle Sei­ten nur auf ihren jewei­li­gen Vor­teil bedacht. Am absur­des­ten die Uni­on, die einer­seits mög­lichst sofort wäh­len las­sen möch­te, aber ande­rer­seits noch weit hin­ten dran ist mit Lis­ten­par­tei­ta­gen und Nomi­nie­run­gen. Mit Blick auf das Innen­le­ben von Par­tei­en und Wahl­be­hör­den und mit den ja durch­aus begrün­de­ten Fris­ten ist die von Olaf Scholz vor­ge­schla­ge­ne Wahl Ende März sinnvoll. 

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Parteitag im Konjunktiv

Irgend­wann fiel mir dann auf, wie oft in den Reden von „hät­ten“, „wür­de“ und „wäre“ die Rede war. Klar, nicht ganz ver­wun­der­lich – schließ­lich war der eigent­li­che Anlass des Par­tei­tags kurz vor Mit­ter­nacht am vor­he­ri­gen Sonn­tag spon­tan ver­schwun­den. Und selbst­ver­ständ­lich spiel­ten die Ergeb­nis­se der abge­bro­che­nen Son­die­run­gen und deren Bewer­tung eine gro­ße Rol­le – von der Ent­täu­schung und Trau­er über ver­pass­te Chan­cen, in den Kli­ma­schutz ein­zu­stei­gen, und wei­te­re Ein­schrän­kun­gen beim Fami­li­en­nach­zug zu ver­hin­dern, bis zur halb­wegs unver­hoh­le­nen Freu­de dar­über, die Zumu­tung Jamai­ka nicht auf sich neh­men zu müssen.

Und klar, dass sich die­se Emo­tio­na­li­tät vor allem in Rich­tung FDP ent­lud. Cem Özd­emir stell­te klar, dass eine nach rechts und ins popu­lis­ti­sche abrut­schen­de FDP nicht län­ger den Anspruch auf Libe­ra­li­tät ver­tre­ten kön­ne. Kat­rin Göring-Eckardt fand die angeb­lich so muti­gen und inno­va­ti­ven Frei­de­mo­kra­ten als Klein­geis­ter und Beden­ken­trä­ger wie­der, als es dar­um ging, ob Deutsch­land den Sprung Rich­tung Ener­gie­wen­de schaf­fen würde. 

Für all das gab es gro­ßen Bei­fall; noch grö­ßer nur der Applaus für das Lob für das Son­die­rungs­team mit sei­nen vier­zehn so ver­schie­de­nen Mit­glie­dern. Gera­de dar­in, und in der klein­tei­li­gen inhalt­li­chen Vor­be­rei­tung im Pro­gramm­pro­zess, in der Bun­des­tags­frak­ti­on, aber auch in den Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaf­ten lag ein Grund für das Stan­ding und die begrün­de­te Hart­nä­ckig­keit der grü­nen Sondierer*innen. Wenn wir es schaf­fen, die­se selbst­be­wuss­te, inhalt­lich fun­dier­te Gemein­sam­keit, die­sen Team­geist in die wei­te­re Zukunft der Par­tei mit­zu­neh­men, haben wir eini­ges gewonnen.

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Oh, wie schön war Jamaika

May V

Ich war dann doch ver­nünf­tig genug, ges­tern Abend vor Mit­ter­nacht ins Bett zu gehen. Da sah es noch so aus, als wür­de es eine Eini­gung in den Jamai­ka-Son­die­rungs­ver­hand­lun­gen geben kön­nen. Irri­tie­ren­de Tweets von Nico­la Beer, dass wie­der alles offen sei, mal bei­sei­te. Jeden­falls wur­de klar, wo die grü­nen Schmerz­gren­zen lie­gen. Ein CSU-Hin­ter­bänk­ler ver­kün­de­te Eini­gun­gen bei siche­ren Her­kunfts­län­dern, in mei­ner Time­line folg­te fast schon ritua­li­sier­te Empö­rung, bis des­sen 15 Minu­ten vor­bei waren, und das Gan­ze sich als Gerücht entpuppte. 

Dass die Ver­hand­lun­gen sich so lan­ge hin­zo­gen, hät­te irri­tie­ren kön­nen. Am frü­hen Abend lag für mein Gefühl, was ich so las und wahr­nahm, der Abbruch schon in der Luft. Ich schrieb, dass hier ein Paar ver­han­delt, des­sen Bezie­hung geschei­tert ist, dass sich das Ende aber nicht ein­ge­ste­hen möch­te. Als sich die Gesprä­che dann doch wei­ter in den Abend hin­zo­gen, war mei­ne Inter­pre­ta­ti­on ein „jetzt haben sie’s“, der Punkt des Schei­terns schien über­wun­den, der letz­te Kom­pro­miss gefun­den, der Kno­ten durchgehauen.

Wie weit unser grü­nes Son­die­rungs­team dabei tat­säch­lich gegan­gen ist, und wie weit die Par­tei dem gefolgt wäre, wer­den wir nun aller­dings nicht erfah­ren. Denn zur Abstim­mung über die Auf­nah­me von Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen wird es nicht kommen. 

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Am Ende eines Experiments – einmal Neuwahlen, bitte

Im Okto­ber 2009 habe ich einen län­ge­ren Text zur damals gera­de anste­hen­den Jamai­ka-Koali­ti­on im Saar­land geschrie­ben. Und ja – die dama­li­ge Ana­ly­se trägt durch­aus noch. Jetzt ist das ja auch schon wie­der Geschich­te, und die Idee, mal eben eine gro­ße Koali­ti­on her­bei­zu­füh­ren, fällt Minis­ter­prä­si­den­tin Anne­gret Kramp-Kar­ren­bau­er auf die Füße. Oder ist’s nur ein tak­ti­sches Spiel der dor­ti­gen SPD, um mög­li­cher­wei­se nach einer Neu­wahl in einer gro­ßen Koali­ti­on ein biss­chen bes­ser dazu­ste­hen als es jetzt der Fall wäre?

Wie dem auch sei – es scheint nun ziem­lich sicher zu sein, dass es 2012 nicht nur in Schles­wig-Hol­stein, son­dern auch im Saar­land zu Neu­wah­len kommt. Stimmt eigent­lich mein sub­jek­ti­ver Ein­druck, dass die Halt­bar­keit von Lan­des­re­gie­run­gen in den letz­ten Deka­den deut­lich abge­nom­men hat? Und ist es, wie man­che es twit­ter­ten, ein Zei­chen dafür, dass Poli­ti­ke­rIn­nen den Auf­trag der Wäh­le­rIn­nen nicht mehr ernst neh­men – Neu­wah­len als Demokratieproblem?

Übri­gens: Mein Tweet, es kön­ne doch auch mal jemand danach fra­gen, was mit rot-rot-grün als Alter­na­ti­ve zu Neu­wah­len sei, wur­de erwar­tungs­ge­mäß eher belä­chelt. Und ja, ich hal­te das (wie ich schon 2009 geschrie­ben habe) auf­grund der loka­len Ani­mo­si­tä­ten zwi­schen Links­par­tei-Oskar und sei­ner Alt­par­tei auch nicht für eine rea­lis­ti­sche Opti­on. Trotz­dem scha­de, dass das so gar nicht denk­bar ist. (Und bei der Gele­gen­heit: Wie schon in Ham­burg schei­tert eine schwarz-grü­ne Koali­ti­on am/beim Wech­sel des schwar­zen Per­so­nals – was will uns das sagen?).

Ich hof­fe mal, dass die Grü­nen im Saar­land die Chan­ce des Wahl­kampfs nut­zen. Simo­ne Peter als ehe­ma­li­ge Umwelt­mi­nis­te­rin hat sich, was so zu hören ist, in der Regie­rung durch­aus wacker geschla­gen. Wie wär’s dies­mal mit einer Spitzenkandidatin?

War­um blog­ge ich das? Mit Blick auf die poli­ti­sche Groß­wet­ter­la­ge scheint das Saar­land wich­ti­ger zu sein, als all­ge­mein so gedacht wird …

P.S.: Wenn die­ser Arti­kel der Saar­brü­cker Zei­tung so stimmt, dann geht’s nicht drum, dass SPD und CDU nicht zuein­an­der fin­den wür­den, son­dern dass die gro­ße Koali­ti­on lie­ber gleich für fünf Jah­re lau­fen soll!