Weil einige danach fragen, was ich von Jamaika halte:
1. Wir sind in diesen Wahlkampf mit Eigenständigkeit gezogen. Das war ernst gemeint.
2. Auf die Ergebnisse – wie viel grüne Inhalte lassen sich durchsetzen, wie viele rechte „Kröten“ sind dabei – kommt es an. Verhandlungen können auch scheitern.
3. So richtig viele Alternativen gibt es im Moment nicht. Ich habe das mal aufgeschrieben:
A. SPD lässt sich überreden, doch nochmal GroKo zu machen. Am Ende der Legislatur ist sie bei 12 %. Grüne stehen als Hasenfüße da, die nach 2013 zum zweiten Mal eine Option ausgeschlagen haben.
B. Jamaika wird erfolgreich verhandelt (d.h. für uns: es tauchen gute und viele grüne Inhalte in uns wichtigen Themen auf), und Jamaika regiert …
B.1 … erfolgreich: Dann dürfte das einen Baden-Württemberg-Effekt haben, wir werden dauerhaft zweistellig und können entsprechend viel umsetzen.
B.2 … weniger erfolgreich: Dann ist das für uns ein existenzielles Risiko (wie Habeck schreibt). Vermutlich würde die Koalition dann irgendwann scheitern. Folgen – unklar.
C. Neuwahlen, unabsehbare Konsequenzen, nochmal ein halbes Jahr Wahlkampf, am Schluss vielleicht eine 25-Prozent-AFD oder ein Kanzler Seehofer.
D. Grüne dulden schwarz-gelbe Minderheitenregierung – warum sollten wir, bringt die Risiken von B.2 mit, ohne auch nur den geringsten Einfluss.
E. FDP duldet schwarz-grüne Minderheitenregierung. Etwas wahrscheinlicher als D., weil die FDP nach 2009/2013 vorsichtig ist. Aber ich halte es für unwahrscheinlich.
F. Rot-gelb-rot-grün: Wäre inhaltlich und politisch meine Lieblingsfarbkombi, aber real scheint’s mir völlig unrealistisch. Wagenknecht und Lindner an einem Kabinettstisch?
G. Schwarz-gelb-hellblau -> da würde ich dann übers Auswandern nachdenken.
Mehr fiel mir an Optionen nicht ein. Auch deswegen finde ich es mehr als ok, wenn wir schauen, ob Jamaika inhaltlich möglich ist. Danach wird dann entschieden.
Ich hatte das zuerst auf Facebook gepostet, aufgrund des regen Interesses dort auch noch einmal im Blog. Dort gab es in den Kommentaren auch noch den Hinweis auf einige weitere Möglichkeiten, die ich doch nennen will.
H. Echte Minderheitenregierung nach skandinavischem Vorbild: CDU/CSU stellt die Kanzlerin und das Kabinett, für Vorhaben müssen jeweils Mehrheiten im Parlament gesucht werden. Hätte anders als bei D/E den Vorteil, dass es nicht „echte“ und „unechte“ Mitregierende gibt. Nachteil: die AfD wäre die „einzig wahre Opposition“.
I. Von der CDU geduldete Ampel. Sozusagen die Kombination aus H und einem Kanzlerwechsel. Halte ich für extrem unwahrscheinlich und politisch weit, weit weg von allem, was Deutschland bisher kennt.
J. Konkordanzregierung nach Schweizer Vorbild. Generell clasht das aus meiner Sicht mit der Richtlinienkompetenz der Kanzlerin.
J.1 Ohne AfD, sprich: im Kabinett sitzen Minister*innen von CDU, CSU, SPD, FDP, GRÜNEN und LINKEN. Im Parlament werden jeweils Mehrheiten gesucht. Allerdings wäre die AfD dann die einzige „echte“ Oppositionspartei. Zudem müsste nach Schweizer Vorbild die Kanzlerschaft rotieren – passt nicht zu Deutschland, leider.
J.2 Ohne AfD und ohne LINKE (weil die Union nur mitmacht, wenn Äquidistanz zu allen „extremen Kräften“ gewahrt wird. Faktisch eine supergroße Koalition (vgl. Sachsen-Anhalt), die dann vermutlich eher verwaltet als zu regieren. Könnte zu Deutschland passen, würde aber gleichzeitig entweder zu einer Lahmlegung des Parlaments oder zu einem Systemwechsel im Parlament führen (wechselnde Mehrheiten).
J.3 Konkordanz mit allen Fraktionen inkl. AfD am Kabinettstisch. (Wobei die Minister*innen nach Schweizer Vorbild trotzdem eine Mehrheit im Parlament bräuchten.). Lieber nicht.