Kurz: Infrastrukturabhängigkeit

Ich fin­de es immer wie­der erstaun­lich, fest­zu­stel­len, wie abhän­gig ich vom rei­bungs­lo­sen Funk­tio­nie­ren von Infra­struk­tu­ren (oder „Gro­ßen Tech­ni­schen Sys­te­men“) bin, Ten­denz zuneh­mend. Sicht­bar wird das immer dann, wenn ein Sys­tem aus­fällt. Das pas­sier­te in den letz­ten Tagen gleich zweimal.

Bei­spiel 1: Als ich von der Frak­ti­ons­klau­sur nach Hau­se kam, leuch­te­ten am DSL-Rou­ter nur zwei statt fünf LEDs. Kein Inter­net, damit – IP-Tele­fo­nie – auch kein Tele­fon, und an Strea­ming von Unter­hal­tungs­me­di­en war erst recht nicht zu den­ken. Rück­zug­li­nie: das Han­dy. Am nächs­ten Mor­gen dann Anruf bei der Tele­kom; der ers­te Ter­min für einen Tech­ni­ker, an dem ich auch konn­te: eine Woche spä­ter. Ges­tern wur­de der Defekt, ein Feh­ler im Schalt­kas­ten, dann repa­riert. Eine Sache von weni­gen Minu­ten. Seit­dem läuft’s wie­der, aber bis dahin ging vie­les nicht.

Bei­spiel 2: Der Sturm Frie­de­ri­ke brach­te die Bahn dazu, den Fern­ver­kehr abzu­schal­ten. Ob das in jedem Fall gerecht­fer­tigt war, weiß ich nicht – für mich kon­kret hieß es erst­mal: sit­ze ich jetzt in Stutt­gart fest? Dank der wei­ter fah­ren­den Regio­nal­zü­ge, die dann ent­spre­chend über­füllt waren, kam ich doch noch nach Frei­burg. Dau­er­te aller­dings vier Stun­den statt zwei, was kon­kret bedeu­te­te, dass mei­ne Kin­der abends nicht zu mir konn­ten, son­dern län­ger als geplant von ihrer Mut­ter betreut wer­den muss­ten, die dan­kens­wer­ter­wei­se gelas­sen dar­auf reagier­te. Auch wenn’s bei mir halb­wegs klapp­te mit der Rück­fall­op­ti­on RE: ein paar mehr Red­un­dan­zen im Bahn­ver­kehr wären nicht schlecht.

Datenbefreiung, oder: staatsmonopolistischer Netzkapitalismus

Goog­le räumt auf, und räumt dabei – zum Juli – auch den Goog­le Rea­der ab. Wer das nicht kennt: das ist ein Tool, um Blogs und ande­re Nach­rich­ten­quel­len, sofern sie RSS-Feeds haben, syn­chro­ni­siert zwi­schen meh­re­ren Gerä­ten zu lesen. Oder etwas weni­ger tech­nisch: ein Tool, mit dem ich auf einen Blick sehe, wel­che Arti­kel in mei­nen Lieb­lings­blogs und wel­che Nach­rich­ten von tagesschau.de ich noch nicht gele­sen habe, und zwar egal, ob ich auf dem PC, auf dem Smart­phone oder auf dem Tablet nach­schaue. Zudem sehe ich auf einen Blick, ob mei­ne Lieb­lings­blogs neue Ein­trä­ge haben, muss also nicht der Rei­he nach durch­blät­tern, was es wo gibt.

Der Goog­le Rea­der war mal mehr (das habe ich aber nie genutzt), und er ist nicht uner­setz­bar. Tat­säch­lich set­ze ich ihn erst aktiv ein, seit ich ein Smart­phone benut­ze. Auf dem PC war das fire­fox-inte­re Hand­ling durch­aus aus­rei­chend für mich, um die­se gera­de beschrie­be­ne Funk­tio­na­li­tät zu erfüllen.

Trotz­dem ärgert mich das Aus für den Goog­le Rea­der, und da bin ich nicht allei­ne, auch wenn man­che dem auch Gutes in Sachen Mono­pol­ver­mei­dung abge­win­nen können. 

Was ich kon­kret mache, mit wel­chem Tool ich mei­ne Lieb­lings­blog-Feeds in Zukunft lesen wer­de, das weiß ich noch nicht. Irgend­et­was wird sich finden. 

Aber ich muss­te doch wie­der an die Eisen­bahn denken. 

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Ein klares Nein zur Deutschen Netzinfrastrukturanstalt

Traditionsschiff Frieden IX

I. State of the Web 2013

Letzt­lich läuft es auf die Fra­ge hin­aus, wem wir ver­trau­en, wenn es um unse­re Daten geht. Der Hype der Sai­son heißt Cloud, die Daten­wol­ke – und da will jeder mit­spie­len: ehe­ma­li­ge Start-ups wie Drop­box (kei­ne Ahnung, wem das inzwi­schen gehört), Hos­tin­g­an­bie­ter wie 1&1, Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­gi­gan­ten wie die Tele­kom, Inter­net­mo­no­po­lis­ten wie Goog­le und Ama­zon und nicht zuletzt Hard­ware­her­stel­ler wie Apple und Sam­sung. Jedes die­ser Unter­neh­men bie­tet – mehr oder weni­ger kos­ten­frei, mehr oder weni­ger wer­be­fi­nan­ziert, mehr oder weni­ger inklu­si­ve in bestehen­den Ver­trä­gen – die Dienst­leis­tung an, Daten in der Cloud zu spei­chern und von über­all her dar­auf zuzugreifen.

Wor­um geht es? Als Ant­wort auf eine durch­aus lesens- und beden­kens­wer­te Ana­ly­se zum Sta­te of the Web 2013 von John­ny Häus­ler (in der es weni­ger um die Cloud als um den eher kom­mer­zi­el­len als öffent­li­chen Raum geht, den Face­book bis Pin­te­rest schaf­fen, und der – ja, rich­tig! – ein Pro­blem dar­stellt) kommt Mathi­as Richel (D64) auf eine, wenn ich das so sagen darf, typisch sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Lösung.

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Windup Girl und Peak oil, oder: Nach der Globalisierung

Red tomatoes I

Ein inter­es­san­ter Aspekt von Pao­lo Baci­g­alu­pis neu­em Sci­ence-Fic­tion-Werk „The Win­dup Girl“ – übri­gens zurecht als zeit­ge­nös­si­sches Gegen­stück zu Wil­liam Gib­sons Neu­ro­man­cer-Tri­lo­gie gehan­delt und in einem Atem­zug mit Ian McDo­nald genannt – ist die Tat­sa­che, dass Baci­g­alu­pi sei­ne Erzäh­lung in einer Zukunft statt­fin­den lässt, die nach der Glo­ba­li­sie­rung ange­sie­delt ist. Für „The Win­dup Girl“ ist das mehr oder weni­ger nur der sze­ni­sche Hin­ter­grund einer Geschich­te, in der sich die fins­te­ren Pro­phe­zei­un­gen unkon­trol­lier­ba­rer Gen­ma­ni­pu­la­ti­on, agro­in­dus­tri­el­ler Nah­rungs­mit­tel­mo­no­po­le und der Kli­ma­ka­ta­stro­phe erfüllt haben. Trotz­dem möch­te ich „The Win­dup Girl“ zum Anlass neh­men, die­se Zukunft in den Blick zu nehmen.
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Homöopathie und die Deutsche Bahn im Sommerloch

Vor­ne­weg: Die­se Woche gibt es unge­fähr drei Din­ge, die eine Dead­line haben; des­we­gen kann ich das fol­gen­de Argu­ment nicht wirk­lich aus­führ­lich dar­le­gen. Trotz­dem kann ich sowohl das Pro­blem der Bahn mit ihren ICEs als auch die anschwel­len­de Homöo­pa­thie­de­bat­te nicht ganz außen vor las­sen – das juckt doch in den Fin­gern … und ist deut­lich län­ger gewor­den als geplant. 

Powerful buttons

Zur Bahn-Debat­te: Ich fah­re gern und viel Bahn, trotz­dem oder gera­de des­we­gen fin­de ich das Kri­sen­ma­nage­ment der Bahn bedenk­lich. Letzt­lich geht’s um die Fra­ge, wie­viel tech­ni­sche Red­un­danz – ein gro­ßes Sicher­heits­merk­mal der Eisen­bahn – weg­op­ti­miert wer­den kann, um betriebs­wirt­schaft­lich erfolg­reich zu sein. Darf ein für ein geschlos­se­nes Sys­tem im Extrem­fall lebens­not­wen­di­ges Teil wie eine Kli­ma­an­la­ge so gestal­tet sein, dass sie aus­fal­len kann? Oder muss ein Aus­fall­ri­si­ko hin­ge­nom­men wer­den – und was ist dann jen­seits der Tech­nik zu tun (War­tungs­in­ter­val­le, ein Wagen­park, der groß genug ist, um Ersatz­zü­ge bereit­zu­stel­len …)? Wie das gan­ze poli­tisch ein­zu­schät­zen ist, ver­rät Win­ne Her­mann MdB in einem Inter­view mit tagesschau.de.

Etwas all­ge­mei­ner: wie muss ein gro­ßes tech­ni­sches Sys­tem, eine Infra­struk­tur, gestal­tet und regu­liert sein, um auch bei Win­ter­wet­ter und Hoch­som­mer­hit­ze zu funktionieren?

Zum The­ma Homöo­pa­thie: Unter gro­ßem Bei­fall der Natur­wis­sen­schafts­com­mu­ni­ty brin­gen SPD und cDU die Idee ins Spiel, Homöo­pa­thie aus dem Leis­tungs­ka­ta­log der Kran­ken­kas­sen zu strei­chen. Rena­te Kün­ast macht die Sache nicht bes­ser, indem sie Homöo­pa­thie und Natur­heil­kun­de gleich­setzt. Auf Twit­ter hau­en sich die Leu­te kräf­tig die Köp­fe ein – Fak­ten fin­de ich nur weni­ge. (Ja, es gibt hun­der­te Stu­di­en, dass Homöo­pa­thie nicht funk­tio­niert, und es gibt viel­fäl­ti­ge Argu­men­ta­ti­ons­li­ni­en von Leu­ten, die trotz­dem möch­ten, dass die Kran­ken­kas­sen Homöo­pa­thie bezah­len*). Aber das mei­ne ich nicht. Viel­mehr ist die eigent­li­che Fra­ge doch ers­tens, wie groß das Ein­spar­po­ten­zi­al eigent­lich ist, über das hier gere­det wird – es hat ja sei­nen Grund, war­um die­se Debat­te gera­de im begin­nen­den Som­mer­loch auf­bricht. Rich­tig hand­fes­te Zah­len sind schwer zu fin­den, es scheint sich aber um unge­fähr 1 bis 5% des Kran­ken­kas­sen­bud­gets zu handeln.

Und zwei­tens geht es für mich auch um die Beob­ach­tung, dass hier unter­schied­li­che Logi­ken auf­ein­an­der pral­len. Die eine Sei­te sieht sich im Besitz der wis­sen­schaft­li­chen Wahr­heit, das heißt sie ope­riert im Bezugs­sys­tem Wis­sen­schaft mit der Unter­schei­dung wahr/falsch, um den guten alten Luh­mann her­aus­zu­ho­len. In die­ser Logik ist „klar“, dass Homöo­pa­thie falsch ist, und des­we­gen kein ratio­nal den­ken­der Mensch auf die Idee kom­men könn­te, dafür öffent­li­che Leis­tun­gen ein­zu­for­dern. Die­se Posi­ti­on wird ganz gut vom heu­ti­gen xkcd-Comic illustriert:


Quel­le: xkcd, Lizenz

Poli­tik ope­riert nicht im Phi­lo­so­phen­kö­nig-Modus wahr/falsch, son­dern im Medi­um Macht. Und auch die öffent­li­che Mei­nung (das Sys­tem der Mas­sen­me­di­en) hat ande­re Leit­dif­fe­ren­zen. Von der Wirt­schaft – und den Kran­ken­kas­sen als Orga­ni­sa­ti­ons­sys­te­men – gar nicht erst zu spre­chen (Zahlung/keine Zah­lung). Inso­fern fin­de ich es über­haupt nicht ver­wun­der­lich, dass die natur­wis­sen­schaft­li­che Logik eben nicht 1:1 in Poli­tik umge­setzt wird. ((Wer sich umschaut, wird eine gan­ze Rei­he von Bele­gen dafür fin­den, dass auch vie­le ande­re poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen irra­tio­nal sind.))

Oder noch ein­mal anders ange­setzt, und Luh­mann bei­sei­te gelas­sen: wir kön­nen auch unter­schei­den zwi­schen dem wis­sen­schaft­li­chen Wis­sen, in dem es Mög­lich­kei­ten gibt, die Wirk­sam­keit von Homöo­pa­thie zu tes­ten, dem „eso­te­ri­schen“ Wis­sen der Homöo­pathIn­nen selbst – und dem All­tags­wis­sen der Men­schen, die davon über­zeugt sind, dass Homöo­pa­thie ihnen hilft (war­um auch immer sie davon über­zeugt sind: auch das All­tags­wis­sen von Men­schen folgt eben nicht der wis­sen­schaft­li­chen wahr/­falsch-Logik, son­dern lässt sich zunächst ein­mal ein­fach nur so beschrei­ben, wie es eben ist bzw. wie es sich eben beob­ach­ten lässt). 

Inso­fern Poli­tik auf Wah­len rekur­riert, ist das die popu­lis­ti­sche Fra­ge danach, ob ein Ver­bot von Homöo­pa­thie als (Zusatz-)Kassenleistung anschluss­fä­hig an das All­tags­wis­sen ist. Ich ver­mu­te: eher nein. Es ist daher auch die Fra­ge nach dem Pro­jekt der Auf­klä­rung: wie wis­sen­schaft­li­che Ratio­na­li­tät ins All­tags­wis­sen brin­gen. Und es ist nicht zuletzt die Fra­ge danach, wie­so die­se Debat­te gera­de jetzt eini­gen Poli­ti­ke­rIn­nen als hin­rei­chend anschluß­fä­hig erscheint, um sie in Gang zu brin­gen. (Und wie­so gera­de die­se, und kei­ne der ande­ren vie­len mög­li­chen Debat­ten um Unzu­läng­lich­kei­ten des Gesundheitssystems).

Aber ich schwei­fe ab: Was hat nun das groß­tech­ni­sche Sys­tem Bahn und die sozio­tech­ni­schen Pro­ble­me, die eine Aus­rich­tung an öko­no­mi­scher Logik mit sich brin­gen, mit der Homöo­pa­thie-Debat­te zu tun? Ich sehe eine Gemein­sam­keit, und die liegt letzt­lich in den Lücken. Mit der Fra­ge nach der sozio­tech­ni­schen Red­un­danz ist das für die Bahn schon ange­spro­chen: wie groß sind die Spiel­räu­me, um auf Feh­ler reagie­ren zu kön­nen? Gibt es Ersatz­sys­te­me? Gibt es Ersatz­zü­ge? Sehen die Fahr­plä­ne so aus, dass auch ein anhal­ten­der Zug nicht gleich alles durch­ein­an­der bringt? Je fes­ter gekop­pelt das Sys­tem ist, um das mal so zu sagen, des­to wahr­schein­li­cher ist die Gefahr eines Aus­falls, wenn etwas ausfällt.

Auch unse­re Kran­ken­kas­sen sind eine Infra­struk­tur, ein gro­ßes (sozio-)technisches Sys­tem. Noch dazu eines, das extrem schwer­fäl­lig zu steu­ern und zu ver­än­dern ist. Auch hier kann über die Neben­ef­fek­te betriebs­wirt­schaft­li­cher Effi­zi­enz dis­ku­tiert wer­den (u.a. im Bereich Pfle­ge, aber auch im Hin­blick auf die For­ma­li­sie­rung von Hand­lun­gen durch infor­ma­ti­ons­tech­ni­sche Abrech­nungs­sys­te­me – und deren Kon­se­quen­zen). Aber die eigent­li­che Gemein­sam­keit in den Lücken, die ich sehe, ist eine ande­re: Wie weit darf sich das Sys­tem von Ide­al­pa­ra­me­tern (Wet­ter ohne Extrem­ereig­nis­se, Bezah­lung nur des neu­es­ten Stan­des der Wis­sen­schaft) ent­fer­nen, um noch zu funk­tio­nie­ren? Wie­viel Spiel­raum für „Quatsch“ ist not­wen­dig, um ein weit­ge­hend rei­bungs­lo­ses Funk­tio­nie­ren des Gesamt­sys­tems zu ermög­li­chen? Wie­viel Res­sour­cen dür­fen „ver­schwen­det“ wer­den (in Red­un­dan­zen, in wohl wir­kungs­lo­se Therapien)?

Die wis­sen­schaft­lich-wah­re Ant­wort der Öko­no­mie lau­tet ver­mut­lich: kei­ne. Aber ein Just-in-time-Sys­tem ist stör­an­fäl­lig. Inso­fern kann ich mir vor­stel­len, dass das Gesund­heits­sys­tem sei­ne Leis­tung bes­ser erbringt, wenn ein gewis­ses Maß – 5%, 10% – an Spiel­raum, an Red­un­dan­tem, gar an Aber­glau­ben vor­han­den ist. Da passt Homöo­pa­thie rein, da passt auch nicht­ab­rech­nungs­fä­hi­ge Gesprächs­zeit rein. 

Natür­lich hilft einem die Öff­nung von Spiel­räu­men nicht bei poli­ti­schen Grund­satz­fra­gen wei­ter. Es ist gut mög­lich, dass Homöo­pa­thie wis­sen­schaft­lich weit­ge­hend wider­leg­bar ist, oder dass der eigent­li­che Wirk­me­cha­nis­mus bei denen, die glau­ben, dass das funk­tio­niert, das Gespräch mit den Ärz­tIn­nen und letzt­lich die Über­zeu­gung sind, dass es wirkt.

Inso­fern ende ich mit einem etwas para­do­xen Plä­doy­er: Dafür, einer­seits einen gewis­sen Spiel­raum für (schein­ba­ren?) Unsinn, für Feh­ler zuzu­las­sen, ande­rer­seits die­sen aber auch zu begren­zen. Spiel­raum für Feh­ler bei der groß­tech­ni­schen Infra­stru­kur Bahn heißt: den Fahr­plan nicht gleich durch­ein­an­der brin­gen, wenn tech­ni­sche Kom­po­nen­ten aus­fal­len. Also (mög­li­cher­wei­se mit prä­zi­ser Tech­nik unter­stütz­te) Feh­ler­to­le­ranz statt Abhän­gig­keit von der Prä­zi­si­on. Aber in Maßen: die Attrak­ti­vi­tät des Ver­kehrs­sys­tems Bahn hängt ja auch davon ab, dass die­se pünkt­lich ist, dass die­se stan­dar­di­siert und „prä­zi­se“ genutzt weren kann.

Spiel­raum für Feh­ler beim Gesund­heits­sys­tem heißt: sich damit abfin­den, dass medi­zi­ni­sche Prak­ti­ken nicht durch­gän­gig wis­sen­schaft­lich sind (auch in der All­o­pa­thie gibt es da ver­mut­lich bei genau­em Hin­se­hen viel an nicht­wis­sen­schaft­li­chem Wis­sen in der Wis­sen­schaft). Ein opti­mier­tes und finan­zi­ell trag­fä­hi­ges Sys­tem schaf­fen, aber nicht um den Preis, jeg­li­che lose Kopp­lung aus­zu­mer­zen und jeg­li­che Pra­xis zu stan­dar­di­sie­ren. Und auch hier: die Begren­zung der Feh­ler­to­le­ranz im Sin­ne einer poli­ti­schen Regu­lie­rung der Gren­zen (aber eben bit­te nicht zu eng). 

Das wäre jeden­falls, so mei­ne ich zumin­dest, ein sozio­lo­gisch-wah­res Wis­sen über gesell­schaft­li­che Sys­te­me und deren Gestal­tung. Um das para­do­xe Plä­doy­er abzu­schlie­ßen: es geht dar­um, die­ses Wis­sen eben auch zur Kennt­nis zu neh­men, es anzu­wen­den, sich bewusst zu sein, dass es auch bei der Anwen­dung sozio­lo­gi­schen Wis­sens Neben­ef­fek­te gibt – und trotz­dem wei­ter­hin für Auf­klä­rung zu kämp­fen (aber eben nicht über die Köp­fe der Leu­te hinweg).

War­um blog­ge ich das? Weil ich ver­su­chen woll­te, mein Unbe­ha­gen an der und mei­ne ambi­va­len­te Posi­ti­on in der Homöo­pa­thie-Debat­te irgend­wie auf den Punkt zu brin­gen. Wer möch­te, darf’s aber auch als schlich­ten Ver­such lesen, die Exis­tenz eso­te­ri­scher Wis­sens­be­stän­de im grü­nen Pro­gramm zu rationalisieren.

* Die Homöo­pa­thie-Debat­te hat auch einen inner­grü­nen Aspekt – dazu habe ich vor einem Jahr was gebloggt; inter­es­sant ist vor allem die Debat­te in den Kommentaren.

P.S.: Wer sich eher für Infra­struk­tu­ren als sozio­tech­ni­sche Netzwerke/Systeme denn für die Homöo­pa­thie-Debat­te inter­es­siert, soll­te bei ihld weiterlesen.