Kurz: Wahlprogramm, Phase II

Am Frei­tag lief die Dead­line für Ände­rungs­an­trä­ge zum grü­nen Wahl­pro­gramm­ent­wurf für die Bun­des­tags­wahl aus. Etwa 2600 Anträ­ge wur­den ein­ge­reicht (soweit ich das sehe, ste­hen trotz Nacht­schicht der Bun­des­ge­schäfts­stel­le noch nicht alle online). Über die­se Anträ­ge wird in knapp drei Wochen auf der Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz (BDK) in Ber­lin dis­ku­tiert und abge­stimmt – von Frei­tag­nach­mit­tag bis Sonn­tag­mit­tag. Danach haben wir dann das beschlos­se­ne Wahl­pro­gramm 2013.

Zwi­schen Antrags­schluss und BDK liegt Pha­se II der inner­par­tei­li­chen Debat­ten­schlacht ums Wahl­pro­gramm. Pha­se II fin­det an zwei Orten statt. In der Öffent­lich­keit wird mit zuneh­men­der Hef­tig­keit für (oder gegen) bestimm­te Posi­tio­nen gestrit­ten. Schließ­lich ent­schei­den die Par­tei­tags­de­le­gier­ten auch danach, was ihnen pres­se­öf­fent­lich als ver­nünf­tig dar­ge­legt wird.

Gleich­zei­tig tagt hin­ter den Kulis­sen die Antrags­kom­mis­si­on. Die­se hat die Auf­ga­be, mit Hil­fe von Ver­fah­rens­vor­schlä­gen die 2600 Ände­rungs­an­trä­ge behan­del­bar für den Par­tei­tag zu machen. Dies geschieht ins­be­son­de­re dadurch, dass redak­tio­nel­le und inhalt­lich unstrit­ti­ge Ände­run­gen in den Ver­fah­rens­vor­schlä­gen als (modi­fi­zier­te) Über­nah­men gekenn­zeich­net wer­den. Z.T. wird auch Nicht­be­fas­sung emp­foh­len. Übrig blei­ben mehr oder weni­ger kon­tro­ver­se Fra­gen, die die Dele­gier­ten dann zu ent­schei­den haben – sofern es nicht Don­ners­tag und Frei­tag vor der BDK noch zu Kom­pro­mis­sen zwi­schen Antrag­stel­le­rIn­nen und Antrags­kom­mis­si­on kommt.

Kurz: Machen wir das Wunder möglich

Wir sei­en zu nett, heißt es in der ZEIT. Wir hät­ten zwar immer Recht gehabt, aber das sei irgend­wie auch blöd, meint die FAZ. Und auch anders­wo ist so in etwa zu lesen, dass GRÜNE ja eigent­lich schon eine sym­pa­thi­sche Par­tei mit den rich­ti­gen Bot­schaf­ten sei­en, dass aber ja eh klar wäre, dass die­se Wahl nicht zu gewin­nen sei – scha­de drum.

Quatsch, mei­ne ich. Anders als die SPD sind wir eine Par­tei, die gelernt hat, auch in schein­bar aus­weg­lo­sen Situa­tio­nen zu kämp­fen. Wenn der Wan­del, den wir im Wahl­pro­gramm aus­ru­fen, so harm­los und selbst­ver­ständ­lich scheint, dann hat das damit zu tun, wie viel grü­ne Pro­gram­ma­tik längst über ein klei­nes Kern­mi­lieu hin­aus anschluß­fä­hig gewor­den ist. Und wer das rich­tig fin­det, soll uns gefäl­ligst auch wäh­len – statt sich über Net­tig­keit oder einen Hang zur Arro­ganz aus Erfah­rung zu mokieren.

In gut 180 Tagen ist Bun­des­tags­wahl. Der­zeit ste­hen wir Grü­ne in den Umfra­gen zwi­schen 14 und 16 Pro­zent. Das wäre viel, aber das ist nicht genug. Wer meint, dass die­se Repu­blik eine rea­lis­ti­sche Alter­na­ti­ve zum Mit­tel­maß zwi­schen Beton und per­ma­nen­ter Kri­se ver­dient hat, wer es unver­ant­wort­lich fin­det, wei­te­re fünf Jah­re auf den nächs­ten Moder­ni­sie­rungs­sprung war­ten zu müs­sen, muss am 22. Sep­tem­ber schlicht und ein­fach grün wäh­len. Selbst wenn Clau­di­as Klei­der­wahl, Cems Bart­fri­sur, Kat­rins Rede­stil oder Jür­gens neu ent­deck­tes Fai­ble für Anzü­ge dabei stö­ren soll­ten – tut es ein­fach! Helft, das Wun­der mög­lich zu machen!

Kurz: Netzpolitische Umfallerpartei SPD


Foto: SPD-Pres­se­fo­to

Heu­te ent­schei­det der Bun­des­rat dar­über, ob er zum Leis­tungs­schutz­recht den Ver­mitt­lungs­aus­schuss anru­fen soll (Antrag Schles­wig-Hol­stein). Mit der neu­en rot-grü­nen Mehr­heit im Bun­des­rat wäre es mit einem sol­chen Ein­spruch mög­lich gewe­sen, das Inkraft­tre­ten des Leis­tungs­schutz­rechts für Pres­se­ver­la­ge erheb­lich zu ver­zö­gern, viel­leicht sogar über den Tag der Bun­des­tags­wahl hin­aus. Zudem wäre es mög­lich gewe­sen, die Hür­de für die Über­stim­mung des Ein­spruchs im Bun­des­tag auf die Kanz­ler­mehr­heit zu erhö­hen. Dann wären angeb­li­che CDU/C­SU/FDP-Netz­po­li­ti­ke­rIn­nen gefragt gewe­sen, ob sie in der Fra­ge Leis­tungs­schutz­recht im Bun­des­tag ihrem Gewis­sen oder der Kanz­le­rin folgen.

Aber das ist Kon­junk­tiv – denn seit ges­tern sieht es so aus, dass die SPD mal wie­der aus vor­geb­lich staats­män­ni­schem Ver­hal­ten und rea­lis­ti­scher ver­mut­lich Angst vor den gro­ßen Ver­la­gen umkippt – Kraft in NRW, Scholz in Ham­burg, und Stein­brück im Bund. Die Pres­se­mit­tei­lung dazu ist fast schon amü­sant, heißt es dort doch:

„Die SPD lehnt das Leis­tungs­schutz­ge­setz der Bun­des­re­gie­rung ab. […] Das Gesetz ist im Bun­des­rat ledig­lich ein Ein­spruchs­ge­setz und kann daher ange­sichts der noch bestehen­den Mehr­heits­ver­hält­nis­se im Bun­des­tag jetzt nicht auf­ge­hal­ten wer­den. Es gibt des­halb kei­ne Aus­sich­ten auf ein erfolg­rei­ches Ver­mitt­lungs­ver­fah­ren. Die erfor­der­li­che neue Mehr­heit dafür kann mit der Bun­des­tags­wahl am 22. Sep­tem­ber her­bei­ge­führt wer­den. […] Ein neu­es, taug­li­ches Gesetz wird zu den ers­ten Maß­nah­men einer neu­en rot-grü­nen Regie­rung gehören.“ 

Anders gesagt: Die SPD lehnt das Gesetz ab, tut nichts dage­gen, möch­te aber in einer rot-grü­nen Bun­des­re­gie­rung dann ein ähn­li­ches, bes­se­res Gesetz ein­füh­ren. Uns Grü­ne hat sie dazu bis­her nicht gefragt – im Ent­wurf zum Wahl­pro­gramm steht eine kla­re Ableh­nung. Ich sage: irgend­wie lei­der typisch SPD. Und die Netz­po­li­ti­ke­rIn­nen in der SPD lei­den mehr oder weni­ger still.

P.S.: Plan B: Ent­schlie­ßungs­an­trag Ham­burg und Baden-Würt­tem­berg (pdf), der Kri­tik äußert, einen Kon­sens zwi­schen Ver­la­gen, Urhe­be­rIn­nen und digi­ta­len Ver­wer­te­rIn­nen fin­den will und ver­mut­lich heu­te im Bun­des­rat eine Mehr­heit bekommt.

P.P.S.: Nach ges­tern zu erwar­ten: die Anru­fung des Ver­mitt­lungs­aus­schus­ses wur­de nur von Schles­wig-Hol­stein, Baden-Würt­tem­berg, Rhein­land-Pfalz und Bre­men unter­stützt. Die ande­ren rot-grü­nen oder rot(-roten) Län­dern waren nicht dabei, schwarz-gelb erst recht nicht. Der (aus mei­ner ganz per­sön­li­chen Sicht durch­wach­se­ne) Ent­schlie­ßungs­an­trag aus Ham­burg und Baden-Würt­tem­berg fand eine Mehr­heit. Dann also mal schau­en, ob rot-grün die Bun­des­tags­wahl gewinnt, und was dann pas­siert … (die Wahl­pro­gramm­ent­wür­fe bei­der Par­tei­en wider­spre­chen sich in die­sem Punkt).

P.P.P.S.: Grü­ne Kom­men­ta­re dazu: Tabea Röß­ner, MdB, Mat­ti Bol­te, MdL NRW, Mal­te Spitz, Bun­des­vor­stand, Patrick Jedam­zik, Vol­ker Beck, MdB, PM Bun­des­tags­frak­ti­on

P.P.P.P.S.: Und als letz­tes noch der Hin­weis an alle, die jetzt ger­ne mehr öffent­lich sicht­ba­ren Dis­sens der Grü­nen in rot-grü­nen Lan­des­re­gie­run­gen gehabt hät­ten: Soweit ich Ein­blick in das Räder­werk von Regie­run­gen habe, wird im Nor­mal­fall alles dafür getan, dass die­ser Streit – den es defi­ni­tiv immer wie­der gibt – nicht öffent­lich wird. War­um soll­te das gera­de beim Leis­tungs­schutz­recht – aus Sicht der meis­ten Poli­ti­ke­rIn­nen eine klei­ne pres­se­recht­li­che Rege­lung, wenn ich das mal so zuge­spitzt sagen darf – anders sein?

Beteiligt euch! Oder: die Angst der deutschen Behörde vor dem Unkalkulierbaren

Tunnel of power I

Ein Auf­re­ger­the­ma der letz­ten Tage war im poli­ti­schen Baden-Würt­tem­berg die Betei­li­gungs­platt­form. Eigent­lich war klar, dass es die­se Ergän­zung des Lan­des­por­tals geben soll­te – weni­ge Tage vor dem Start mel­de­te sich dann die SPD-Frak­ti­on in Per­son ihres Anfüh­rers pres­se­öf­fent­lich mit Beden­ken. Es müs­se doch erst ein­mal einen Pro­be­lauf geben – und zwi­schen den Zei­len habe ich auch Beden­ken gele­sen, dass (orga­ni­sier­te) Bür­ge­rIn­nen eine Betei­li­gungs­platt­form dazu nut­zen könn­ten, sich (orga­ni­siert) zu betei­li­gen. Und auf die­se popu­lä­ren Mei­nungs­äu­ße­run­gen müss­te dann ja reagiert – und mög­li­cher­wei­se gegen den geäu­ßer­ten Volks­wil­len – regiert werden.

Heu­te ist das Betei­li­gungs­por­tal der Staats­rä­tin für Zivi­li­ge­sell­schaft und Bür­ger­be­tei­li­gung Gise­la Erler jetzt doch gestar­tet. Im Pro­be­be­trieb, d.h. mit gerin­ge­rer Ver­pflich­tung für die ein­zel­nen Häu­ser, mit­zu­ma­chen, und mit dem Ziel einer Eva­lua­ti­on. Aber: es läuft! 

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Kurz: Schlachtet das Wahlprogramm

Blood redSeit knapp einer Woche ist er online, der grü­ne Wahl­pro­gramm­ent­wurf. Und jetzt geht das gro­ße Schlach­ten los. BAGen und Par­tei­glie­de­run­gen dis­ku­tie­ren das Pro­gramm und schrei­ben flei­ßig Ände­rungs­an­trä­ge. Dead­line ist Anfang April, vom 26. bis zum 28. April fin­det der gro­ße Pro­gramm­par­tei­tag statt. Dazwi­schen tagt die Antrags­kom­mis­si­on und erstellt Ver­fah­rens­vor­schlä­ge. Der aller­größ­te Teil der beim letz­ten Mal mei­ner Erin­ne­rung nach 1500 Ände­rungs­an­trä­ge wird in die­sen Ver­fah­rens­vor­schlä­gen (modi­fi­ziert) über­nom­men oder für erle­digt erklärt. Nur ein klei­ner Teil kommt zur Abstim­mung auf dem Par­tei­tag. Den­noch sind die etwa 800 Dele­gier­ten drei Tage lang damit beschäf­tigt, das Wahl­pro­gramm zu dis­ku­tie­ren und abzustimmen.

Wir in der BAG Wis­sen­schaft, Hoch­schu­le, Tech­no­lo­gie­po­li­tik wer­den das am Sams­tag auch machen, das Stel­len von Ände­rungs­an­trä­gen. Denn der Antrag BTW-B-01 ist zwar gut, kann aber noch bes­ser werden.

Wer sich an der Schlacht ums Pro­gramm betei­li­gen will, und mit dar­über dis­ku­tie­ren will, was Bünd­nis 90/Die Grü­nen for­dern, und was mit etwas Glück dann auch in einem Koali­ti­ons­ver­trag lan­det, ist herz­lich ein­ge­la­den, Mit­glied zu wer­den. Und nicht zuletzt: Neben der Pro­gramm­de­bat­te wird es – eine Neue­rung in die­sem Jahr – im Som­mer auch eine Art dezen­tra­le Urwahl der Pro­gramm­schwer­punk­te geben.

P.S.: Über den Weg von der Idee ins Pro­gramm habe 2010 mal aus­führ­li­cher geschrie­ben. Dazu pas­sen auch mei­ne Noti­zen zum Dele­gier­ten­prin­zip und zum Zeit­be­darf der Demo­kra­tie.

Und zum aktu­el­len Pro­gramm kann ich noch auf unser Bun­des­vor­stands­mit­glied Mal­te Spitz ver­wei­sen, der in sei­nem Blog mal auf­lis­tet, was alles an Netz­po­li­tik im Pro­gramm­ent­wurf steckt.