Rezension zu Stolle: Universitäten und Hochschulen in Baden-Württemberg (2015)

Stolle (2015)

Anfang des Jah­res ist in der Lan­des­kund­li­chen Schrif­ten­rei­he der Lan­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung ein Buch erschie­nen, das ver­spricht, einen umfas­sen­den Über­blick über die Uni­ver­si­tä­ten und Hoch­schu­len in Baden-Würt­tem­berg zu geben. Die­ses Ver­spre­chen wird lei­der nur teil­wei­se eingelöst. 

Der His­to­ri­ker Dr. Micha­el Stol­le glänzt immer dort, wo es um die Geschich­te der Hoch­schu­len und Uni­ver­si­tä­ten seit dem 14. Jahr­hun­dert (Uni­ver­si­tät Hei­del­berg) geht. Ins­be­son­de­re das lan­ge zwei­te Kapi­tel des Buchs, in dem es um „Die Lan­des­uni­ver­si­tä­ten in ihrer geschicht­li­chen Ent­wick­lung“ geht, über­zeugt in die­ser Hin­sicht. Aber auch im drit­ten Kapi­tel, in dem „Die ande­ren Hoch­schu­len“ behan­delt wer­den, lässt sich eini­ges Wis­sens­wer­tes dar­über erfah­ren, wie aus Inge­nieur­schu­len und Leh­rer­bil­dungs­an­stal­ten die heu­ti­gen Hoch­schu­len für ange­wand­te Wis­sen­schaf­ten und Päd­ago­gi­schen Hoch­schu­len gewor­den sind, und was das mit der Her­aus­bil­dung moder­ner Staa­ten und Indus­trie­ge­sell­schaf­ten zu tun hat.

Weni­ger über­zeu­gend fin­de ich Stol­le dann, wenn er sich der Gegen­wart und der Zukunft des Hoch­schul­sys­tems nähert. Wäh­rend der his­to­ri­sche Teil – bis in die 1960er und z.T. 1970er Jah­re – detail­reich und sys­te­ma­tisch auf­ge­baut ist, wir­ken die Aus­füh­run­gen zur jün­ge­ren Ver­gan­gen­heit, Gegen­wart und Zukunft der Hoch­schu­le in Baden-Würt­tem­berg belie­big. An die bei­den erwähn­ten gro­ßen Kapi­tel schlie­ßen sich fünf kür­ze­re Kapi­tel an, die sich mit dem Stu­di­um, mit der Hoch­schu­le als Ort des sozia­len Auf­stiegs, mit „Hoch­schul­leh­rern“ und „For­schern“ (trotz eines eini­gen­stän­di­gen Unter­ka­pi­tels zu Wis­sen­schaft­le­rin­nen im gene­ri­schen Mas­ku­li­num, wie auch der Rest des Buches …), mit gegen­wär­ti­gen Debat­ten und mit einem Aus­blick in die Zukunft befas­sen. Hier geht der Fokus auf Baden-Würt­tem­berg schnell ver­lo­ren, statt des­sen wer­den alle hoch­schul­po­li­ti­schen Fel­der gestreift – Finan­zie­rung, Auto­no­mie, Bolo­gna. Dazu kommt dann der eine oder ande­re Exkurs, der sich eher mit Stol­les Arbeits­feld (Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen und Kom­pe­tenz­ent­wick­lung am KIT) als mit exter­nen Rele­vanz­set­zun­gen erklä­ren lässt.

Als Mate­ri­al­samm­lung ist das ganz nett, für eine Lan­des­zeit­ge­schich­te oder einen Bei­trag zur Bewer­tung und Sys­te­ma­ti­sie­rung der Lan­des­po­li­tik greift Stol­le hier aller­dings zu kurz. Sym­pto­ma­tisch dafür: der Ende der 1960er Jah­re täti­ge Kul­tus­mi­nis­ter Wil­helm Hahn wird aus­führ­lich gewür­digt und sein Wir­ken dar­ge­stellt. Die Rei­he der Wis­sen­schafts­mi­nis­ter bis zur heu­ti­gen Wis­sen­schafts­mi­nis­te­rin tau­chen dage­gen nur noch als „die Lan­des­re­gie­rung“, „das Minis­te­ri­um“ oder „das Par­la­ment beschloss“ auf. Nament­lich wer­den sie, wenn ich das recht sehe, ein Regis­ter gibt es lei­der nicht, nicht genannt, näher gewür­digt erst recht nicht. Dabei wäre es durch­aus loh­nend, sich inten­si­ver damit aus­ein­an­der­zu­set­zen, wie von Tro­tha, Fran­ken­berg und Bau­er jeweils unter­schied­li­che Leit­bil­der von Hoch­schu­le poli­tisch umge­setzt haben, wo es hier so etwas wie baden-würt­tem­ber­gi­sche Kon­ti­nui­tä­ten und lan­ge Fäden gibt, und wo es zu Brü­chen kommt. 

Ähn­li­ches lie­ße sich über die Pro­test­er­eig­nis­se nach 1968 sagen – dass es immer mal wie­der lan­des­wei­te Stu­die­ren­den­pro­tes­te gege­ben hat, in den 1980er Jah­ren, 1998, 2005 – all das scheint Stol­le nicht zu inter­es­sie­ren. Viel­mehr wir­ken die gegen­warts­nä­he­ren Tei­le des Buches oft so, als sei­en halt die aktu­el­len Pres­se­ver­laut­ba­run­gen und Hoch­schul­selbst­dar­stel­lun­gen zusam­men­ge­stellt wor­den, ohne sich groß um Ein­ord­nung und Bewer­tung zu küm­mern. Has­tig sind noch die Ände­run­gen der Lan­des­hoch­schul­ge­setz­no­vel­le 2014 ein­ge­baut wor­den, bei der Dar­stel­lung der Wei­ter­ent­wick­lung der Musik­hoch­schu­len, bei der Reform der Leh­rer­bil­dung der auch bei der Wei­ter­ent­wick­lung der Hoch­schul­fi­nan­zie­rung stim­men die Aus­sa­gen nicht, weil Stol­le hier jeweils den Beginn poli­ti­scher Aus­ein­an­der­set­zun­gen für bare Mün­ze genom­men hat und als Fak­ten dar­stellt, aber deren tat­säch­li­chen Aus­gang dann nicht mehr auf­neh­men konnte. 

Und die Zukunft? Die Digi­ta­li­sie­rung der Leh­re taucht nur als MOOC-Kri­tik auf, und die Fra­ge, ob und in wel­cher Wei­se Hoch­schu­len zur Lösung gro­ßer gesell­schaft­li­cher Pro­ble­me bei­tra­gen kön­nen und sol­len, fehlt eben­so fast voll­stän­dig (im Zukunfts­ka­pi­tel wird sie kurz gestreift). Ansons­ten greift Stol­le auf vier OECD-Sze­na­ri­en zur Zukunft der Hoch­schu­le zurück, und bleibt in Bezug auf Baden-Würt­tem­berg bei Allgemeinplätzen. 

Ins­ge­samt fällt mei­ne Bilanz durch­mischt aus: Als Ein­füh­rung in die Geschich­te der baden-würt­tem­ber­gi­schen Hoch­schul­land­schaft bis etwa Mit­te des 20. Jahr­hun­derts ist Stol­les Buch zu emp­feh­len. Für eine zeit­ge­schicht­li­che Auf­ar­bei­tung der baden-würt­tem­ber­gi­schen Hoch­schul­po­li­tik seit den 1960er oder 1970er Jah­ren – oft ja auch mit dem Anspruch, bun­des­weit Vor­rei­ter zu sein! – greift das Buch dage­gen deut­lich zu kurz. Hier hät­te ich mir mehr erhofft. Ärger­lich auch, dass an vie­le Stel­len sicht­bar wird, dass das Lek­to­rat hät­te bes­ser sein kön­nen – Tipp­feh­ler („NSADP“), dop­pel­te Sät­ze, Redi­gier­res­te und the­ma­ti­sche Wie­der­ho­lun­gen tau­chen lei­der all zu oft auf. 

Stol­le, Micha­el (2015): Uni­ver­si­tä­ten und Hoch­schu­len in Baden-Würt­tem­berg. Tra­di­ti­on – Viel­falt – Wan­del. Stutt­gart: W. Kohl­ham­mer, 263 Sei­ten. Bestellung/Download über die LpB Baden-Würt­tem­berg.

Kurz: Munition

In der grü­nen BAG Wis­sen­schaft, Hoch­schu­le, Tech­no­lo­gie­po­li­tik haben wir über einen län­ge­ren Zeit­raum die Fra­ge des Ver­hält­nis­ses von Wis­sen­schaft und Poli­tik dis­ku­tiert. In Baden-Würt­tem­berg lässt sich die­se Pro­ble­ma­tik gera­de mus­ter­gül­tig bestau­nen: zu den neu ein­ge­führ­ten Gemein­schafts­schu­len gibt es eine wis­sen­schaft­li­che Begleit­for­schung. Ein Gut­ach­ten aus die­ser Begleit­for­schung zu einer Schu­le, das wohl – ich ken­ne es nicht – eine Rei­he von Schwach­punk­ten und Ver­bes­se­rungs­mög­lich­kei­ten auf­lis­tet, war dann ges­tern für die FAZ Grund­la­ge genug für einen Mehr­spal­ter, in dem die Gemein­schafts­schu­le in Grund und Boden ver­teu­felt wur­de. Und natür­lich gefun­de­nes Fres­sen für den Oppo­si­ti­ons-Wolf. Den inter­es­siert nicht, dass es ein Gut­ach­ten zu einer Schu­le ist, und die kom­plet­te Stu­die erst im Janu­ar abge­schlos­sen ist. Den inter­es­siert nicht, dass die Logik wis­sen­schaft­li­cher Arbei­ten und Bewer­tun­gen eine ande­re ist als die der Poli­tik. Der sieht nur einen wei­te­ren Stroh­halm, um sein liebs­tes Vor­ur­teil zu bestä­ti­gen, das in der so pein­li­chen wie bekann­ten For­de­rung mün­det, Gemein­schafts­schu­len aller­höchs­tens zu dul­den, aber auf kei­nen Fall wei­ter aus­zu­bau­en. So wird aus Wis­sen­schaft Muni­ti­on – was kei­ner Sei­te gerecht wird.

Kurz: Fast auf Kretschmanns Spuren

Der Minis­ter­prä­si­dent macht Som­mer­wan­de­run­gen durchs Länd­le – letz­te Woche in Würt­tem­berg, die­se Woche im badi­schen Lan­des­teil. Den Auf­takt mach­te Wald­kirch – Emmen­din­gen, und weil das ganz in der Nähe von Frei­burg liegt, woll­te ich mir mal anschau­en, wie das mit der Bür­ger­be­tei­li­gungs­form „zusam­men wan­dern und reden“ so funktioniert.

Lei­der woll­te ich ganz klug in Wald­kirch den Weg Bahn­hof – Stadt­park – Bahn­hof ver­mei­den, und war­te­te des­we­gen am Bahn­hof, Ein­stieg zum Vier­bur­gen­weg und zur Kas­tel­burg, auf die Wan­der­grup­pe Kret­sch­mann. Und war­te­te, und war­te­te – und bin dann ein­fach allei­ne los­ge­gan­gen. Was ein sehr schö­ner Aus­flug wur­de, mit den bes­ten Brom­bee­ren, die ich je gefun­den habe. Kurz vor Emmen­din­gen, bei der Rui­ne Hoch­burg, traf ich dann auf die etwa 70 Per­so­nen umfas­sen­de Wan­der­grup­pe; vie­le Grü­ne, aber auch eine gan­ze Rei­he von Bür­ge­rIn­nen mit poli­ti­schen Anlie­gen. (Des Rät­sels Lösung: die Grup­pe war über Buch­holz statt über die Kas­tel­burg gelau­fen – und kam des­we­gen gar nicht am Bahn­hof Wald­kirch vorbei).

Was neh­me ich mit? 12 bis 15 km Weg­stre­cke sind gegen Ende hin ziem­lich anstren­gend. Respekt allen, die regel­mä­ßig auf sol­chen Stre­cken unter­wegs sind. Auch der MP ist ganz schön tough – dass er Aus­dau­er und Zuhö­ren ver­bin­den kann, zeigt er ja auch sonst. Und auch wenn ich mich bezüg­lich des Mit­wan­derns selbst über­lis­tet habe: schön, dass ich end­lich mal einen nähe­ren Blick auf einen Teil der Regi­on wer­fen konn­te, den ich sonst immer nur vom Zug aus bestau­ne. Kas­tel­burg und Hoch­burg neh­me ich mir auf jeden Fall als Kin­der-Aus­flugs­ziel mit (aber nicht bei­de auf einmal!)

Unser Innenminister!

Vor ein paar Tagen erschien ein Arti­kel von Ulrich Schul­te in der taz, in dem er sich unter der Über­schrift „Ein Poli­ti­kum auf 140 Zei­chen“ damit aus­ein­an­der­setzt, was pas­sier­te, nach­dem Jörg Rupp einen inhalt­lich und sprach­lich dane­ben lie­gen­den Kom­men­tar zur Ham­burg-Wahl get­wit­tert hat­te. Ich will hier kei­ne Debat­te über Mücken und Ele­fan­ten anfan­gen, son­dern sage nur, dass die 15 Minu­ten des Ruh­mes für Jörg inzwi­schen vor­bei sind. Aber er ist ja nicht der ein­zi­ge, der Twit­ter für poli­ti­sche Kom­men­ta­re nutzt. 

Auch SPD-Innen­mi­nis­ter Rein­hold Gall tut das manch­mal:

Reinhold Gall: Ich verzichte gerne auf vermeintliche Freiheitsrechte wenn wir einen Kinderschänder überführen.

Hier bin ich gespannt, was wei­ter pas­siert. Wolf­gang Lue­nen­buer­ger-Rei­den­bach bei­spiels­wei­se for­dert Galls Rück­tritt. Auch der SWR berich­tet bereits über den Tweet. Neben vie­len ande­ren nimmt auch Claus von Wag­ner („Die Anstalt“) den Tweet zum Anlass für bis­si­ge Kom­men­ta­re.

Um auch dies fest­zu­hal­ten: Dass Gall sich – wie die Mehr­heit der Dele­gier­ten des SPD-Par­tei­kon­vents, mög­li­cher­wei­se anders als die Mehr­heit der SPD-Mit­glie­der – für die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung („VDS“) aus­spricht, ist bekannt. Das auch öffent­lich zu sagen, wäre kein Skan­dal. Dass der baden-würt­tem­ber­gi­sche Koali­ti­ons­ver­trag in die­sem Punkt sehr schwam­mig ist, ist eben­falls bekannt. Der Innen­mi­nis­ter hat hier eine ande­re Auf­fas­sung, wie der Ver­trag aus­zu­le­gen ist, als bei­spiels­wei­se der grü­ne Koalitionspartner. 

Was Gall ges­tern schrieb, geht aber weit dar­über hin­aus. Und das macht den Shit­s­tor­m­aspekt die­ses Tweets aus. Zum einen legt er (im Kon­text des gest­ri­gen SPD-Par­tei­tags) nahe, dass Vor­rats­da­ten­spei­che­rung dazu bei­tra­gen könn­te, sexua­li­sier­te Gewalt gegen Kin­der auf­zu­klä­ren. Dass hier die VDS mehr Erfolg ver­spricht als her­kömm­li­che poli­zei­li­che Maß­nah­men, ist min­des­tens umstrit­ten.

Noch infa­mer ist aller­dings das Wor­ding „ver­meint­li­che Frei­heits­rech­te“. Auch das wird z.B. von netzpolitik.org auf­ge­grif­fen. Denn Gall legt damit ja nahe, dass die infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung nur ein ver­meint­li­ches, aber kein ech­tes Frei­heits­recht ist. Zuge­spitzt stellt sich damit die Fra­ge, wel­che Grund­rech­te Gall sonst noch so als „ver­meint­lich“ anse­hen wür­de, und auf wel­che er – als Innen­mi­nis­ter! – ver­zich­ten wür­de, um die Auf­klä­rungs­quo­te bei schwe­ren Ver­bre­chen zu verbessern.

Wenn die SPD meint, sich mehr­heit­lich für die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung aus­spre­chen zu müs­sen, und – war­um auch immer – in ihrer inner­par­tei­li­chen Mei­nungs­bil­dung zu die­sem Ergeb­nis kommt, dann ist das zwar bedau­er­lich und durch­aus ein Grund für Empö­rung, letzt­lich aber erst ein­mal hin­zu­neh­men. Es gibt am Wahl­tag eine gan­ze Rei­he von Alter­na­ti­ven, die eine ande­re Posi­ti­on ver­tre­ten. Wenn ein Innen­mi­nis­ter per Twit­ter einen Kon­nex zwi­schen dem Kampf für Frei­heits­rech­te und der Dul­dung von Kin­des­miss­brauch auf­macht, dann fra­ge ich mich doch, was ihn dabei gerit­ten hat. Bekann­ter­ma­ßen gehö­ren zu den Par­tei­en, die in die­ser Sache eine ande­re Posi­ti­on als die SPD ver­tre­ten, auch Bünd­nis 90/Die Grü­nen. Ich wür­de ja ger­ne wis­sen, was Innen­mi­nis­ter Gall glaubt, was wir als Koali­ti­ons­part­ner der SPD in Baden-Würt­tem­berg tun, wenn wir für Bür­ger­rech­te kämpfen.

War­um blog­ge ich das? Zum einen, weil ich mich inhalt­lich der Empö­rung über die­sen Tweet durch­aus anschlie­ßen kann. Zum ande­ren aber auch, weil ich doku­men­tie­ren will, wie Twit­ter zuneh­mend als poli­ti­sches Medi­um (und damit auch als direk­ter Kanal zwi­schen poli­ti­schen Akteu­rIn­nen und den Medi­en) funktioniert.

P.S., 22.06.15: Die heu­ti­ge Ent­schul­di­gung über­zeugt nur bedingt:

image

Bei der Gele­gen­heit: duden.de defi­niert „ver­meint­lich“ als „(irr­tüm­lich, fälsch­lich) ver­mu­tet, ange­nom­men; scheinbar“.

P.P.S.: Und auf Sascha Lobos wort­rei­che Wort-für-Wort-Ana­ly­se des Gall­schen Tweets muss ich nicht nur aus Voll­stän­dig­keits­grün­den auch noch verlinken.

Grüne Mehrheiten werden gebraucht

Günterstal landscape with mountains

SWR und Stutt­gar­ter Zei­tung haben eine neue Vor­wahl­um­fra­ge für Baden-Würt­tem­berg ver­öf­fent­licht. Grü­ne und Lan­des­re­gie­rung schnei­den gut ab, eine Wechel­stim­mung gibt es nicht. Ich neh­me das mal zum Anlass, um einen län­ge­ren Text zu ver­öf­fent­li­chen, der schon seit ein paar Tagen auf mei­ner Fest­plat­te liegt – und bei dem ich mir gar nicht so sicher bin, ob ich die Schlüs­se, die ich da beschrei­be, eigent­lich rich­tig fin­den soll. Inso­fern bin ich auf Reak­tio­nen gespannt. (Ach ja: Die­ses Kon­text-Por­trät passt auch gut dazu …)

Ein Erd­rutsch in Zeit­lu­pe hat die Par­tei erfasst. In acht – und wenn die Koali­ti­ons­ver­ein­ba­run­gen in Ham­burg erfolg­reich abge­schlos­sen wer­den, in neun – der sech­zehn Bun­des­län­der sind Grü­ne an der Regie­rung betei­ligt. Und trotz­dem bleibt ein­ein­halb Jah­re nach der Bun­des­tags­wahl 2013 ein scha­les Gefühl. Weder die kleinst­par­tei­li­che Reprä­sen­ta­ti­on im Bun­des­tag noch das anhal­ten­de Tief bei der bun­des­wei­ten Sonn­tags­fra­ge pas­sen zum Anspruch des Mit­re­gie­rens und Mit­ge­stal­tens. Für 2017 sehen die Optio­nen schal aus – Bun­des­kanz­le­rin Mer­kel könn­te fürs Wei­ter­re­gie­rung dann eine neue Par­tei gebrau­chen, die sie nach vier Jah­ren als lee­re Hül­le zurück­las­sen kann, aber eine Per­spek­ti­ve ist das nicht. Auf der ande­ren Sei­te steht Rot-Rot-Grün als nach wie vor blo­ckier­tes Rechen­spiel. Auch dar­auf las­sen sich, so scheint es, kei­ne Kam­pa­gnen aufbauen.

Grü­ne waren schon immer eine mul­ti­po­la­re Par­tei. Dies hat sich seit 2013, ja eigent­lich schon seit 2011, noch ein­mal ver­stärkt. Der­zeit liegt das grü­ne Kraft­zen­trum ganz sicher nicht in der Bun­des­par­tei und eben­so sicher nicht in der Bun­des­tags­frak­ti­on. Bei­de machen ihre Arbeit, bei­de mühen sich red­lich – aber die gro­ße, mit­rei­ßen­de Erzäh­lung insze­nie­ren weder Anton Hof­rei­ter und Kat­rin Göring-Eckardt noch Simo­ne Peter und Cem Özd­emir. Ver­früh­te Mid­life-Cri­sis eines bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Erfolgsprojekts?

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