Kurz: Wo Brumlik irrt

In der heu­ti­gen taz schreibt der eigent­lich recht schät­zens­wer­te Micha Brum­lik eine Kolum­ne zum The­ma Grü­ne und Jamai­ka, ver­steckt in der „tazz­wei“. Die Haupt­in­ten­ti­on die­ser Kolum­ne lässt sich auf die Aus­sa­ge zusam­men­fas­sen, dass Brum­lik erst dann wie­der grün wäh­len möch­te, wenn die Grü­nen gezeigt haben, dass sie auch rot-rot-grün ernst­haft machen wol­len. Um zu die­ser Aus­sa­ge zu kom­men, erzählt er aber – lei­der lässt sich das nicht anders sagen – erst­mal Quatsch. Im Prin­zip sind es drei The­sen: 1. Grü­ne koalie­ren zur Zeit nur mit rech­te­ren Par­tei­en. 2. Grü­ne haben in Thü­rin­gen schwarz-rot her­bei­ge­führt. 3. Bis­her gibt es kei­nen ernst­haf­ten Ver­such (Stadt > 500.000 Ein­woh­ner) einer rot-rot-grü­nen Zusammenarbeit.

Zu 1. Hier über­sieht Brum­lik Bre­men (es sei denn, die SPD dort zählt zu den „rech­te­ren Par­tei­en“). Ja, rich­tig – neben Ham­burg und dem Saar­land gibt es auch noch ein Bun­des­land, in dem ganz klas­sisch „rot-grün“ an der Macht ist. 

Zu 2. Wer sich nur ein klei­nes biß­chen mit den Ver­hand­lun­gen in Thü­rin­gen beschäf­tigt, muss sich ver­wun­dert an den Kopf fas­sen, wenn Brum­lik den Grü­nen dort unter­stellt, rot-rot-grün ver­hin­dert zu haben. Jeden­falls scheint mir Brum­lik hier auf die Mat­schie-Pro­pa­gan­da her­ein­zu­fal­len – oder sich eine Fan­ta­sie­welt zu bas­teln, in der Kat­rin Göring-Eckard allein durch ein ernst­haf­tes „In-den-Ring“-Werfen als Minis­ter­prä­si­den­tin die SPD über­zeugt hätte.

Zu 3. Hier ist die Lis­te der größ­ten Städ­te Deutsch­lands. Brum­liks Wunsch nach einer rot-rot-grü­nen Koali­ti­on in einer Stadt über 500.000 Ein­woh­ner wird der­zeit – wenn ich das rich­tig sehe – nicht erfüllt. Aller­dings ver­fü­gen längst nicht alle Städ­te über for­ma­le Regie­rungs­ko­ali­tio­nen. Zudem wird der oder die Ober­bür­ger­meis­te­rIn viel­fach direkt gewählt. Es gibt ein paar kla­re Aus­sa­gen: Frank­furt schwarz-grün, Han­no­ver rot-grün, Mün­chen rot-grün-rosa (Schwu­le Lis­te). In den meis­ten Städ­ten gibt es zudem Mehr­hei­ten ohne LINKE. Zum Bei­spiel in Köln: dort gab es eine schwarz-grü­ne Koali­ti­on, jetzt wur­de ein rot-grü­ner OB gewählt – und SPD und Grü­ne haben 45 von 90 Stim­men im Stadt­rat (plus OB also eine knap­pe Mehr­heit). Kurz gesagt: mir ist es etwas schlei­er­haft, wo Brum­lik eine rot-rot-grü­ne Koali­ti­on fin­den will, wenn es vie­ler­orts (noch) rot-grün ohne LINKE geht – oder wie in Stutt­gart wech­seln­de Mehr­hei­ten, durch­aus unter Ein­schlus der LINKEN, der Fall sind.

Wie Akkreditierungen Studiengänge bürokratisieren

Rutschbahn
Nicht alles, was im Stu­di­um gelernt wird, lässt sich in Büchern nie­der­schrei­ben und ordent­lich ordnen.

Ich war ja ges­tern im Land­tag. Sogar rich­tig im Ple­num. Und im „Ple­num“, mit­tags. Genau­er gesagt: bei der Öffent­li­chen Anhö­rung „Plan B(achelor) 2012“ (pdf) von The­re­sia Bau­er MdL (hoch­schul­pol. Spre­che­rin und stlv. Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de) und der grü­nen Land­tags­frak­ti­on Baden-Würt­tem­berg. The­re­sia will den Bache­lor refor­mie­ren und damit Baden-Würt­tem­berg zum Vor­rei­ter­land machen. Und wie das geht, dar­um ging es bei der – übri­gens recht gut und breit besuch­ten – Anhörung.

Neben­bei bemerkt: Waren wir als Stu­die­ren­de eigent­lich auch pene­trant dar­in, eine ver­fass­te Stu­die­ren­den­schaft und mehr stu­den­ti­sche Mit­be­stim­mung als All­heil­mit­tel zu verkaufen?

Inhalt­lich ging es um die eigent­lich recht sin­ni­gen und heh­ren Zie­le der Bolo­gna-Reform, um die Schwä­chen ihrer tat­säch­li­chen Umset­zung in natio­na­le bzw. baden-würt­tem­ber­gi­sche Gesetz­ge­bung und Stu­di­en­ord­nun­gen, und um Ideen, Bache­lor und Mas­ter bes­ser zu gestal­ten. Let­ze­res kam mir aller­dings etwas zu kurz.

Hier möch­te ich jetzt ein The­ma auf­grei­fen, das wie­der­holt zu Tage trat. Als Fra­ge for­mu­liert: Ist es in Deutsch­land über­haupt mög­lich, eine „Ermög­li­chungs­kul­tur“ umzusetzen?
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Kurz: Interaktive politische Vergesellschaftung

Jamaika-Aktion der Grünen Jugend während der Rede von Hubert Ulrich
Jamai­ka-Akti­on der Grü­nen Jugend wäh­rend der Rede von Hubert Ulrich – Screen­shot Livestream

„Netz­be­grü­nung“ macht es mal wie­der mög­lich: auch zuhau­se Geblie­be­ne wie ich haben die Chan­ce, sich inter­ak­tiv poli­tisch zu ver­ge­sell­schaf­ten bzw. den Bun­des­par­tei­tag an den Bild­schir­men zu Hau­se zu ver­fol­gen und sich so (para­so­zi­al oder wie auch immer) ein­ge­bun­den zu füh­len (und per Twit­ter und Face­book auch rück­ka­nal­fä­hig zu sein). 

Den Live­stream (Alter­na­ti­ve: justin.tv) gibt es hier, die Twit­ter-Kom­men­ta­re da. Ein­zi­ger Nach­teil: wenn’s span­nend wird, wie jetzt bei den Oppo­si­ti­ons- und Koali­ti­ons­de­bat­ten, bleibt alles ande­re doch liegen. 

P.S.: Zu schön, um es nicht zu zitie­ren. Im tagesschau.de-Bericht heißt es zu der Akti­on, die oben im Bild zu sehen ist:

In der Ros­to­cker Hal­le gebuht und gepfif­fen, als Roth sei­nen Namen fal­len lässt. Und spä­ter, als Ulrich selbst ans Pult tritt, um sein Nein an SPD und Links­par­tei zu erklä­ren, ent­rol­len sei­ne Anhän­ger zwar eine „Jamaika“-Fahne, geschmückt mit roten Luft­bal­lon-Her­zen, aber in den Bei­fall mischen sich „Lüge“-Rufe und gel­len­de Pfiffe. 

Kurz: Kleines provokatives Gedankenexperiment kurz vor der BDK

Journey of waiting X: geometric stripesMor­gen und über­mor­gen fin­det in Ros­tock der grü­ne Bun­des­par­tei­tag („BDK“) statt. Ich habe mich ent­schlos­sen, dies­mal nicht hin­zu­fah­ren, obwohl es durch­aus span­nen­de The­men gibt. Eines davon ist die Fra­ge der grü­nen Posi­tio­nie­rung in den nächs­ten Jah­ren. Eine Teil­de­bat­te davon dreht sich um Jamai­ka bzw. um Lager, Flü­gel, Öff­nun­gen und das Bür­ger­tum. Ich gehe davon aus, dass auch vie­le Bun­des-Jamai­ka-Fans (bzw. Nicht-Aus­schlie­ße­rIn­nen einer sol­chen Koali­ti­on) dies vor allem aus stra­te­gi­schen Erwä­gun­gen her­aus tun, nicht aus dem Gefühl gro­ßer inhalt­li­cher Übereinstimmung.

Big wasp acrobat IDie­ses Gefühl wür­de ich jedoch ger­ne auf die Pro­be stel­len. Kurz vor der BDK und der Debat­te und Ent­schei­dung über grü­ne Eigen­stän­dig­keit, Koali­ti­ons­op­tio­nen und der­glei­chen mehr ver­dich­tet sich ja dan­kens­wer­ter­wei­se immer mehr die geplan­te Kabi­netts­zu­sam­men­set­zung und der Koali­ti­ons­ver­trag von Uni­on und FDP. Ob jetzt mit oder ohne Schat­ten­haus­halt – das aus mei­ner Sicht recht gru­se­li­ge Pro­gramm zeich­net sich eini­ger­ma­ßen klar ab.

More mini sunflowers IIIJetzt das Gedan­ken­ex­pe­ri­ment: ange­nom­men, wir Grü­ne wären mit am Ver­hand­lungs­tisch geses­sen. Am Bei­spiel der FDP und der CSU sehen wir, was Par­tei­en im Bereich von 7–14% bewe­gen kön­nen. Auch die grü­ne Ver­hand­lungs­macht dürf­te – wenn nicht mit gro­ßen Veto­mög­lich­kei­ten aus­ge­stat­tet – nicht ganz anders aus­se­hen. Inso­fern stellt sich mir die Fra­ge: Was wäre anders an Koali­ti­ons­ver­trag und Kabi­nett, wenn Grü­ne – in der jet­zi­gen, aktu­el­len Situa­ti­on – mit­ver­han­delt hät­ten? Oder heißt Jamai­ka auf Bun­des­ebe­ne (in den Län­dern sind Per­so­nal, Poli­tik­fel­der und auch Ver­hand­lungs­po­si­tio­nen noch ein­mal eine ganz ande­re Fra­ge) letzt­lich Schwarz-gelb, wie wir es ken­nen, plus grü­ner Umweltministerin?