Nach eineinhalb Jahren Pandemie ist mein Fazit: entweder – oder. Präsenzveranstaltungen funktionieren gut, die Menschheit hat ein paar tausend Jahre Erfahrung damit, die Praktiken sind eingespielt.
Rein digitale Formate für Treffen aller Art – vornehmlich Videokonferenzen – sind im Vergleich dazu sehr neu. Wenn die Technik mitspielt, und wenn alle berücksichtigen, dass manches anders ist, lassen sie sich produktiv nutzen. Körpersprachliche Hinweise müssen explizit gemacht werden, weil es keinen gemeinsamen Raum gibt, der alle orientiert. Es gibt keine Sitzreihenfolge, jedenfalls keine, die für alle gleich ist. Je nach Größe der Veranstaltung sind nicht alle im Bild, manche sind nur „telefonisch zugeschaltet“. Und wer Geräusche verursacht, stört schneller als in einer Präsenzveranstaltung. All das lässt sich aber lernen, egal, ob es um Arbeitstreffen, Schulunterricht oder Vorträge (mit klarer Unterscheidung zwischen Bühne und Publikum) geht. Dazu kommen die bekannten Vorteile, etwa hinsichtlich des Reiseaufwands.
Mühsam finde ich dagegen Hybridveranstaltungen, also realräumliche Treffen mit digitaler Teilnahme. Das geht da, wo es klare Rollenverteilungen gibt, oder bei sehr kleinen Gruppen. Je stärker es um Interaktion geht, desto schwieriger wird es. Schnell kommt es zu einer Zweiteilung zwischen Saal und Stream; die gefühlte Präferenz liegt dabei im Saal.
Wer im Stream dabei ist, bekommt nicht alles mit, was im Saal passiert. Dies gilt insbesondere dann, wenn ohne Mikro gesprochen wird. Und wer vor Ort ist, übersieht schnell, dass es Teilnehmende gibt, die abwesend anwesend sind. Für Wortmeldungen braucht es definierte Kanäle. Abstimmungen werden kompliziert. Es ist anstrengend und erfordert mehr Aufmerksamkeit. Das liegt auch daran, dass weder die alten Verhaltensweisen für Präsenzveranstaltungen noch die neuen für digitale Treffen richtig passen.
Insofern, so mein Eindruck, sind hybride Sitzungen immer ein Notbehelf. Sie sind kein „best of“ der anderen beiden Modi, sondern etwas Drittes, das nur dann funktioniert, wenn allen bewusst ist, dass dieses Format eigene Regeln hat. Einfacher und klarer sind rein digitale Veranstaltungen oder eben reine Präsenzveranstaltungen – letztere möglicherweise mit der Option, digital zuzuhören, aber ohne die Fiktion einer gleichberechtigten Teilnahme.
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