Einer dpa-Meldung zum „Lauschangriff“ auf ein Gespräch zwischen Winfried Kretschmann und Matthias Gastel auf der BDK entnehme ich, dass der „Journalist“, der diese private Unterhaltung auf dem Parteitag auf dem rechten Portal „Journalistenwatch“ (Umfeld „PI“, siehe etwa hier) veröffentlich hat, Christian Jung heißt. Ein wenig googlen zeigt, dass Herr Jung auch Autor des rechtsextremen Kopp-Verlags ist – und bringt ein Foto ans Licht. Den kenne ich doch, denke ich mir – und dann fällt mir auf, wo ich diesen Herren schon einmal gesehen habe:
Wir saßen diesmal recht weit vorne. Irgendwann baute dann ein Kamerateam eine halb-professionell aussehende Kamera direkt neben unseren Delegiertenreihen auf, um Cem Özdemir auf dem Podium zu filmen. Mitten in der Debatte über die Qualität von Erzieher*innen stellte sich dann ein Herr im karierten Hemd direkt vor die Absperrung zum Podium und ließ sich bei einem Aufsager filmen. Ich kann den Text nicht mehr genau wiedergeben, aber es ging sinngemäß darum, dass Cem ihm immer noch nicht die (Suggestiv-)Frage beantwortet habe, ob der Flüchtlingszuzug nicht zu einem massiven Anwuchs an Terroristen führe, oder so. Ich hatte das dann mit dem Hinweis „Hier werden Fake-News produziert“ getwittert. Was genau auf dem Presse-Akkreditierungsschildchen stand, konnte ich leider nicht lesen. Ich hätte vom Akzent her auf Bayernkurier getippt. (Anders als bei z.B. der AfD sind unsere Parteitage halt öffentlich, auch was die Presseakkreditierung anbelangt …).
Ich vermute, dass es sich um das selbe Team handelte, das dann auch Kretschmanns Privatgespräch in der Parteitagshalle belauschte. Ich glaube übrigens sofort, dass ihm das nicht aufgefallen ist – auf der BDK wimmelte es von Kameras; auch netzbegrünung hatte einige (ganz ähnliche semiprofessionelle) mobile Kameras am Start. Und dass „MP Kretschmann in angeregter Unterhaltung“ als Bildmaterial aufgezeichnet wird, dürfte auch nicht wundern. Jede Delegierte kennt das, dass Dinge wie Notebook-Bedienung und Stricken (und Quatsch mit Blumensträußen), aber auch Beifall und natürlich alles, was mit halbwegs prominenten Personen in den Delegiertenreihen zu tun hat, gerne gefilmt wird. Gefilmt, als nettes Bildmaterial, um Parteitagsberichte zu unterlegen, aber nicht als Tonaufnahme mit Richtmikrofon! Professionelle Journalist*innen machen das nämlich nicht. Dass viele große Medien diese Aufnahme aufgenommen (und sich damit mit einem Blog vom rechten Rand gemein gemacht haben), finde ich bestürzend.
Aber vielleicht hat das Ganze auch einen Kollateralnutzen. Immerhin diskutiert die Republik jetzt darüber, wie der notwendige Umstieg auf nicht-fossile Mobilität in den nächsten Jahren am besten gelingen kann!
Bitte beantworte die Frage, warum offenkundig mindestens (wir kennen den Schnitt nicht) zweimal hingeschaut wurde und nicht reagiert, sondern im Gegenteil: immer enthusiastischer weiter gesprochen. Auch Tarek im Hintergrund schaut ganz schön ernsthaft weg, man kann das aber als Professionalität beim Umgang mit Kameras deuten. Danke.
Meine Vermutung: Kretschmann sieht Kamera, denkt, die wollen schöne Bilder, sollen sie haben, aber merkt nicht, dass der Ton mitgeschnitten wird.
Meine Vermutung: Kretschmann ist nicht blöd.
Falls das eine Andeutung in Richtung „hat er bewusst gemacht“ sein soll, dann ist das definitiv falsch. Gerade weil er nicht blöd ist.
Aus den Stuttgarter Nachrichten dazu:
„Der SPD-Mann Stoch wertet die Aufnahme
ebenfalls als problematisch, findet
aber: „Herr Kretschmann war da
wohl ein wenig unvorsichtig.“ Er hätte
die Kameras doch sehen müssen, meint
Stoch. So einfach war das nicht, berichtet
Matthias Gastel. Natürlich hätten
Kretschmann und er die Kameras wahrgenommen.
Diese hätten sich jedoch in
ziemlichem Abstand befunden. Es sei
auch klar, dass die Kameraleute an dem
Bildmotiv und den Gesten interessiert
gewesen seien. Dagegen sei ja auch
nichts einzuwenden. Dass jedoch Tonaufnahmen
gemacht worden seien, sei
nicht erkennbar gewesen.“
Noch ein letzter Hinweis hierzu: Bettina Gaus sagt in der taz alles, was gesagt werden muss.