Brandung (8)

Der ach­te Teil der Serie „Bran­dung“ wen­det sich wie­der Kath und Ber­ti zu, die sich am Sonn­tag­mor­gen an einem kon­spi­ra­ti­ven Ort mit dem „Hacker in Pink“ treffen.

Party lights

Brandung (8)

Kaum hat­te Kath ange­setzt, dem Hacker in Pink zu erklä­ren, wie­so sie fälsch­li­cher­wei­se mein­te, ihn ken­nen zu müs­sen, klin­gel­te ihr Tele­fon. Unge­hal­ten nahm sie den Anruf an. „Kath hier, wer ist da?“

Es mel­de­te sich Mar­tin Beer­mann. „Frau Krom­bach? Ich habe gute Nach­rich­ten und woll­te Sie gleich infor­mie­ren.“ Er klang viel fröh­li­cher als bei ihrem letz­ten Tele­fo­nat, das ja noch gar nicht so lan­ge her war. „Gera­de eben habe ich eine kur­ze Mail von Mar­tha gekriegt. Sie ist für die Fir­ma in Spa‑, äh Kata­lo­ni­en, und hat nur durch einen dum­men Zufall kein Tele­fon dabei.“

Kath kam es spa­nisch vor, dass Mar­tha sich urplötz­lich aus einem ganz ande­ren Teil Euro­pas mel­de­te. Was hat­te Mar­tha da zu suchen? Sie befürch­te­te, dass Mar­tin Beer­manns gute Lau­ne deut­lich dar­un­ter lei­den wür­de, wenn sie den Ver­dacht äußer­te, der ihre nahe­lie­gend erschien. Da fiel ihr Blick auf Ber­ti, der wild ges­ti­ku­lier­te. „Herr Beer­mann, das ist ja super. Ich bin hier gera­de in einer Bespre­chung und ruf Sie nach­her wie­der an, okay? Und vie­len Dank noch mal.“

„Mensch, denk doch mal nach, Kath!“. Das war Ber­ti. „Wie oft muss ich dir noch sagen, dass es ein Kin­der­spiel ist, ein Tele­fon abzu­hö­ren. Und die Ortungs­funk­tio­nen erst! Wenn irgend­wer nur den lei­ses­ten Ver­dacht gegen dich hat, sind wir geliefert!“

Kath ver­dreh­te die Augen, schluck­te aber ihren Wider­spruch her­un­ter und schal­te­te gehor­sam ihr Tele­fon aus. 

Nun mel­de­te sich der Hacker in Pink zu Wort. „Noch bes­ser wäre es natür­lich, die Bat­te­rie her­aus zu neh­men, wenn ich dar­auf hin­wei­sen darf. Ist bei den neu­en Gerä­ten schwie­rig. Aber ich glau­be, wir haben uns noch gar nicht vor­ge­stellt. Ich bin so frei: Guy van Roman ist mein Name, Guy reicht auch.“ Er erhob sich leicht von sei­nem Sitz­platz und deu­te­te eine Ver­beu­gung an, setz­te sich dann wie­der und strich sein Jackett glatt. „Ber­ti hat mir bereits erzählt, wor­um es geht. Ich den­ke, ich kann in der Sache behilf­lich sein.“

Das nahm jetzt Ber­ti zum Anlass, eben­falls das Wort zu ergrei­fen. „Ich habe mir Sams­tag inten­si­ve Gedan­ken dar­um gemacht, wie wir hier wei­ter­kom­men. Glo­bal Water ist ein schwie­ri­ger Geg­ner. Haben eines der bes­ten Kon­zern­si­cher­heits­sys­te­me, heißt es. Dann ist mir Guy ein­ge­fal­len. Den ken­ne ich von den Anti-Über­wa­chungs-Demos, du weißt schon, ‚Frei­heit statt Angst’, die gro­ße Jubi­lä­ums­de­mo und so.“ 

Kath konn­te sich in der Tat noch gut dar­an erin­nern. Die Demons­tra­ti­on war ihr bis heu­te pein­lich. Sie war damals Ber­ti zulie­be mit­ge­kom­men, gegen ihre eige­ne Über­zeu­gung. Wenn es hoch­kam, waren es viel­leicht fünf­zig Men­schen gewe­sen, damals. „Das war doch rei­ne Folk­lo­re! Völ­li­ger Quatsch!“, sag­te sie lei­se. Dass Ber­ti jetzt damit anfing! Der Hacker hat­te sich doch selbst schon vor­ge­stellt und die blö­de Demo tat nichts zu Sache. 

Obwohl sie nur geflüs­tert hat­te, hat­te Ber­ti sie gehört. „Folk­lo­re nennst du das. Das war wich­tig! Also Kath!“

Demons­tra­tiv dreh­te sie sich zur Sei­te. Sie ver­stand immer noch nicht, war­um ein klu­ger Kopf wie Ber­ti sich so in das The­ma rein­ge­stei­gert hat­te. Wer soll­te eine seit fünf­zehn Jah­ren jähr­lich statt­fin­den­de Pro­test­ak­ti­on gegen immer neue Über­wa­chungs­tech­no­lo­gien schon ernst neh­men? Heu­te waren Neu­rotabs und Lifel­og­ging der gro­ße Hype. Und selbst die Schmet­ter­lin­ge waren ja bei Lich­te betrach­tet Droh­nen. „Sous­veil­lan­ce ludi­que“, so nann­ten das die Leu­te von der Bewe­gung für freie Sozio­tech­no­lo­gie. Wenn jede und jeder das Über­wa­chen selbst in die Hand nahm, und Spaß dabei hat­te, mit Iden­ti­tä­ten zu spie­len, konn­te sich die Kon­zern­macht nicht ent­fal­ten. Da konn­te Kath mit­ge­hen. Mit Ber­ti hat­te sie damals stun­den­lang über sol­che Din­ge dis­ku­tie­ren kön­nen. Aber nicht mit den Leu­ten bei der Frei­heit-statt-Angst-Demo. Für die war das ein Sakri­leg. Ver­mut­lich war der Hacker auch so ein Pri­vat­sphä­ren­hard­li­ner. Und mit dem soll­te sie jetzt zusammenarbeiten?

Guy van Roman räus­per­te sich. „Wenn die Damen und Her­ren sich even­tu­ell wie­der auf das gemein­sa­me Vor­ha­ben kon­zen­trie­ren könn­ten, wür­de ich ger­ne die Bera­tun­gen fort­set­zen. Einverstanden?“

Kath nick­te. Es muss­te wohl sein. Sie konn­te Ber­ti anse­hen, dass er am liebs­ten noch einen bis­si­gen Kom­men­tar los­ge­wor­den wäre, aber nach kur­zem Zögern stimm­te er eben­falls zu.

Ber­ti woll­te nun sei­nen Plan erläu­tern. Kath fiel ihm ins Wort. „Wich­tig ist ja wohl zuerst ein­mal, dass Mar­tha – mei­ne Kol­le­gin – sich gemel­det hat. Das war der Anruf eben, ihr Mann hat eine Nach­richt von ihr bekom­men. Ich habe mir da echt Sor­gen gemacht. Sie ist beruf­lich unter­wegs. Ich weiß zwar nicht, was Mar­tha in Kata­lo­ni­en sucht, aber zumin­dest scheint ihr nichts gesche­hen zu sein. Jeden­falls dann, wenn die Mail echt ist.“ 

Der Hacker in Pink strich über das Fle­xi­pad und tipp­te ein paar mal auf die straff gespann­te Pro­jek­ti­ons­fo­lie. Der Schein, der sein Gesicht erleuch­te, wech­sel­te die Far­be. „Kata­lo­ni­en? Natür­lich hat auch Kata­lo­ni­en Ver­trä­ge mit Glo­bal Water. Aber das trägt hier wohl nicht zur Auf­klä­rung bei. Aber schau­en wir doch ein­mal, was sich noch aus dem ver­netz­ten Daten­be­stand her­aus­fi­schen lässt. Das hier sieht bei­spiels­wei­se durch­aus nicht unin­ter­es­sant aus.“

Kath konn­te auf der Pro­jek­ti­ons­fo­lie ein Orga­ni­gramm von Glo­bal Water erken­nen. Dafür hät­te sie kei­nen Hacker gebraucht, das war frei abruf­bar – Mate­ria­li­en wie die­se aktu­ell zu hal­ten, gehör­te zu ihrem Job. „Was genau soll da zu sehen sein?“, frag­te sie mürrisch. 

Ber­ti muss­te ihr aus­nahms­wei­se zustim­men. Der Hacker in Pink wirk­te nun, als müs­se er sich dazu her­ab­las­sen, Außer­ir­di­schen zu erklä­ren, wozu Mes­ser und Gabel da sind. „Also, ist doch ganz ein­fach. Hier ist auf­ge­führt, an wel­chen Stand­or­ten welt­weit Toch­ter­fir­men, Nie­der­las­sun­gen und Abtei­lun­gen von Glo­bal Water zu fin­den sind. Für Kata­lo­ni­en gibt es nur zwei Ein­tra­gun­gen.“ Mit einer Hand­be­we­gung hob er die­se auf der Folie her­vor. „Das eine hier ist eine admi­nis­tra­ti­ve Toch­ter in Bar­ce­lo­na. Viel inter­es­san­ter ist jedoch der zwei­te Ein­trag.“ Guy van Roman zoom­te die­sen nun her­an. „Glo­bal Water Test Faci­li­ty Cata­lu­nya, Sant Carles de la Ràpi­ta“, stand da. 

„Das sieht in der Tat inter­es­sant aus.“ Der Name kam Kath bekannt vor, ohne dass sie hät­te sagen kön­nen, wo sie ihn gese­hen hat­te. Jetzt wäre ein Lifel­og prak­tisch, dach­te Kath. Aber wer sich so was leis­ten kann, hat eh ganz ande­re Pro­ble­me. „Eine Ver­suchs­an­la­ge. Da könn­te Mar­tha sein, wenn sie tat­säch­lich in Kata­lo­ni­en ist. Das passt zu ihrem Job.“ 

„Aber das ist nicht mehr als eine Theo­rie.“ Ber­ti konn­te es nicht aus­ste­hen, wenn sei­nen Ideen kei­ne Beach­tung geschenkt wur­de. „Jetzt wis­sen wir, wo Kaths Kol­le­gin sich mög­li­cher­wei­se auf­hält. Okay. Hilft uns das dabei, Glo­bal Water zu stop­pen? Ich glau­be, nein.“

„Doch!“ Kath war wie­der ein­ge­fal­len, wo sie „Sant Carles de la Ràpi­ta“ in letz­ter Zeit gele­sen hat­te. Die Foli­en, die Dr. May­mo­th bei ihrem Vor­trag benutzt hat­te – Kath erin­ner­te sich dun­kel an Bil­der von Rohr­sys­te­men und Ent­sal­zungs­an­la­gen, unter denen die­ser Orts­na­me gestan­den war. Sie erklär­te den ande­ren bei­den die­sen Zusammenhang.

Ber­ti war nicht über­zeugt. „Gut, Sant Carles hat also etwas damit zu tun, was Glo­bal Water vor hat. Aber wir sind nun mal hier und kön­nen nur vor Ort agieren.“

Guy stimm­te ihm zu. „Wenn ich das zusam­men­fas­sen darf: Mar­tha Beer­mann ist die­je­ni­ge, die sich aus­kennt, und die uns sagen könn­te, wo wir Glo­bal Water angrei­fen kön­nen, um das Pro­jekt Nano zu stop­pen. Aber die lie­be Frau Beer­mann befin­det sich nicht hier, son­dern in einer Ver­suchs­an­la­ge in Kata­lo­ni­en – und ist nach unse­rem der­zei­ti­gen Kennt­nis­stand ein­zig und allein über das Fir­men­netz­werk von Glo­bal Water erreich­bar, das selbst­ver­ständ­lich über­wacht wird. In ande­ren Wor­ten: Es ist uns unmög­lich, unauf­fäl­lig Kon­takt mit ihr aufzunehmen.“

Ber­ti nahm den Faden auf: „Und wir sind hier, wis­sen aber weder genau, was Glo­bal Water vor hat, noch, wo und wann das Pro­jekt Nano star­ten wird. Unser ers­tes Ziel muss es daher sein, an die Plä­ne zu kom­men. Und da kommt Guy ins Spiel.“

Die­ser ließ das Fle­xi­pad zusam­men­schnap­pen und zupf­te ner­vös am Kra­gen sei­nes rosa­far­be­nen Hemds. „Ich muss lei­der dar­auf auf­merk­sam machen, dass sich die Zei­ten gewan­delt haben. Tem­po­ra mut­an­dis. In Fir­men­net­ze ein­zu­drin­gen wird zwar gemein­hin mit dem Begriff des ‚Hackens’ in Ver­bin­dung gebracht. Ganz so ein­fach ist es aber nicht. Mit dem Account von Frau Beer­mann wäre ein Start­punkt gege­ben gewe­sen, der ver­mut­lich aus­rei­chen­de Zugriffs­rech­te ent­hal­ten hät­te, um ziel­füh­rend für unser Vor­ha­ben zu sein.“

Guy van Roman strich sich über sein glatt rasier­tes Kinn. „Schwie­rig, schwie­rig. Ich muss dar­über nach­den­ken, ob wir es auch anders hin­krie­gen. Daher wäre ich euch sehr ver­bun­den, wenn ihr dazu die­sen“ – hier blick­te er auf und schien zum ers­ten Mal sei­ne Umge­bung wahr­zu­neh­men – „Wagen ver­las­sen wür­det. Um nach­zu­den­ken, brau­che ich Ruhe. Husch, husch!“ 

(to be continued)

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