Darum geht’s: das Wahlkampftool „Da müssen wir ran“ der Berliner Grünen
Die Berliner Grünen starten im Wahlkampf ein Online-Tool, mit dem BürgerInnen sagen können, wo es brennt (siehe auch hier). Nicht die ersten mit dieser Idee, trotzdem eine gute Idee – gerade für einen Onlinewahlkampf. Das Netz regt sich dennoch auf. Worüber? Darüber, dass der Pressetermin zur Einweihung des Tools samt Bürgermeisterkandidatin Renate Künast ein bisschen arg nach Inszenierung ausschaut. Denn der Bürger, der da ein Radwegproblem meldet, ist Andreas Gebhard, Inhaber der Agentur „Newthinking“, die den Online-Wahlkampf der Berliner Grünen managt unterstützt. Nicht sehr klug.
Interessierte Kräfte (SPD) nennen das dann gleich Astroturfing. So weit würde ich definitiv nicht gehen. Das Tool ist echt, das Problem ist echt, nur der Start war „scripted reality“. Andreas selbst tut so, als wäre es reiner Zufall, dass Renate die Agentur mit dem Testproblem beehrt hat. Das halte ich nun auch wieder nur für bedingt glaubwürdig. Und selbst wenn’s so gewesen wäre: Dass der „politische Gegner“ samt einer manchmal ein bisschen neidisch auf Netzpolitik.org und andere Newthinking-Projekte schauenden Netzöffentlichkeit so einen Fauxpaus hernehmen wird, um ihm breitestmöglich auszuwalzen, war doch absehbar, oder?
Und da ist – kommunikationstechnisch von Shell/Brent Spar angefangen – die einzige vernünftige Reaktion meiner Meinung nach ein aufrichtiges „Tut uns leid, da haben wir Mist gebaut.“ Das kann dann durchaus auch positiv gewendet werden: Als Mittel, um dem Tool Aufmerksamkeit zu verschaffen, und als Plattform, um klar und transparent mitzuteilen, wie die Berliner Grünen in Zukunft auf Meldungen über das Portal reagieren werden. Die Chance scheint mir halb verpasst – schade.
Trotzdem ist das kein Astroturfing. Das wäre es dann, wenn das Tool größtenteils mit Meldungen aus der Partei heraus gefüllt würde, um so Bürgernähe zu simulieren. Idealerweise mit Meldungen, die eh schon am Behobenwerden sind.
Aber darum geht es hier nicht: Es geht um ein spannendes partizipatives Wahlkampftool, dessen Start leider ein bisschen verbockt wurde. Was das Tool nicht schlechter macht. Da müssen wir ran!
So, und damit können wir alle zusammen jetzt auf den nächsten Online-Fehltritt der SPD warten, um da kräftig draufzuhauen.
Warum blogge ich das? Weil ich glaube, dass dieses Tool eine bessere Presse verdient hat als die, die einige sich da gerade zurechtspinnen. (Disclaimer: ich kenne Andreas aus der grünen Partei und der gemeinsamen Arbeit in medien- und netzpolitischen Projekten).
Warum haben die Grünen auf ihrer Webseite die Pressemitteilung gelöscht, mit der sie zu dem Termin eingeladen hatten? Das Dokument zeigt, wie die Grünen die Medien bei der Einladung zu dem Termin in die Irre geführt haben. Im Text hieß es, Renate Künast besuche „zwei Aufgaben, die Berliner Bürger den Grünen mit dem Online-Tool ‚Da müssen wir ran!‘ gestellt haben“. Dass es sich bei einem der Bürger um den Geschäftsführer der Grünen-Werbeagentur handelt, wurde dort verschwiegen. Auf der Webseite der Grünen, wo alle Pressemitteilungen archiviert werden (http://gruene-berlin.de/partei/presse), ist diese Pressemitteilung inzwischen gelöscht. Hier die Original-Pressemitteilung:
Von: presseverteiler@gruene-berlin.de
Datum: 8. August 2011 22:34
Betreff: [PM Gruene Berlin] Terminhinweis: Renate Künast besucht online gestellte Aufgaben aus der grünen Mitmach-Kampagne im Internet
An: presseverteiler@gruene-berlin.de
Terminhinweis: Renate Künast besucht online gestellte Aufgaben aus der grünen Mitmach-Kampagne im Internet
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir laden Sie herzlich ein, die Kandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin, Renate Künast, zu begleiten. Sie besucht zwei Aufgaben, die Berliner Bürger den Grünen mit dem Online-Tool „Da müssen wir ran!“ gestellt haben.
9.8.2011
12.30 Uhr
Schönhauser Allee 6/7
10119 Berlin
Gemeinsam mit der Direktkandidatin vor Ort und Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus, Ramona Pop, informiert sich Renate Künast über eine gefährliche Stelle für Fahrradfahrer und diskutiert Lösungsvorschläge.
14:00 Uhr
Regionalbahnhof Karlshorst
10318 Berlin
Mit Michael Heinisch, Direktkandidat, Stefan Ziller, Listenplatz 32, geht es um den Erhalt des Regionalbahnhofes Karlshorst.
Die Berliner Grünen haben am vergangenen Freitag das Online-Tool vorgestellt, bei dem Bürger die Möglichkeit haben, Probleme in der Stadt auf einer Karte einzutragen und die Grünen damit zu beauftragen sich diesen anzunehmen. Seither sind bereits mehr als 200 Aufgaben eingegangen und die App, mit der iPhone-Nutzer auch mit ihrem Handy Aufträge erteilen können, wurde bereits über 400 Mal heruntergeladen.
Wie wär’s damit, einfach die Berliner Grünen zu fragen? Ich finde das jetzt relativ belanglos, ob eine Termin-PM archiviert ist oder nicht. Und habe auch keine Lust, mir zu überlegen, was genau die zwischen den Zeilen mitschwingende Unterstellung sein soll.
Diese ganzen sozialdemokratischen Großmäuler sollen doch einfach mal auf das hier schauen: http://spd-mv.de/ Nach meiner Auffassung erübrigt sich sofort jegliche Diskussion. Wer so Wahlkampf im Netz macht, der soll sich mit Kritik an anderen zurückhalten.
Jetzt haben sich die Grünen zum Vorfall erklärt und kriegen es nicht hin eine einfache Entschuldigung über die Lippen zu bringen: http://sebastiank.info/blog/2011/08/09/von-der-schwierigkeit-eines-online-wahlkampfes/
Currywurstpreisgarantie!