Kurz: Dienstleistungswüste

Ger­ne wird ja die „Dienst­leis­tungs­wüs­te Deutsch­land“ beschwo­ren, man­geln­de Freund­lich­keit des „Per­so­nals“ und so. Als dahin­ge­wor­fe­ner Gedan­ke dazu: was in den Debat­ten oft kaum vor­kommt, ist die Dop­pel­sei­tig­keit: Freund­lich­keit als Ein­bahn­stra­ße funk­tio­niert nicht bzw. wird dann schnell zu einem auf­ge­setz­ten, antrai­nier­ten Lächeln der Ver­käu­fe­rIn­nen, hin­ter dem grim­mi­ger Ernst steckt. Die Geschäf­te und Gele­gen­hei­ten, bei denen ich mich tat­säch­lich sehr freund­lich behan­delt fühl­te, sind eher die, die bei mir den drin­gen­den Wunsch her­vor­ge­ru­fen haben, mich eben­falls freund­lich zu ver­hal­ten, die also, kurz gesagt, authen­tisch gewirkt haben, wohl sogar authen­tisch waren. Was sich aber wie­der­um nicht antrai­nie­ren lässt, son­dern was damit zu tun hat, dass den Leu­ten das, was sie machen, gefällt.

3 Antworten auf „Kurz: Dienstleistungswüste“

  1. Ich glau­be ja, dass die meis­ten Arbei­ten eher ungern ver­rich­tet wer­den, eben­so wie vie­le Geschäfts­ab­wick­lun­gen von Sei­ten der Kun­den nur bedingt gewünscht wer­den (Fahr­kar­ten­kauf, Haus­halts­krem­pel kau­fen, Nach­fra­gen zu Rech­nun­gen stel­len etc.), son­dern sich ein­fach wegen der sisy­phus­haf­tig­keit des Lebens unum­gäng­lich ereig­nen. Da ist ein Maxi­mum an Freund­lich­keit oft gar nicht not­wen­dig, ja viel­leicht sogar manch­mal eher ver­wir­rend („War­um inter­es­siert sich mei­ne Fris­ö­se so für empir­sche Sozi­al­for­schung?!? und wie­so fragt sie mich dann doch jedes Mal das Glei­che?“). Um die Situa­ti­on aber mög­lichst frucht­bar und unan­ge­neh­me Anschluss­ereig­nis­se (noch­ma­li­ges Nach­fra­gen, Beschwer­den, Pro­ble­me etc.) gering zu hal­ten, ist es m.E. am bes­ten, wenn die Betei­lig­ten sich vor allem !ohne destruk­ti­ve Ver­hal­tens­wei­sen! begeg­nen (Igno­ranz, Aus­spie­len der Hier­ar­chie­kar­te, Bos­haf­tig­keit etc.). SO kann man sich auf das kon­zen­trie­ren, was ja eigent­lich im Mit­tel­punkt steht: Das Erwer­ben einer neu­en Spülbürste.

  2. Ich ken­ne tat­säch­lich auch bei­des. Und viel­leicht ist Freund­lich­keit erst­mal auch nicht viel mehr als ein nicht-destruk­ti­ves Begeg­nen. Inso­fern bräuch­te es mehr Spül­bürs­ten­au­to­ma­ten. Trotz­dem freue ich mich, wenn z.B. die Bera­te­rin im auf Bahn­rei­sen spe­zia­li­sier­ten Rei­se­bü­ro situa­ti­ons­an­ge­mes­sen so auf mei­ne Fahr­kar­ten-Wün­sche ein­geht, dass ich mich freund­lich behan­delt füh­le. Also eben nicht als Tri­vi­al­ma­schi­ne agiert. 

    Aus dem Gedächt­nis her­aus ver­lief der Dia­log heu­te mor­gen z.B. etwa so:

    Das Rei­se­bü­ro wird auf­ge­schlos­sen, ich bin um 9:20 da, offi­zi­ell geöff­net wird um 9:30, da bin ich aber schon längst mit Fahr­kar­te wie­der draußen.

    Ich set­ze mich an einen Schal­ter, der Bera­ter dort hat aber ein im bis­her nicht bekann­tes Com­pu­ter­pro­blem. Er holt einen Kol­le­gen hin­zu, berät sich kurz mit die­sem um rät mir dann freund­lich, mich doch lie­ber an sei­ne Kol­le­gin zu wen­den, weil das Com­pu­ter­pro­blem län­ger dau­ern wird.

    Die­se: „Was kann ich für sie tun?“

    Ich: „Ich brau­che eine Fahr­kar­te nach Ber­lin, für mor­gen. Wenn’s geht, im Nachtzug.“

    Sie nickt (oder so) und gibt etwas ein. Sie druckt eine Ver­bin­dung aus.

    Sie: „Nacht­zug soll­te gehen. Haben Sie eine Bahncard?“

    Ich: „Ja, hier. Mit Punk­te­sam­meln.“ (und wei­se auf die seit län­ge­rem auf dem Schal­ter lie­gen­de Bahncard)

    Sie: „Stimmt, habe ich ganz übersehen.“

    Sie nimmt die Bahn­card, liest sie ein.

    Ich: „Der ist etwa um acht da, der Nacht­zug, oder?“

    Sie: „Hier ist die Verbindung.“

    Sie: „Wol­len Sie auch eine Rückfahrt?“

    Ich: „Ja, am Sonn­tag, wann genau, weiss ich noch nicht.“

    Sie: „Also mit ICE, ohne Vorgaben.“

    Ich: „Wie sieht das eigent­lich mit dem Sprin­ter aus, der kos­tet extra, oder?“

    Sie: „Den kön­nen Sie auch neh­men, kos­tet 12 Euro [oder so], aller­dings brau­chen Sie vor­her eine Reser­vie­rung, der ist reservierungspflichtig.“

    Ich: „Ah, ich muss da also kurz vor­her noch eine Reser­vie­rung holen, ja?“

    Sie: „Genau.“

    Sie gibt wei­te­re Befeh­le in den Com­pu­ter ein und druckt die Fahr­kar­te aus.

    Sie: „Haben Sie noch einen wei­te­ren Wunsch?“

    Ich: „Nein, das wäre alles. Ich wür­de ger­ne mit EC-Kar­te zahlen.“

    Sie: „Kein Problem.“

    Sie nimmt die EC-Kar­te, zieht sie durch den Com­pu­ter, druckt die Rech­nung aus und hält sie mir hin.

    Sie: „137 Euro, hier steht der Betrag, hier müs­sen Sie unterschreiben“

    Ich unter­schrei­be. Sie gibt mir die EC-Kar­te zurück. Ich ste­cke die Bahn­card in den Geld­beu­tel und suche dann nach der Hül­le für die EC-Karte.

    Ich (sot­to voce): „Huch, wo ist die Hülle?“

    Sie: „Die Hül­le liegt hier.“ (zeigt auf die Stel­le, wo ich sie hin­ge­legt habe)

    Ich: „Ah, dan­ke. Ich bin wohl noch etwas verschlafen.“

    Sie: „Sie haben ja noch den gan­zen Tag Zeit, aufzuwachen.“

    Ich: (Lachen) „Wer­de ich machen. Danke.“

    Sie: „Schö­nen Tag noch.“

    Ich: „Eben­falls“

    Ich ver­las­se das Reisebüro. 

    Auf­ga­ben­stel­lung: Inwie­fern macht die­ser Dia­log deut­lich, dass es sich nicht um eine tri­via­le Kom­mu­ni­ka­ti­on handelt?

  3. Ich kom­me in Wu-Tal am Bahn­hof an und will einen Freund besu­chen. Ich weiß zwar stra­te­gisch wo der wohnt und wel­che Bus­li­nie ich neh­me muss, aber nicht wie die Gegend heißt und wel­che Bus­hal­te­stel­le ich raus muss. Nach­dem ich dem, ara­bisch­stäm­mi­gen Bus­fah­rer mei­ne Situa­ti­on erklärt habe, ant­wor­tet der: „Macht nix! Neh­men Sie erst­mal die güns­tigs­te Fahr­kar­te und wenns wei­ter ist, lösen Sie ein­fach nach.“

    ??!

    NACH­lö­sen?!! SIE sind mein Mann!!!

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