Über das Blog der Kulturwissenschaftlichen Technikforschung bin ich gerade auf das Blog Annalist gestoßen – die Lebensgefährtin von Andrej H. berichtet darin über den Alltag zwischen Überwachung, juristischem Kampf und ganz normalen Dingen. Ich finde das extrem eindrucksvoll und halte es für etwas, was möglichst viele Leute lesen sollten.
Warum blogge ich das? Ich kann mich hier Klaus Schönberger anschließen:
Dieses Weblog ist für einen Weblogforscher aus zweierlei Gründen faszinierend. Es ist erstens eine durchaus innovative politische Strategie sich gegen staatliche Drangsalierung und Terrorisierung, und die damit verbundene Durchdringung des eigenen Alltags öffentlich zu Wehr zu setzen. […] Ein solches Blog ist zweitens auch eine probates Mittel der Selbstreflexion, mit den damit verbundenen Zumutungen durch BKA und Generalbundesantwaltschaft umzugehen.
Schlussendlich könnte man dieses Weblog als eine neuartige Protestform analysieren, in einem assymetrischen Konflikt, in dem dem Betroffenen Klandestinität und Illegalität zum Vorwurf gemacht wird, sich nicht nur subjektiv zu behaupten, sondern ein Stück weit auch Gegenmacht zu demonstrieren. Diese Offenlegung persönlicher alltäglicher Handlungen und Details bringt die ganzen Konstruktionen der Verfolgungsbehörden zumindest diskursiv zum implodieren.
Update: Ernst Corinth schreibt in der Telepolis bedenkenswertes:
Wer Annalist sorgfältig liest, erfährt also von Menschen, denen man das Recht auf Privatsphäre völlig genommen hat, die eingeschüchtert und in die Enge gerieben werden. Und er lernt dabei eine Bundesrepublik kennen, in der Bundesbehörden und Polizei ganz offen und scheinbar ganz legal staatliche Willkür ausüben. Ein Dokument, das erschrocken und betroffen macht. Und Schlimmes für die Zukunft befürchten lässt.
Update 2: „Ich würde die aktuelle Aufmerksamkeit gern für etwas nutzen, das uns sofort wieder in die Niederungen der Ebene führt, aber uns auch sehr nahe geht. Dieses Verfahren kostet unglaublich viel Geld.“ Deswegen: hier die Spendenkonten. Und übermorgen wird über die Frage entschieden, ob die Aussetzung des Haftbefehls der Sicht des Bundesgerichtshofs entspricht – oder ob Andrej H. wieder in U‑Haft muss.
Update 3: (24.10.2007) Nach Medienberichten ist der Haftbefehl gegen Andrej H. aufgehoben; ermittelt werden darf gegen ihn jedoch weiterhin. Mehr dazu – und zu den laufenden Zeugenvernehmungen – bei Annalist.
Update 4: Hier noch die umfangreiche Kommentierung des Ganzen bei Spreeblick.