Manchmal benimmt sich „mein“ grüner Landesverband Baden-Württemberg so stereotyp und klischeehaft, dass er deswegen fast schon wieder lieb gewonnen werden muss. So im Sinne eines schrägen Typens mit etlichen Macken, der aber eigentlich ganz süß ist. Der Anlass für diese Sätze: eine gestern verschickte Pressemitteilung der Landesvorsitzenden Andreas Braun und Petra Selg, leider noch nicht auf der Website verlinkt. Ich zitiere mal die Hauptaussage (Hervorhebung von mir):
Grüne Landesvorsitzende zu Koalitionsspekulationen auf Bundesebene: Farbenspiele sind Sommertheater
„Überlegungen zu rot-rot-grün auf Bundesebene halten wir für reine Spekulationen und nichts weiter als Sommertheater“, erklärten die grünen Landesvorsitzenden Petra Selg und Andreas Braun. „Ärgerlich sind sie trotzdem, weil es keinerlei Anlass gibt, darüber zu spekulieren, auch nicht als vermeintliches Thema für das mediale Sommerloch.“
„Wir Grünen in Baden-Württemberg haben zu einem rot-rot-grünen Bündnis auf Bundesebene eine klare Haltung“, betonten Selg und Braun: „Wir lehnen nicht nur Spekulationen darüber strikt ab und möchten sie deutlich zurückweisen, sondern sehen auch nicht den realistischen Kern einer solchen Überlegung.“
Was ist an dieser Pressemitteilung irritierend? Erstens natürlich die Einseitigkeit. Aber angesichts der Liebe zu Schwarz-grün-Debatten bei einigen Parteifreunden wundert es mich nicht so sehr, dass nur über rot-rot-grün geredet wird. Irritierender finde ich zweitens, nämlich den Einblick, den diese Pressemitteilung in die Wahrnehmung der beiden Landesvorsitzenden gibt. Anlass dafür, sich zu Wort zu melden, sind „Überlegungen zu rot-rot-grün auf Bundesebene“. Die seien ein mediales Sommerlochthema und eigentlich ignorierbar. Wer jetzt etwas nachdenkt, was denn im Sommerloch diesen Jahres schon so alles verhackstückt wurde, wird schnell darauf kommen, dass kurz vor Äußerungen etwa Trittins zu rot-rot-grün andere Spekulationen standen: u.a. der Bundestagsabgeordnete Berninger, aber auch Teile der FDP und der große heimliche Vorsitzende a.D. fanden es vor zwei Wochen sexy, mal wieder über Jamaika nachzudenken. Erst danach kamen dann Stimmen, auch andere rechnerisch mögliche Mehrheiten anzuschauen. Schade eigentlich, dass sich niemand zur rot-grün-gelb äußert …
Eine kleine chronologische Presseschau dazu:
Die Neuauflage der Jamaika-Debatte
> Bericht in der Welt über Gespräche zwischen Fischer und Schäuble, 12.07.2006
> Franz Walter in Spiegel Online zu bürgerlichen Mehrheiten, 13.07.2006
> Westerwelle in der FAZ zum Jamaika, 15.07.2006
Reaktion: linke Koalition wäre doch auch ganz schön
> Trittin warnt in Spiegel Online vor Jamaika, 22.07.2006
Zur Sommerlochdebatte über „Koalitionen der bürgerlichen Mitte“ gab es keine Pressemitteilung, wie die oben zitierte. Wenn wundert’s. Dabei scheint es mir viel wahrscheinlicher, dass ab Oktober in Berlin z.B. rot-rot-grün regiert wird, als dass es auf Landes- oder Bundesebene in nächster Zeit zu schwarz-gelb-grün kommt. Aber hinter Stuttgart scheint die Welt anders auszusehen.