Kurz: SPD will zurück in die fordistische Vergangenheit

Zu die­sem Bericht über den Auf­tritt von SPD-Chef Gabri­el bei einem Tref­fen von Betriebs­rä­ten in Bochum habe ich der taz einen Leser­brief geschickt. Mal schau­en, ob er abge­druckt wird.

SPD: zurück in die Vergangenheit?

Wenn es stimmt, dass Gabri­el die SPD dazu brin­gen will, jede Form der Nicht­nor­mal­ar­beit „zu bekämp­fen“ und den „unbe­fris­te­ten, sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Voll­zeit­job“ wie­der zur Regel zu machen, dann hat die SPD zwar aus der Hartz-Kri­se gelernt, sich aber nicht wei­ter­ent­wi­ckelt, son­dern ist sehn­suchts­voll wie­der in den schein­bar gol­de­nen 60er Jah­ren angekommen. 

Ist ja deren Sache – aber wäre es nicht an der Zeit, dass auch die SPD zur Kennt­nis nimmt, wie die (selbst­ver­ständ­lich männ­li­che) Voll­zeit­be­schäf­ti­gung zur Geschlech­ter­dis­kri­mi­nie­rung bei­trägt? Dass es dar­um gin­ge, die in pre­kä­ren Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­sen Arbei­ten­den (eine Spann­wei­te vom Mini­job aus Not bis zur frei­wil­li­gen befris­te­ten und hoch­be­zahl­ten Pro­jekt­ar­beit) sozi­al abzu­si­chern, statt sie zu bekämp­fen? Oder, dass bei den rich­ti­gen Rah­men­be­din­gun­gen (ich den­ke da z.B. an ein Grund­ein­kom­men) Fle­xi­bi­li­sie­rung, Teil­zeit­ar­beit und der Wech­sel zwi­schen Pha­sen der Erwerbs­ar­beit und ande­ren Zei­ten zu einem erfüll­ten Leben bei­tra­gen kön­nen, das nicht nur in Erwerbs­ar­beit besteht? 

Ein Zurück in die for­dis­ti­sche Ver­gan­gen­heit, die sich Gabri­el wohl wünscht, taugt jeden­falls nicht als Land­kar­te für eine soli­da­ri­sche Moderne. 

Nach­trag: Wie ich gera­de beim Früh­stück gese­hen habe, wur­de der Leser­brief prompt abge­druckt (Aus­ga­be vom 24.03.2009).

Kleine Blogschau zum Politcamp 10 (Update 2)

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Schlan­ge bei der Ses­si­onpla­nung beim Polit­camp 109. Foto: Jür­gen Glüe, Lizenz: CC-BY-SA.

War­um ich dann doch nicht hin­ge­fah­ren bin, habe ich ja hier beschrie­ben. Inzwi­schen ist das Polit­camp 10 (das zwei­te …) vor­bei, nächs­tes Jahr soll wie­der eines statt­fin­den – und nach­dem reich­lich get­wit­tert wur­de, kam ich nicht umhin, einen gewis­sen Ein­druck zu krie­gen. Da waren wohl unge­fähr 800 Leu­te, es gab über den Dau­men gepeilt 70 laut Orga­ni­sa­ti­ons­team 53 Sessions.
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Kurz: der EU-Profiler

eu-profilerEs gibt ja eini­ge Zwei-Ach­sen-Poli­tik­sor­tie­rer. Die Euro­pa­wah­len sind schon fast ein Jahr vor­bei, trotz­dem ist mir der EU-Pro­fi­ler erst heu­te über den Weg gelau­fen. Der unter ande­rem von der Frei­en Uni­ver­si­tät Ams­ter­dam ent­wi­ckel­te Pro­fi­ler adap­tiert das Sys­tem, über eini­ge Fra­gen zum poli­ti­schen Stand­punkt eine poli­ti­sche Ein­ord­nung auf zwei Dimen­sio­nen hin­zu­krie­gen, für die EU. Die Ach­sen sind dem­entspre­chend „sozio­öko­no­misch links/rechts“ und „für/gegen die euro­päi­sche Inte­gra­ti­on“. Mein links­grü­nes Ergeb­nis ist links zu sehen (ankli­cken zum Ver­grö­ßern) – noch span­nen­der als mei­ne eige­ne Posi­ti­on fin­de ich aber die vie­len Kon­fet­ti-Punk­te. Die ste­hen näm­lich für die Posi­tio­nie­rung ein­zel­ner Par­tei­en – z.B. für die ver­schie­de­nen grü­nen Par­tei­en in Euro­pa. Und da gibt’s zwar ein kla­res Clus­ter (eher links, stark pro-euro­pä­isch) – aber auch ziem­lich star­ke Abwei­chun­gen. Und bei den ande­ren Par­tei­en sieht’s nicht bes­ser aus.

Kurz: Die taz kann’s noch, oder: Wann ist ein Mann ein Feminist?

Ehr­lich gesagt hat­te ich ein biß­chen Bauch­weh, als ich gese­hen habe, dass die taz ihre dies­jäh­ri­gen Son­der­sei­ten zum 99. Inter­na­tio­na­len Frau­en­tag dem The­ma „Män­ner und Femi­nis­mus“ wid­men wür­de. Zu nahe liegt da die Gefahr, dass die pro­vo­kant-blö­de Sei­te mei­ner Lieb­lings­zei­tung über­hand nimmt und dar­aus eher ein Witz wird. Ist es aber nicht gewor­den. Viel­mehr hat die taz gezeigt, dass sie es immer noch kann – und hat eine auf zwölf Sei­ten umfas­send infor­mie­ren­de und poin­tiert Posi­ti­on bezie­hen­de Män­ner­aus­ga­be zum Frau­en­tag geschaf­fen. Ab hier kann geblät­tert wer­den – oder, schö­ner und mit Foto­gra­fien von Dani­el Josef­sohn illus­triert, für 1,50 Euro am Kiosk.

Eini­ge High­lights aus dem Inhalt: Der Krypto­fe­mi­nist Chris­ti­an Fül­ler schreibt in erstaun­lich zustim­mungs­fä­hi­ger Form sie­ben The­sen zum eman­zi­pier­ten Mann auf. Sein Fazit: machen wir’s wie die Pin­gui­ne. Hei­de Oestreich geht mit SINUS der Fra­ge nach, wie eman­zi­piert Män­ner tat­säch­lich sind – und in wel­chen sozia­len Milieus sie sich ver­ste­cken (und fragt ein paar Sei­ten spä­ter auch gleich noch den schwe­di­schen Män­ner­for­scher Lars Jal­mert, wie’s denn in Schwe­den mit den Femi­nis­ten so aus­sieht). Ulri­ke Win­kel­mann macht das sel­be mit den grü­nen Vätern und fragt nach, was hin­ter der Eltern­zeit jun­ger grü­ner Poli­ti­ker steckt. Die dunk­le­ren Abgrün­de der soge­nann­ten Män­ner­be­we­gung beleuch­tet Tho­mas Ges­ter­kamp. Geschlech­ter­ste­reo­ty­pe in Kin­der­ta­ges­stät­ten sind das The­ma von Anna Leh­mann. Und der Trans­mann Chris­ti­an Schenk gibt zu Pro­to­koll, wie es tat­säch­lich um das doing gen­der im neu gelern­ten männ­li­chen All­tag steht.

Zusätz­lich gibt’s auch noch vier Sei­ten Son­der­bei­la­ge zum The­ma Bil­dung. Also eine taz, in die zu inves­tie­ren sich tat­säch­lich lohnt.

Kurz: Promovierende mit Kind zwischen den Kategorien

BüroMei­ne Part­ne­rin und ich sind der­zeit bei­de Pro­mo­ti­ons­stu­die­ren­de. Das hat ver­schie­de­ne Vor- und Nach­tei­le, um die es hier aber gar nicht gehen soll. Ein Pro­blem die­ses Sta­tus ist mir heu­te mor­gen schmerz­lich bewusst gewor­den. Wir sind näm­lich (schon län­ger) auf der Suche nach einem Kita-Platz für Ras­mus. Eigent­lich hät­ten wir ger­ne schon längst einen – Ras­mus ist gera­de ein Jahr als gewor­den – aber da wir ihn nicht vor­ge­burt­lich schon auf War­te­lis­ten set­zen las­sen haben, zieht sich das alles hin. 

Aber zum Sta­tus­pro­blem: die Uni Frei­burg hat eine eige­ne Kita (soweit ja mal gut). Die ist voll, wir ste­hen auf der War­te­lis­te, haben aber wenig Hoff­nung, einen Kita-Platz zu ergat­tern, weil die Plät­ze dort in der Rei­hen­fol­ge „wiss. Mit­ar­bei­te­rin­nen“*, „wiss. Mit­ar­bei­ter“, „Pro­mo­vie­ren­de“ ver­ge­ben wer­den, wie ich heu­te mor­gen erfah­ren habe.** Das Stu­den­ten­werk betreibt auch Kin­der­ta­ges­stät­ten. Dort ist die Rei­hen­fol­ge „Stu­die­ren­de im Erst­stu­di­um“ und erst danach „Pro­mo­vie­ren­de etc.“. Macht bei­des aus sich her­aus Sinn – zusam­men führt es dazu, dass die Chan­ce, als pro­mo­vie­ren­de Eltern ohne Beschäf­tig­ten­sta­tus einen Kita-Platz an der Uni zu krie­gen, ziem­lich klein sind. Was – „aka­de­mi­sche Rush­hour“ hin und „fami­li­en­freund­li­che Uni“ her – ziem­lich blöd ist.

* Neben­bei ein schö­nes Bei­spiel für Rei­fi­zie­rungs­pro­ble­me: aus der gegen­wär­ti­gen geschlechts­spe­zi­fi­schen Arbeits­ver­tei­lung her­aus erscheint es durch­aus sinn­voll, Kita-Plät­ze bevor­zugt an die Kin­der von Wis­sen­schaft­le­rin­nen zu geben – gleich­zei­tig ver­stärkt die­se Rei­hen­fol­ge aber die gesell­schaft­li­che Annah­me, dass Wis­sen­schaft­ler einen gerin­ge­ren Bedarf an Kin­der­be­treu­ung haben, weil ja im Zwei­fels­fall die Frau ein­sprin­gen kann.

** Damit das nicht in den fal­schen Hals gerät: der Mit­ar­bei­ter, der mich dar­über infor­miert hat, war sehr freund­lich und hat­te durch­aus Ein­sicht in die sich dar­aus erge­ben­den Pro­ble­me (und nann­te auch eini­ge Alter­na­ti­ven außer­halb der Uni) – das struk­tu­rel­le Pro­blem besteht trotz­dem weiter.