Zeit des Virus, Update XVI

Opfinger See - panorama

Mein letz­tes Update zur Coro­na-Lage hat­te ich im März geschrie­ben. Und ich hat­te irgend­wie die Hoff­nung, dass das dann viel­leicht auch das letz­te Update sein könn­te, dass Coro­na tat­säch­lich irgend­wann vor­bei ist.

„Über­ra­schen­der­wei­se“ ist das nicht so. Im süd­afri­ka­ni­schen Som­mer lie­fen dort die Zah­len für die Omi­kron-Vari­an­ten BA.4 und BA.5 hoch. Das wur­de mit irgend­wel­chen Beson­der­hei­ten der dor­ti­gen Demo­gra­fie weg­er­klärt. Vor eini­gen Wochen, in die­sem sehr hei­ßen Nord­halb­ku­gel-Som­mer, ging‘s dann in Por­tu­gal steil nach oben. Wäh­rend­des­sen dreh­te sich unse­re poli­ti­sche Dis­kus­si­on nach dem Aus­lau­fen der fünf­ten (oder sechs­ten?) Wel­le vor allem dar­um, auf den Herbst und den Win­ter vor­be­rei­tet zu sein. Schließ­lich wis­sen wir ja, dass Coro­na im Som­mer pausiert.

Seit ein paar Tagen stei­gen jetzt auch die Inzi­den­zen in Deutsch­land wie­der mas­siv an, ver­mut­lich ist die Dun­kel­zif­fer noch deut­lich höher, weil PCR-Tests kaum zu krie­gen sind. Und auch „har­te“ Indi­ka­to­ren wie die Hos­pi­ta­li­sie­rung schei­nen wie­der nach oben zu gehen.

In den sequen­zier­ten Labor­pro­ben steigt der BA.4/BA.5‑Anteil von Woche zu Woche an, genau­er gesagt: er ver­dop­pelt sich wöchentlich.

Anders gesagt: die „Som­mer­wel­le“ ist zur gro­ßen Über­ra­schung ins­be­son­de­re der Bun­des­po­li­tik – und hier ins­be­son­de­re der FDP – längst da. 

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Photo of the week: Tree study

Tree study

 
Trotz oder wegen der Pfingst­fe­ri­en, die wir der­zeit haben, kom­me ich nicht so rich­tig zum Blog­gen. Dabei gäbe es – vom Tan­kra­batt der FDP, den jetzt Habeck repa­rie­ren soll, bis zu den wie­der stei­gen­den Coro­na-Inzi­den­zen ohne Maß­nah­men­kof­fer – eini­ges zu sagen. Statt des­sen also Bäu­me in Pseu­do-Schwarz­weiß; das Han­dy ver­lei­tet zum Spiel mit Filtern. 

Photo of the week: Panorama with clouds, Waldenburg

Panorama with clouds, Waldenburg

 
Mit­te Mai gab es dann „post­pan­de­misch“ einen beruf­li­chen Aus­wärts­ter­min. Dabei habe ich fest­ge­stellt, dass Wal­den­burg und der Blick auf die Hohen­lo­he auch sehr schön sind – und erst bei sehr genau­em Hin­se­hen die gro­ße Zahl an Wind­rä­dern auf­fällt, die hier stehen. 

Auf Monsterjagd

Die meis­ten wer­den es ken­nen, von Par­tys oder vom Ver­such, Kin­der auf Bahn­fahr­ten zu beschäf­ti­gen: Ein Papier wird mehr­fach gefal­tet, reih­um wird ein Teil einer Per­son gemalt, ohne den Rest zu ken­nen, und das Ergeb­nis sieht dann meist ganz lus­tig aus.

Das gibt es auch in digi­tal, unter monsterland.net fin­det sich bei­spiels­wei­se ein sol­ches Online­spiel. Damit lässt sich sehr viel Zeit ver­brin­gen, ins­be­son­de­re dann, wenn eine Ein­ga­be per Stift und damit ein ech­tes Zeich­nen mög­lich ist. Die ent­ste­hen­den Mons­ter sind teil­wei­se kunst­voll, teil­wei­se über­ra­schend – und teil­wei­se gro­ßer Mist. Wie bei der Papier­va­ri­an­te kommt es dar­auf an, dass die Über­gän­ge zwi­schen Kopf, Bauch und Füßen hin­rei­chend klar sind, so dass die nächs­te Per­son weiß, was sie zu tun hat. Und je nach­dem kann die Freu­de oder die Ent­täu­schung groß sein, wenn das „eige­ne“ Mons­ter sich als Schön­heit ent­puppt oder völ­lig ver­hunzt ist, weil die drit­te Zeichner*in par­tout nicht kapiert hat, was die Idee war. Und manch­mal ent­ste­hen aus uner­war­te­ten Kom­bi­na­tio­nen über­ra­schen­de Dinge.

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Science Fiction und Fantasy im Frühjahr 2022, Teil II

Miri im Regal

Nach­dem ich vor ein paar Tagen etwas zu den Fil­men und Seri­en geschrie­ben habe, die ich in die­sem Früh­jahr ange­schaut habe, nun zur (digi­tal) gedruck­ten Literatur.

Ich fan­ge „meta“ an – mit zwei Büchern, die sich auf unter­schied­li­chen Enden der Kom­ple­xi­täts­ska­la mit SF als Lite­ra­tur­gen­re aus­ein­an­der­set­zen. Das ist zum einen der im Ori­gi­nal fran­zö­si­sche Comic Die Geschich­te der Sci­ence-Fic­tion (2021) von Xavier Dol­lo und Dji­bril Moris­se­te-Phan. Nett, auch die Idee, Autor*innen und deren erfun­den­de Wel­ten als Teil der Lehr­ge­schich­te auf­tau­chen zu las­sen – aber irgend­wie wur­de mir nicht so ganz klar, an wen sich das rich­tet. Für eine tie­fer­ge­hen­de Aus­ein­an­der­set­zung mit der Geschich­te der SF ist’s dann doch zu ober­fläch­lich, zudem sind sei­ten­lan­ge in Groß­buch­sta­ben ver­fass­te Info­bo­xen eher nicht so pri­ckelnd. Einer gan­zen Rei­he der Buch‑, Film- und Comic­emp­feh­lun­gen, die am Rand des Comics emp­foh­len wer­den, bezie­hen sich auf die fran­zö­si­sche Gen­re­ge­schich­te und sind hier nicht erhält­lich. Wer noch nichts über die Geschich­te der Sci­ence Fic­tion als Gen­re weiß, wird durch die­ses Buch eher ver­wirrt – wer sich schon damit aus­kennt, wird rela­tiv bald unge­dul­dig. Viel­leicht wäre das gan­ze als inter­ak­ti­ve Web­site inter­es­san­ter als als gedruck­tes Buch. 

Am ande­ren Ende der Kom­ple­xi­täts­ska­la liegt Diet­mar Daths Nie­ge­schich­te. Sci­ence Fic­tion als Kunst- und Denk­ma­schi­ne (2019). Auf fast tau­send Sei­ten ent­wi­ckelt Dath – der ja auch selbst Autor im Gen­re ist – eine an Bei­spie­len und bio­gra­fisch-poli­tisch Exkur­sen rei­che Ana­ly­se der Funk­ti­on von Sci­ence Fic­tion, die auch für Genrekenner*innen noch Ent­de­ckun­gen bereit hält. Das ist aller­dings ein Werk, das stu­diert wer­den muss. Ins­be­son­de­re die zugrun­de­lie­gen­de Theo­rie, die im Begriff des alge­bra­ischen „Auf­he­bungs­funk­tors“ und der „Neg­in­duk­ti­on“ mün­det, stellt Grau­brot oder schlim­me­res dar, und muss erst ein­mal durch­dacht wer­den, um die rest­li­chen 900 Sei­ten mit Genuss und Erkennt­nis­ge­winn zu lesen. Deut­lich wird jeden­falls die Ein­bet­tung der SF-Kunst­pro­duk­ti­on in ihre jewei­li­gen gesell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se – und deut­lich wird auch, dass das in Geschich­ten gepack­te Nach­den­ken dar­über, wie der Lauf der Din­ge wäre, eigent­lich nie unpo­li­tisch ist, und trotz­dem nicht ein­fach nur ein Werk­zeug ist, son­dern einen eige­nen lite­ra­ri­schen Anspruch entwickelt.

Soweit zum Lesen von Tex­ten über Sci­ence Fic­tion – jetzt zur SF selbst.

Von dem nige­ria­nisch-bri­ti­schen Autor Tade Thomp­son habe ich Rose­wa­ter (2016) gele­sen – ein gar nicht so ein­fach auf einen Punkt zu brin­gen­der Roman aus den 2050er/20260er Jah­ren. Er spielt weit­ge­hend in Nige­ria, an einem Ort namens Rose­wa­ter, der durch eine gigan­ti­sche, undurch­dring­li­che Kup­pel gekenn­zeich­net ist, die das Ali­en Worm­wood errich­tet hat. Die Haupt­per­son, Kaa­ro, ist/war Spe­zi­al­agent mit psy­chi­schen Fähig­kei­ten – und soll nun her­aus­fin­den, war­um „Sen­si­ti­ve“ wie er plötz­lich erkran­ken und ster­ben. Neben der durch­aus packen­den (und mei­nes Erach­tens gut ver­film­ba­ren) Hand­lung kann der Roman auch als Aus­ein­an­der­set­zung mit Hybri­di­sie­rung und lokaler/globaler Kul­tur in Nige­ria gele­sen werden.

Auf Up against it (2011) von Lau­ra Mixon bin ich gesto­ßen, weil Cory Doc­to­row über die jetzt erschie­ne­ne Neu­auf­la­ge get­wit­tert hat. Und hey – es ist extrem bedau­er­lich, Mixon und ihr Buch erst jetzt ent­deckt zu haben. Mich erin­ner­te das Set­ting etwas an The Expan­se (der ers­te Band davon ist eben­falls 2011 erschie­nen), ins­be­son­de­re mit Blick auf die Kon­flik­te zwi­schen Erde und Astro­iden-Sied­lung, letz­te­re der Ort der Hand­lung. Zugleich ist Mixon eine wür­di­ge Nach­fol­ge­rung der cyber­pun­ki­gen Spiel­art der Space Ope­ra (ich den­ke da an Bruce Ster­lings Schis­ma­trix [das Mixon die Idee eines Viri­di­an Move­ments von ihm über­nom­men hat, spricht für sich und für sie] oder die Welt­raum-Bücher von Micha­el Swan­wick), und auch der eine oder ande­re Bezug zu Snow Crash von Neal Ste­phen­son lie­ße sich her­stel­len. Die inein­an­der ver­schränk­ten Fokus­punk­te, die Mixon benutzt, sind zum einen der Blick von Geoff, einem Teen­ager, der lie­ber (Nano-)Dinge zusam­men­hackt, als etwas sinn­vol­les zu tun, und der der Admi­nis­tra­to­rin Jane, die das Wohl­erge­hen der gan­zen Kolo­nie vor Augen hat, und gleich­zei­tig in Macht­spie­len gefan­gen ist. Geoffs Bru­der kommt ums Leben – was erst wie ein Unfall aus­sieht, ist ein Mord – und nur der Beginn einer Ent­wick­lung, die ganz Pho­caea in Gefahr brin­gen kann. Mir hat’s sehr gut gefallen.

Eben­falls Space Ope­ra, aber ganz anders gear­tet, sind eini­ge der Kurz­ge­schich­ten und Novel­len von Ali­et­te de Bodard, die ich erst jetzt für mich ent­deckt habe. Wäh­rend ich mit der Urban Fan­ta­sy Of Dra­gons, Feasts and Mur­ders (2020) nicht viel anfan­gen konn­te, viel­leicht auch, weil ich mich in die S/M‑Beziehung zwi­schen den bei­den Haupt­per­so­nen nicht so rich­tig ein­füh­len konn­te, bin ich an ihren Xuya-Uni­ver­se-Geschich­ten hän­gen geblie­ben. Im ein­zel­nen sind das die Novel­len On a Red Sta­ti­on, Drif­ting [2012], The Cita­del of Wee­ping Pearls [2015], The Tea Mas­ter and the Detec­ti­ve [2018] und Seven of Infi­ni­ties [2020] sowie diver­se Kurz­ge­schich­ten. Die gemein­sa­me Welt (zum Teil tau­chen auch Per­so­nen aus der einen Novel­le im Hin­ter­grund der ande­ren auf) ist ein viet­na­me­sisch gepräg­tes Welt­raum­im­pe­ri­um. Wer­te wie die Ach­tung der Fami­lie und eine strik­te Hier­ar­chie zie­hen sich hier eben­so durch wie AIs, die auf Har­mo­nie­leh­ren auf­bau­en, über­licht­schnel­le Schif­fe steu­ern und Raum­sta­tio­nen kon­trol­lie­ren oder Memo­ry­chips, die den Rat der ver­stor­be­nen Älte­ren immer parat hal­ten – kom­bi­niert mit quee­ren Roman­zen, Kri­mi­nal­fäl­len und Sozi­al­stu­di­en. Eine lesens­wer­te und zu recht mehr­fach preis­ge­krön­te Mischung.

Adri­an Tchai­kovs­kys Elder Race (2021) wirkt erst ein­mal wie Fan­ta­sy – es gibt eine Köni­gin und mit­ein­an­der im Krieg lie­gen­de König­rei­che, es gibt Gerüch­te über Magie und dunk­le Dämo­nen, und auf dem Berg in einem Turm lebt ein Zau­be­rer. Rela­tiv bald ist klar, dass der ein Anthro­po­lo­ge ist (des­we­gen auch die Ver­glei­che mit Le Guin in den Buch­be­spre­chun­gen; ganz die­sen Sta­tus erreicht das Buch mei­ner Mei­nung nach aber nicht), dass es hier um eine ver­ges­se­ne Kolo­nie geht, und dass das, was wie Magie aus­sieht, eigent­lich Tech­no­lo­gie ist. Inter­es­sant wird das Buch durch die dop­pel­te Per­spek­ti­ve – mit Lynes­se sind wir in einem Aben­teu­er­ro­man, mit Nyr in einer Lost-Colo­ny-Geschich­te, und das wech­selt von Kapi­tel zu Kapi­tel, bis die Per­spek­ti­ven begin­nen, sich zu schneiden.

Defi­ni­tiv kei­ne Sci­ence Fic­tion ist dage­gen Fran­ce­s­ca Mays Wild and Wicked Things (2022) – Eng­land nach dem ers­ten Welt­krieg, es gibt Magie, die aller­dings nach dem Ein­satz im Krieg ver­bo­ten und ver­pönt ist. Annie Mason kommt nach Crow Island, um das Erbe ihres Vaters anzu­tre­ten und den Kon­takt zu ihrer Freun­din Bea­tri­ce wie­der her­zu­stel­len. Es gibt Gerüch­te dar­über, dass Magie auf Crow Island gelebt wird – ins­be­son­de­re die Par­tys im Delacroix-Haus sind berüch­tigt. Annie fühlt sich zu Emmel­ine Delacroix hin­ge­zo­gen – und gerät immer tie­fer in die Welt der Magie, die ihre Kos­ten hat. Das Buch ist fes­selnd geschrie­ben und bringt das Zeit­ge­fühl die­ser Zwi­schen­kriegs­zeit sehr gut rüber; in gewis­ser Wei­se muss­te ich daher beim Lesen an Vogts Anar­chie Déco den­ken – bei­den Büchern gemein­sam ist die unge­fäh­re Epo­che, eine que­e­re Lie­bes­ge­schich­te und eben eine Alter­na­tiv­welt­ge­schich­te, in der es Magie gibt – aber so rich­tig leben­dig wird all das für mich bei May und nicht bei den Vogts. 

Nicht wirk­lich emp­feh­len möch­te ich am Schluss Kame­ron Hur­leys Empire Ascen­dant (2015), den zwei­ten Teil ihrer World­brea­k­er-Geschich­te. Ich muss­te mich eher durch­ar­bei­ten, die Viel­zahl an Per­spek­ti­ven mit jeweils unter­schied­li­chen Kon­ven­tio­nen lässt den Über­blick schnell ver­mis­sen. Wer epi­sche Fan­ta­sy – hier ver­mischt mit Par­al­lel­wel­ten – mag, wird eini­ges an Empire Ascen­dant span­nend fin­den, mir war das zu voll­ge­packt, und teil­wei­se auch zu grau­sam. Band 2 gele­sen habe ich vor allem, weil ich am Schluss von Band 1 wis­sen woll­te, wie es wei­ter­geht.. Teil 3 wer­de ich aber erst mal nicht lesen.