Pass auf, was du dir wünscht. Politische Netzkommunikation und die Verteidigung der Gegenöffentlichkeit

1960s wallpaper II

Pass auf, was du dir wünscht. Neben diver­sen direkt­de­mo­kra­ti­schen Uto­pien des Alle-stim­men-jeder­zeit-über-alles-ab gehör­te zu den Pro­jek­tio­nen, die Ende der 1990er Jah­re auf das damals frisch aus dem Ei geschlüpf­te „World Wide Web“ gewor­fen wur­den, auch die Idee, dass es sich hier­bei um das ers­te demo­kra­ti­sche Mas­sen­me­di­um han­deln könnte. 

Jede und jeder wür­de sei­ne eige­ne Sei­te ins Netz stel­len kön­nen. Es wür­de direk­te, nie­der­schwel­li­ge Rück­ka­nä­le geben, so dass eine Kom­mu­ni­ka­ti­on ohne insti­tu­tio­nel­le Hür­den mög­lich wäre. Jour­na­lis­ti­sche Gate­kee­per wür­den ihren Job ver­lie­ren, weil sie in Zei­ten der direk­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on nicht mehr gebraucht wür­den. Die Zei­tung wür­de täg­lich per­so­na­li­siert aus­ge­lie­fert wer­den. Idea­ler­wei­se wür­de alles direkt kom­men­tier­bar wer­den, jede Web­site zum Ort des gesell­schaft­li­chen Dis­kur­ses wer­den. Und selbst­ver­ständ­lich wür­de nur noch die Kraft der Argu­men­te ohne Anse­hen der Per­son zäh­len. Schließ­lich wäre alles sofort über­prüf­bar. Vor­ur­tei­le wür­den in der text­ba­sier­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on ausgeblendet. 

So wur­de das „damals“ gedacht.

Es kam genau­so, und doch anders, und wahr­schein­lich hät­ten schon die Fla­me­wars und Dis­kus­si­ons­kul­tu­ren im Use­net, in Chat­rooms und in Mail­box­fo­ren als Vor­zei­chen dafür gese­hen wer­den müs­sen. Trol­le, Fla­mes, anony­me Belei­di­gun­gen und hate speech, ja selbst Dis­kus­sio­nen dar­über, wie mit „Bots“ umzu­ge­hen ist – all das sind kei­ne neu­en Phä­no­me­ne, son­dern Stan­dard­mo­ti­ve der Netzethnographie.

Für die jün­ge­ren Leser*innen: vor dem World Wide Web fand Netz­kom­mu­ni­ka­ti­on zu einem gro­ßen Teil im Use­net (und ähn­lich in Mail­box­sys­te­men) statt, einer Rei­he per Mail bedien­ba­rer, the­ma­tisch sor­tier­ter Dis­kus­si­ons­fo­ren. Für die his­to­risch Inter­es­sier­ten bie­tet das WZB-Pro­jekt Kul­tur­raum Inter­net hier eine Viel­zahl von Fund­stel­len aus einer längst ver­gra­be­nen Vergangenheit.

Und heu­te?

„Pass auf, was du dir wünscht. Poli­ti­sche Netz­kom­mu­ni­ka­ti­on und die Ver­tei­di­gung der Gegen­öf­fent­lich­keit“ weiterlesen

Kurz: Urwahl – das Ergebnis ist da

Eigent­lich habe ich kei­ne Zeit, wir sind gera­de mit­ten in den Haus­halts­ver­hand­lun­gen, aber trotz­dem muss ich doch drei Punk­te zur Urwahl loswerden.

tw2017urwahltippErs­tens, aus doku­men­ta­ri­schen Grün­den, noch­mal das Ergeb­nis: Kat­rin Göring-Eckardt erhielt 23.967 Stim­men (70,6% der 33.935 gül­ti­gen Stimm­zet­tel), Cem Özd­emir wur­de mit 12.204 Stim­men (36,0%) gewählt, ganz knapp vor Robert Habeck, auf den 12.129 Stim­men (35,7%) ent­fie­len. Anton Hof­rei­ter bekam 8.886 Stim­men (26,2%). Ent­hal­tung: 59, Nein: 249. Wahl­be­tei­li­gung: 59 Pro­zent. Die­se Ergeb­nis ent­spricht in etwa mei­nen Erwar­tun­gen. Ich hat­te 36 Pro­zent für Cem, 31 Pro­zent für Robert und 30 Pro­zent für Toni getippt. Die Rei­hen­fol­ge stimmt, und auch das alle recht nah bei­ein­an­der lie­gen, hat­te ich erwar­tet. Dass der Abstand zwi­schen Cem und Robert so knapp aus­fal­len wür­de, war dage­gen nicht nur für mich überraschend.

Zwei­tens: Das Ver­fah­ren für die Urwahl hat zwar Tücken – und wer weiß, was her­aus­ge­kom­men wäre, wenn wir eine inte­grier­te Stich­wahl oder ein Prä­fe­renz­wahl­ver­fah­ren ver­wen­det hät­ten. Mög­li­cher­wei­se wären dann in der Zweit­aus­zäh­lung Stim­men von Toni zu Robert gewan­dert und die Plät­ze 1 und 2 hät­ten sich gedreht. Aber das ist Kon­junk­tiv. Das Ver­fah­ren wur­de so beschlos­sen, wie es ein­ge­setzt wur­de, und das Ergeb­nis gilt jetzt. Poli­tisch inter­pre­tiert haben Kat­rin und Cem jetzt den Auf­trag, uns in die Bun­des­tags­wahl 2017 zu füh­ren. Mit unse­rer Unter­stüt­zung sol­len sie die­se Her­aus­for­de­rung jetzt ange­hen, und vor­ne ste­hen – und dabei natür­lich auch poli­ti­sche Akzen­te set­zen, sonst wäre eine Urwahl sinn­los. Wir brau­chen jetzt vor allem eines: Geschlos­sen­heit! (Und dar­über, wie das Ver­fah­ren 2021 aus­sieht, reden wir recht­zei­tig vorher).

Drit­tens sehe ich bei allen Wei­chen­stel­lun­gen in der brei­ten Streu­ung der Stim­men über Cem, Robert und Toni auch einen Hin­weis dar­auf, wie unter­schied­lich Tei­le der Par­tei auf­ge­stellt sind. 36 Pro­zent für Cem sind kein Frei­fahr­schein für „Kret­sch­mann pur“, und auch nur begrenzt ein Indi­ka­tor für die Stär­ke der ein­zel­nen Strö­mun­gen. Gera­de bei Robert bin ich mir sehr sicher, dass er nicht nur von Rea­los, son­dern auch von vie­len Lin­ken und erst recht von vie­len, vie­len „unge­bun­de­nen“ Mit­glie­dern gewählt wur­de. Und ich bin mir eben­falls sicher, dass vie­le ihre Ent­schei­dung nicht von Inhal­ten, son­dern von Fak­to­ren wie „Medi­en­taug­lich­keit“ abhän­gig gemacht haben. Ich wür­de mir daher wün­schen, dass Cem und Kat­rin sich gut über­le­gen, wie sie es schaf­fen, mit kla­rem Pro­fil und gleich­zei­tig gemein­sam mit der brei­ten und viel­fäl­ti­gen Par­tei­ba­sis einen guten Wahl­kampf zu machen. Last but not least wür­de ich mich freu­en, wenn Robert die­se Abstim­mung als Zei­chen dafür nimmt, dass er nicht nur in Schles­wig-Hol­stein gebraucht wird.

Photo of the week: Winter forest II

Winter forest II

 
Manch­mal braucht es knal­lig-oran­ge­far­be­ne Warn­schil­der, um ein biss­chen Far­be in den Win­ter­wald zu brin­gen. Das Bild ist zwar schon ein paar Tage alt, heu­te sieht’s aber noch­mal genau­so aus.

Kurz: Gib mir nur ein Wort

2017 hoffnung

Manch­mal hilft es, Din­ge maxi­mal zu mini­mie­ren, um eine Aus­sa­ge über deren Kern zu fin­den. Bei­spiels­wei­se pla­ka­tier­te die FDP auf ihrem Drei­kö­nigs­tref­fen „Du“ (und mein­te damit „Ich“). Die SPD warb vor eini­gen Jah­ren mit „Wir“. Und 2011 war der grü­ne Slo­gan in Baden-Würt­tem­berg ein so schlich­tes wie pas­sen­des „Jetzt!“.

In die­sem Sinn über­leg­te ich vor eini­gen Tagen, wel­ches Wort im Kon­text der anste­hen­den Bun­des­tags­wahl Bünd­nis 90/Die Grü­nen auf einen Punkt brin­gen könn­te. Also ein Wort, dass das Wesen der heu­ti­gen Grü­nen mög­lichst genau beschreibt. Ich kam auf „Hoff­nung“ – aber viel­leicht geht es ja noch präziser.

Photo of the week: Silvester II

Silvester II

 
Ja, ich weiß: Fein­staub, erschreck­te Haus­tie­re, unnö­tig aus­ge­ge­be­nes Geld usw. – trotz­dem ein­drucks­voll. Und manch­mal sieht auch ein Vor-der-Haus­tür-Feu­er­werk wie ein inter­stel­la­rer Nebel aus.