Ich war ja letztes Wochenende mal „touristisch“ in Berlin, und habe neben Bildern von Graffiti und Baustellen auch ein paar sehr touristische Fotos gemacht. Das hier zum Beispiel. Wo’s doch so schön sonnig war. Und überhaupt.
Kurz: Sonderbares Berlin
Berlin ist ja so ein bisschen eine hassgeliebte Stadt von mir. Vielleicht ist sie auch zu groß, um sie ganz zu greifen. Facetten blitzern auf und verschwinden wieder: das politisch-mediale Berlin in seiner inzestuösen Abschottung, das Touri-Berlin in verschiedenen Altersklassen, das Szene-Berlin (früher autonom, jetzt Hipster, aber immer uniform und konform). Und dazwischen ab und an auch etwas sehr Rauhes (in den Geschmacksrichtungen Ost und West).
Ich bin immer mal wieder in Berlin, meist politisch, manchmal auch privat, wie dieses Wochenende (ein paar Fotos). Klar sind es immer nur Ausschnitte, die ich da zu sehen kriege. Aber zusammen ergeben sie dann doch ein Gesamtbild.
Heute habe ich mir die Ausstellung West:Berlin angeschaut. Durchaus lohneswert – und lehrreich, was die Geschichte der bis heute durchschimmernden Exzeptionalität angeht. Inselstatus als Festung des freien Westens im Osten, Inselstatus als Rückzugsort und selbstgewähltes Gefängnis/Lautsprecher einer linksalternativen Bewegung. Beides hat eigene Praxen, Mythen und Identitätsbruchstücke generiert, die – so meine ich – in verschobener und verzerrter Form bis heute fortwirken, und erklären, warum in Berlin (im Guten wie im Bösen) manche Dinge anders laufen. Dahinziehen wollte ich nicht – interessant ist es allemal.
Photo of the week: Sunflower spider II
Schottland bleibt abhängig, die Wahlen in Thüringen, Brandenburg und Schweden sind ausgegangen, heute auch die aus grüner Sicht deutlich erfreulicheren in Vorarlberg, die Piratenpartei explodiert in einem furiosen Finale, und beim grünen Freiheitskongress (siehe auch hier) ritt ein Cowgirl über die karge Steppe. Und bei mir fast eine Woche Berlin, mit Fraktionsklausur und eben diesem Kongress.
Ach ja, und dann war da noch der „Asylkompromiss“. Über den ich eigentlich ausführlicher schreiben müsste. Dazu habe ich gerade keine Zeit, weswegen ich mein „Photo of the week“ nutze, um wenigstens ein paar Gedanken loszuwerden.
Das Habeck-Interview dazu fand ich gar nicht schlecht. Hinweisen möchte ich auch auf die Info des Landesverbands, inkl. Resolution und Brief des MP, auf die Positionierung der Landtagsfraktion sowie auf die persönliche Stellungnahme von Daniel Lede Abal MdL. Und was sage ich dazu?
Ich finde die Entscheidung sehr schwierig, in der Abwägung aber die Zustimmung Baden-Württembergs letztlich falsch. Die Weichen dafür wurden jedoch nicht vorgestern, sondern vor einigen Wochen mit der Aufnahme von Verhandlungen gestellt – wer Verhandlungen anfängt, muss diese auch bis zum möglichen Ende denken. (Und gegebenenfalls beizeiten über Krisenmanagement nachdenken – ja, liebe Bundestagsfraktion, liebe Bundespartei, damit seid durchaus ihr gemeint).
Jetzt ist die Entscheidung gefallen, damit hat sich die Situation verändert, aber nicht die grüne Grundhaltung. Damit muss die Partei umgehen. Wie, wird in den nächsten Wochen und auf den nächsten Parteitagen Thema sein. Ich sehe vor allem, dass mit dieser Entscheidung für uns Grüne die Pflicht einhergeht, sich intensiv auf allen Ebenen für eine Verbesserung des Asylrechts einzusetzen, und dass wir mit der Zustimmung, die Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsländer anzuerkennen, auch eine Verpflichtung eingehen, uns um die Lebenssituation der Roma und Sinti dort (und hier) zu kümmern. Und darauf zu pochen, dass die versprochenen Verbesserungen bei der Residenzpflicht und dem Zugang zum Arbeitsmarkt jetzt auch tatsächlich kommen.
Kurz von der Social Media Consumption Messe
Vielleicht war es dieser Moment, als unter dem Logo von Daimler über Marx und die kritische Netzbewegung diskutiert wurde. Oder eines der Gespräche am Rand der Konferenz. Jedenfalls hat diese Schizophrenie – gesponserte Kapitalismuskritik, das Klassentreffen der BloggerInnen und die gleichzeitig stattfindende Marketingmesse der Social Media ManagerInnen, freies Netz featuring Windows 8 – etwas mit dem Unwohlsein zu tun, das meinen re:publica-Besuch begleitet. Die Welt kommt nach Berlin, und mit der richtigen Mischung aus Startup-Funding, Rant und Revolution klappt das schon, ist die latente Botschaft hinter der hell ins Licht strebenden Inszenierung.
Seid optimistisch! Lernt Euphorie! Lebt das Projekt! Gründet Guru-Gemeinden!
Nicht mein Ding. Meine allergische Reaktion ist Missmut und eine gesteigerte Sensibilität. Entsprechend motzig ist bisher meine Twitter-Begleitung der Konferenz ausgefallen. Das ist nicht persönlich gemeint. Mir fehlt einfach das, was ich an sozialen Medien mag: Die Leichtigkeit der Kommunikation. Das Zusammenbringen unterschiedlicher Sphären. Medienproduktion als Austausch und Feedback-Zirkel. Statt dessen: Passiver Konsum. Auf Berieselung ausgerichtete Formate. Kennenlernen nur der schon Bekannten. Selbstbestätigung der Gemeinde statt produktiver Provokation, aus der Neues entsteht. Mir fehlt da was.
Warum ich nicht zum Linkentreffen fahre
Morgen findet der zweite Kongress von grün.links.denken statt. Beim letzten war ich, und war durchaus angetan. Beim diesjährigen kann ich leider nicht in Berlin dabei sein, weil morgen in Heidelberg die Veranstaltung zu grüner Forschungspolitik zwischen Freiheit und Verantwortung der LAG Hochschule BaWü stattfindet (Programm hier).
Da musste ich mich zwischen zwei spannenden Veranstaltungen entscheiden, und habe mich für Heidelberg (und gegen Berlin, und gegen urban gardening im Rieselfeld) entschieden.
Auch Jörg Rupp fährt nicht zum Linkentreffen. Ich finde es schade, dass er das damit begründet, was ihm alles an grün.links.denken nicht gefällt. Ich selbst erlebe grün.links.denken als stärker inhaltlich akzentuierte, stärker als Ideenwerkstatt und Diskussionsort ausgeformte Ergänzung im linken Spektrum meiner Partei, offener und weniger als Hinterzimmergeklüngel gestaltet als andere Ausformungen dieses Flügels. Ich finde es genau deshalb wichtig, dass es grün.links.denken gibt.
P.S.: Ich würde beim grün.links.denken-Kongress auch nicht von dem „Linkentreffen“ sprechen.