Zwei Väter aufs Podest gestellt – und der Rest?

Playhouse for R.

Die Groß­bä­cke­rei „Mes­tem­a­cher“ ver­gibt seit elf Jah­ren einen Preis „Spit­zen­va­ter des Jah­res“ um geleb­te part­ner­schaft­li­che Fami­li­en­mo­del­le zu wür­di­gen. Klingt erst ein­mal gut, ärgert mich aber. Und zwar auf­grund einer ein­fa­chen Rechenaufgabe:

Laut Mikro­zen­sus 2014 gibt es deutsch­land­weit der­zeit rd. 8 Mio. Haus­hal­te, in denen min­der­jäh­ri­ge Kin­der leben (und rd. 32 Mio. Haus­hal­te ohne min­der­jäh­ri­ge Kin­der im Haus­halt). Die­se Haus­hal­te mit Kin­dern ver­tei­len sich nach Fami­li­en­mo­dell wie folgt: 69 Pro­zent sind Ehe­paa­re, 10 Pro­zent sind (über­wie­gend nicht­ehe­li­che) Lebens­ge­mein­schaf­ten und 20 Pro­zent sind Allein­er­zie­hen­de. Mal unge­ach­tet der Fra­ge, wie Fami­li­en­mo­del­le, bei denen sich Kin­der über meh­re­re Haus­hal­te erstre­cken, hier mit­ge­zählt wer­den, heißt das kon­kret: 1.459.000 allein­er­zie­hen­de Frau­en und 180.000 allein­er­zie­hen­de Männer. 

Das Anfor­de­rungs­pro­fil, nach dem „Mes­tem­a­cher“ sei­ne Spit­zen­vä­ter aus­wählt, ist klar defi­niert: Die aus­ge­wähl­ten Män­ner müs­sen „aus inner­li­cher Über­zeu­gung“ die „Zwei­er­nä­her­fa­mi­lie“ ermög­li­chen, und sie wir­ken „situa­ti­ons­be­dingt mit bei der Kleinst‑, Klein- und Schul­kin­der­be­treu­ung und deren alters­ge­mä­ßer För­de­rung“ – eben­falls „aus inner­li­cher Über­zeu­gung“. Dafür gibt es dann für zwei Män­ner pro Jahr jeweils einen Preis von 5000 Euro.

Jetzt lässt sich sicher­lich dar­über strei­ten, wie vie­le der 180.000 allein­er­zie­hen­der Män­ner sich aus inner­li­cher Über­zeu­gung an der Kin­der­be­treu­ung und deren alters­ge­mä­ßer För­de­rung betei­li­gen, und wie vie­le es halt machen, weil es nicht anders geht. Neh­men wir mal an, dass das nur auf fünf Pro­zent zutrifft. Neh­men wir wei­ter an, dass 0,5 Pro­zent der Väter – also einer von 200 – in Ehen und Lebens­ge­mein­schaf­ten eben­falls eine 50:50-Rollenverteilung leben und davon „inner­lich über­zeugt sind“. Als gegrif­fe­ne, aber zunächst mal plau­si­bel erschei­nen­de Zah­len, als Unter­gren­ze. Dann sind das 9.000 allein­er­zie­hen­de Män­ner und 16.000 part­ner­schaft­li­che Väter. Bis all die­se Spit­zen­vä­ter ein­mal geehrt wor­den sind, ver­ge­hen also 12.500 Jah­re (und dabei ist noch nicht berück­sich­tigt, dass wir es hier ja mit dyna­mi­schen Zah­len zu tun haben, also Jahr für Jahr neue Väter dazukommen).

Das heißt, anders­her­um: jedes­mal, wenn da zwei Spit­zen­vä­ter aus­ge­zeich­net wer­den, wer­den meh­re­re tau­send Väter nicht aus­ge­zeich­net, obwohl sie eben­falls gut in das Aus­schrei­bungs­pro­fil pas­sen wür­den. Das allein macht schon deut­lich, dass die­ser Preis so sin­nig nicht sein kann.

Dahin­ter steht, dass hier letzt­lich etwas belohnt wird, was kei­ne beson­de­re Leis­tung dar­stellt (bzw. genau­er: eigent­lich kei­ne beson­de­re Leis­tung dar­stel­len soll­te). Das, was hier preis­wür­dig erscheint, wird von Frau­en nach wie vor als völ­lig selbst­ver­ständ­lich erwar­tet. Oder wür­de jemand einen Preis für Spit­zen­müt­ter aus­lo­ben wol­len, der sich dadurch aus­zeich­net, dass die­se sich inner­lich über­zeugt an der Kin­der­be­treu­ung betei­li­gen und es zugleich ermög­li­chen, dass auch die jewei­li­gen Män­ner (in Voll­zeit) arbei­ten gehen, und nicht nur sie selbst? Und wie vie­le hun­der­tau­send Frau­en müss­ten die­sen Preis dann jähr­lich erhalten?

Der Spit­zen­vä­ter­preis wer­tet also ab, indem er das, was eigent­lich selbst­ver­ständ­lich sein soll­te, als preis­wür­di­ge Aus­nah­me ins Ram­pen­licht rückt. Inso­fern sehe ich ihn auf dem Weg vom „eigent­lich selbst­ver­ständ­lich“ zum „tat­säch­lich selbst­ver­ständ­lich“ eher als kon­tra­pro­duk­tiv an. Gesell­schaft­li­che Aner­ken­nung wird nicht durch einen ein­mal im Jahr ver­ge­be­nen Preis pro­du­ziert – hier müss­ten viel mehr die arbeits­zeit­po­li­ti­schen und sozi­al­po­li­ti­schen Struk­tu­ren der Gesell­schaft noch sehr viel stär­ker poli­tisch bear­bei­tet wer­den, als dies bis­her der Fall ist. Das fängt beim Steu­er­recht an und hört bei der Mög­lich­keit, Eltern­zeit ein­sei­tig oder stark asym­me­trisch zu neh­men, nicht auf. Es geht nicht um Lob für schein­ba­re Aus­nah­me­erschei­nun­gen, son­dern dar­um, eine gerech­te Ver­tei­lung von Arbeit all­ge­mein hinzukriegen.

War­um blog­ge ich das? Weil ich mir erst ein­mal über­le­gen muss­te, woher mei­ne spon­ta­ne Reak­ti­on – ein kon­tra­pro­duk­ti­ver Preis!, kein Neid, son­dern eher Fremd­scham – eigent­lich kommt.

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