Versuch, die Haltung der CDU BW zur AfD nachzuvollziehen

Die CDU BW hat jetzt ja laut­stark die AfD zum Haupt­geg­ner erklärt. Die dpa berich­tet dazu u.a. mit die­sem Text:

„Die AfD has­se alles, was die Christ­de­mo­kra­ten an die­sem Land lieb­ten. Hagel sag­te, im Umgang mit den Rechts­po­pu­lis­ten habe man es sich viel­leicht in den letz­ten Jah­ren etwas zu bequem gemacht. Man habe geglaubt, man kön­ne die AfD schla­gen, indem man sie Igno­rie­re, aus­gren­ze oder Lich­ter­ket­ten veranstalte.“

Ich habe mal über­legt, war­um die CDU das tut. Und das hat ver­schie­de­ne Facet­ten, und bis auf die ers­te ist kei­ne davon so rich­tig schön:

1. Ich neh­me Hagel & Co. ab, dass sie die AfD und deren Poli­tik scheuß­lich fin­den und sich davon abgren­zen wol­len. Aber:

2. In einem Zwei­kampf CDU/Hagel vs. Grüne/Özdemir bie­tet es sich aus CDU-Sicht an, mög­lichst wenig über Grü­ne zu spre­chen. Dann lie­ber über die AfD. Im Ide­al­fall aus CDU-Sicht läuft das dann auf eine Zuspit­zung CDU vs. AfD zu, wie es im Osten bei eini­gen der letz­ten Wah­len zu beob­ach­ten war. Alle ande­ren wer­den mar­gi­na­li­siert. (Dabei ist und bleibt die AfD ein Schein­rie­se ohne Machtoption).

3. In den Umfra­gen ist die CDU – mit 29%, einem für Baden-Würt­tem­berg eher schlech­ten Wert … – aktu­ell die stärks­te Kraft. Wenn sie das blei­ben will, muss sie einer­seits die Abwan­de­rung poten­zi­el­ler Wähler*innen zu Grün ver­hin­dern (sie­he 2.) und ande­rer­seits Wähler*innen zurück­ge­win­nen, die zur AfD gegan­gen sind.

4. Das gilt für die aus CDU-Sicht ver­lo­ren gegan­gen Direkt­man­da­te umso mehr. Böse gesagt: eini­ge der grü­nen Direkt­man­da­te sind zustan­de gekom­men, weil zu vie­le von der CDU zur AfD gewech­selt sind, und dann 25 Pro­zent aus­ge­reicht haben, um das Man­dat zu erringen.

5. Inhalt­lich gibt es lei­der durch­aus Über­schnei­dun­gen zwi­schen CDU und AfD, zumin­dest in Tei­len der CDU. So erklärt sich auch die Rhe­to­rik im Zitat oben. Statt „Lich­ter­ket­ten“ oder Aus­gren­zen hel­fen nur inhalt­li­che Ange­bo­te an AfD-Wähler*innen. (Das ist empi­risch falsch, aber nach­voll­zieh­bar: es geht der CDU BW bei „AfD als Haupt­geg­ner“ nicht um die grund­sätz­li­che Ableh­nung der AfD, son­dern um die Rück­ge­win­nung von Wähler*innen. Des­we­gen wird har­te anti­fa­schis­ti­sche Kri­tik bis hin zu Brand­mau­er etc. eher kleingeredet/verurteilt – zudem fühlt sich die CDU hier, teil­wei­se zu Unrecht, teil­wei­se aber lei­der auch zu recht, mit­ge­meint, wenn aus anti­fa­schis­ti­scher Per­spek­ti­ve zu Demos auf­ge­ru­fen wird).

6. Aktu­ell ver­hin­dert eine star­ke AfD rechts-kon­ser­va­ti­ve Mehr­hei­ten im Par­la­ment (solan­ge nie­mand mit der AfD koaliert) und führt so zur Not­wen­dig­keit lager­über­grei­fen­der Koali­tio­nen der demo­kra­ti­schen Par­tei­en. Das ist aus CDU-Sicht unbe­frie­di­gend, weil immer mit unschö­nen Kom­pro­mis­sen ver­bun­den. Sie­he Ren­ten­de­bat­te im Bun­des­tag gera­de. Damit erge­ben sich, wenn ich die CDU-Per­spek­ti­ve ein­neh­me, zwei stra­te­gi­sche Optio­nen – über die in der Uni­on wohl gera­de zumin­dest unter­schwel­lig die Aus­ein­an­der­set­zun­gen laufen:

Lösung 1: Wähler*innen der AfD zurück zur CDU holen und damit Mehr­hei­ten rechts der Mit­te (oder zumin­dest mit sehr star­ker CDU) ermöglichen. 

Lösung 2: Per­spek­ti­visch auf einen Zeit­punkt hin­ar­bei­ten, bei dem eine „gezähm­te“ AfD koali­ti­ons­fä­hig ist – also letzt­lich Nor­ma­li­sie­rung der AfD.

Zumin­dest rhe­to­risch ver­trägt sich die Vari­an­te 2 nicht mit der rhe­to­ri­schen Abgren­zung zum „Haupt­geg­ner“. Aller­dings gelingt Abgren­zung nur, wenn weder die Türen zu wech­sel­wil­li­gen AfD-Wähler*innen noch zum Rechts­au­ßen-Rand der Uni­on zuge­schla­gen werden. 

Soweit mein Ver­such, nach­zu­voll­zie­hen, was die CDU da tut – und damit zurück zur grü­nen Per­spek­ti­ve auf die Land­tags­wahl 2026. Schließ­lich gibt es einen erfah­re­nen und kom­pe­ten­ten Kan­di­da­ten, der durch­aus auch für „bür­ger­li­che“ Wähler*innen attrak­tiv sein könn­te – und der heißt Cem Özdemir.

Das Dilemma der Konservativen

Foggy morning, Esslingen - VII

Klar stärks­te Par­tei in den Umfra­gen, inner­par­tei­lich halb­wegs geschlos­sen, in der Regie­rung in x Bun­des­län­dern, im Bund in har­ter Abgren­zung zur Bun­des­re­gie­rung „Oppo­si­ti­ons­füh­rer“ … eigent­lich müss­te die CDU vor Kraft kaum lau­fen kön­nen. Für die CSU gilt das erst recht, aber da ist’s immer so, inso­fern, blei­ben wir mal bei der CDU. Denn trotz die­ser Lage erweckt die CDU bei mir eher den Ein­druck, dass sie gera­de nicht so rich­tig weiß, in wel­che Rich­tung sie eigent­lich gehen will. Des­we­gen bin ich über­zeugt davon, dass die­ser Höhen­flug nicht von Dau­er sein wird.

Das fängt bei den Koali­ti­ons­op­tio­nen an. In eini­gen Län­dern gibt es erfolg­rei­che Koali­tio­nen zwi­schen CDU und Grü­nen (und ja, ich wür­de nicht nur Schles­wig-Hol­stein und NRW dazu zäh­len, son­dern auch Baden-Würt­tem­berg). Trotz­dem scheint die wich­tigs­te Fra­ge zu sein, sich nur ja von einem ver­meint­li­chen grü­nen Zeit­geist abzu­gren­zen. Und dazu gehört es dann auch – Stich­wort Kret­schmer – den Ein­druck zu erwe­cken, auf kei­nen Fall mit Grü­nen koalie­ren zu wol­len. Oder – sie­he Hes­sen, sie­he Ber­lin – mit faden­schei­ni­gen Begrün­dun­gen auf jeden Fall mit der SPD zu koalie­ren, Kos­ten egal.

In gewis­ser Wei­se ist die Geräusch­lo­sig­keit der Zusam­men­ar­beit in NRW und Schles­wig-Hol­stein (und ja, auch in Baden-Würt­tem­berg) für die CDU ein Pro­blem. Jeden­falls dann, wenn die The­se stimmt, dass ein erheb­li­cher Teil der Wähler*innen sol­che „in der Mit­te“ sind, auf die bei­de abzie­len. Mit­te stell‘ ich mir hier sozio­de­mo­gra­fisch vor, also höhe­re Bil­dung, geho­be­nes Ein­kom­men, aber nicht Ober­schicht. Das, was mal „bür­ger­lich“ hieß. In der Wunschwelt der Kon­ser­va­ti­ven wählt die­ses Milieu CDU und denkt über­haupt nicht dar­über nach, anders zu wäh­len. Des­we­gen steckt die Uni­on so viel Ener­gie dar­ein, Grü­ne als Haupt­geg­ner zu brand­mar­ken und – gegen jede Fak­ten­la­ge – zu behaup­ten, dass eine poli­ti­sche grü­ne Hal­tung und eine bür­ger­li­che Milieu­ver­an­ke­rung nicht zusam­men passen.

Ruhig und unauf­ge­regt als CDU mit Grü­nen zusam­men zu regie­ren, macht eine sol­che Erzäh­lung dann halt ziem­lich unglaubwürdig.

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