In der gedruckten taz, die ich heute in der Straßenbahn gelesen habe, stand noch, dass das neue schwedische Überwachungsgesetz erstmal überraschend in den Ausschuss verwiesen wurde, bei netzpolitik.org und in der Online-Ausgabe der taz ist dann schon zu lesen, dass ebenso überraschend heute morgen doch noch dem Gesetz zugestimmt wurde.
Damit darf der schwedische Auslandsgeheimdienst sämtliche elektronische Kommunikationsmedien überwachen, die Schwedens Grenzen überqueren – nicht nur in Bezug auf Verbindungsdaten, sondern auch inhaltlich. Und bekommt dafür extra einen zweiten Superrechner. Technologisch erinnert mich das sehr an die Zensur-Zentralen Chinas etc. – selbst eMails zwischen schwedischen BürgerInnen werden zur Auslandskommunikation, sobald einer der beiden beteiligten Server im Ausland steht (Google-Mail, Yahoo, Hotmail, Gmx, …).
So weit, so schlecht. Das ganze kann zwar Motivation dafür sein, hierzulande noch etwas überzeugter gegen entsprechende Schäuble-Befugnisse anzugehen. Wenn Schweden jedoch dem Ruf des progressiven Skandinaviens gerecht werden will, bleiben dem Land eigentlich nur zwei Wege. Entweder wird das Gesetz zurückgenommen (freiwillig, oder über den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, wo es wohl Klagen geben soll) – oder das Gesetz wird so ergänzt, dass alle BürgerInnen des Landes Zugriff auf diese Überwachungsdaten bekommen. Dann wären wir bei David Brins „Transparent Society“ (oder auf dem Weg dahin). Ob ich das dann gut fände, weiss ich nicht – es wäre aber zumindest der logisch nächste Schritt in Richtung einer post-privaten Gesellschaft und würde zur bisherigen Positionierung Schwedens in diesem Bereich passen (es gibt dort beispielsweise kein Steuergeheimnis).
Eine letzte Überlegung geht nochmals in eine andere Richtung: so ein bißchen habe ich ja – ohne jetzt verschwörungstheoretisch werden zu wollen – den Verdacht, dass Gesetze wie das in Schweden gerade beschlossene eigentlich nur einen lange existierenden Status quo legalisieren. Ich denke da z.B. an Echelon, aber auch an die ganzen Spionageskandale bei Lidl, Telekom und Co. Es wäre jedenfalls wohl falsch, davon auszugehen, dass elektronische Kommunikation heute überwachungsfrei abläuft, und erst mit Gesetzen wie dem neuen schwedischen Überwachung stattfindet.
Warum blogge ich das? Weil ich es erstaunlich finde, wie schnell und mit letztlich doch wenig allgemeinen Protesten derartige Gesetze verabschiedet werden können.