Es wäre falsch, Alter und politischen Stil gleichzusetzen. Es gibt grauenhaft konservative 16-Jährige (und nicht alle davon werden irgendwann mal Minister*in), und es gibt Rentner*innen, die ganz vorne am Puls der Zeit sind. Und die Delegiertenbänke waren bunt gemischt besetzt. Trotzdem ist mir aufgefallen, dass inzwischen viele der zentralen grünen Protagonist*innen jünger als die Partei sind. Die wurde dieses Jahr 35 Jahre alt. Diese Generation setzt seit einiger Zeit die Themen und besetzt Posten und Positionen.
Gelesen: The Goblin Emperor
Lange war Fantasy für mich entweder J.R.R. Tolkien (den ich gerne gelesen habe), Ursula K. Le Guin (hier: Earthsee, die ich gerne gelesen habe), Terry Pratchett (den ich gerne gelesen habe, weil er ein Fantasy-Setting nur als Setting für angewandte Philosophie brauchte) oder aber Tolkien-Kopien von Holbeinetc. (die ich nicht gelesen habe). Und die „Unendliche Geschichte“ von Michael Ende, die aber eher Phantasie als Fantasy war. (Na gut, gute Kinder- und Jugendbücher mit Fantasy-Hintergrund würden mir noch einige einfallen). Jedenfalls war ich lange überzeugt davon, dass Fantasy nicht so meines ist. Und dann gibt es noch – auch sehr lesbar – eine ganze Reihe von Autoren und Autorinnen, die Magie in zeitgenössische Szenarien (z.B. in Kriminalromane) einbauen. Aber das ist dann nicht mehr „High Fantasy“.
Erst in jüngerer Zeit habe ich dann entdeckt, dass High Fantasy mehr und anders sein kann. G.R.R. Martins Bücher mit ihren grauschattierten Intrigen haben dazu einiges beigetragen. Und auch Brandon Sandersons „Mistborn“-Bücher habe ich aus ähnlichen Gründen regelrecht verschlungen. Mit dem Zyklus rund um die „dunkle Sonne“ von Gene Wolfe bin ich dagegen nicht so richtig warm geworden.
Das alles aber nur als Vorrede, um auf Katherine Addisons The Goblin Emperor hinzuweisen. Addison ist ein Pseudonym der Autorin Sarah Monette; dass The Goblin Emperor unter Pseudonym erschienen ist, hat wohl vor allem vertragstechnische Gründe.
Das Buch hat zunächst mal alles, was zu High Fantasy dazugehört – Elfen und Kobolde, eine feudale Herrschaftsstruktur mit Königen und Prinzessinen, verwunschene Landschaften und alte Fehden. Bei genauerem Hinsehen befindet sich das Elfenkönigreich aber in einer historischen Umbruchphase, die mit „Aufklärung“ sicherlich nicht falsch beschrieben ist. Geschlechterverhältnisse (dürfen Frauen auf Universitäten gehen?) und das Gildensystem – etwa die Uhrmacher – werden in Frage gestellt, es gibt eine Art Parlament, und die Technik macht große Fortschritte. So werden Luftschiffe verwendet – und der Absturz eines solches ist dann auch der Auslöser der im Buch erzählten Geschichte. Der Kaiser des Elfenlandes und seine Thronfolger waren an Bord, was dazu führt, dass der in die ländliche Peripherie verstoßene, gerade erwachsene und eigentlich vergessene Maia die Thronfolge antritt und Kaiser wird.
Maia ist kein reinrassiger Elf, seine früh gestorbene Mutter war eine Koboldin. Er ist nicht am Hof aufgewachsen und hat weder die damit verbundene umfassende Bildung genossen noch Einblick in die vielfältigen Intrigen und politischen Hinterhalte, die es an einem Hof so gibt. Maia ist gutmütig, ein bisschen naiv – und jetzt der mächtigste Mann im Elfenland.
Das 2014 erschienene Buch ist ein bisschen Coming-of-Age, und ein bisschen eine Parabel darüber, wie wenig Macht mit scheinbar mächtigen Positionen verbunden ist, und welche Kompromisse getroffen werden müssen, um in einem hochpolitischen Umfeld politisch am Leben zu bleiben – und trotzdem die eine oder andere Veränderung anzustoßen. Das fand ich wiederum sehr realistisch. Die eine oder andere Stelle erinnerte mich regelrecht an die Erfahrungen, die Grün-Rot in Baden-Württemberg so machen musste.
Insgesamt jedenfalls sehr empfehlenswert, egal, ob um der Intrigen und der Politik willen gelesen, oder weil die Welt, die Katherine Addison hier aufbaut, eine sehr liebevoll und detailreich gestaltete Alternative zu den üblichen High-Fantasy-Klischees darstellt. Und das geht auch mit sehr viel weniger Blutvergießen als bei Tolkien, Martin oder Sanderson.
Der Anfang des Buches steht online zur Verfügung – aber Vorsicht; wer sich in Maias Weg zum Thron hinein liest, möchte auch wissen, wie es weitergeht. Eine Fortsetzung ist übrigens – auch das anders als bei vielen anderen Werken in diesem Umfeld – nicht geplant.
Rein in die Kuschelecke? Raus aus der Kuschelecke!
Während die SPD in Berlin ihr Deutschlandfest feierte – Anlass: 150 Jahre Sozialdemokratie – fand in Frankfurt am Main die „summer factory“ des Instituts Solidarische Moderne e.V. (ISM) statt. Das ISM hat sich vor einigen Jahren als „Denkfabrik der Mosaiklinken“ gegründet, zur intellektuellen Unterfütterung eines gemeinsamen rot-grün-roten Projekts, getragen von einzelnen Akteuren aus den entsprechenden drei Parteien und aus der real existierenden „Bewegungslinken“.
So ungefähr 100 Menschen aus dem ISM und seinem Umfeld trafen sich also in Frankfurt. Ein bisschen war das ganze auch eine Katzenjammerveranstaltung angesichts der Schwierigkeiten, gemeinsame rot-grün-rote Projekte nicht nur zu identifizieren, sondern daraus auch noch konkrete Politik zu machen. Die Aussichten für ein entsprechendes Bündnis nach der Bundestagswahl scheinen derzeit bekanntermaßen ja nicht die besten zu sein.
Ich bin zwar fast seit Gründung des ISM dort Mitglied (auch wenn ich den Namen nicht mag), war aber noch auf keiner ISM-Veranstaltung. Insofern wusste ich nicht so genau, was mich erwarten würde. Angelockt hatte mich in allererster Linie der Titel der „summer factory“ (die im Übrigen mit Regen endete). Der Titel klang verheißungsvoll: „Strategische Bedingungen eines Politikwechsels: Sozialökologische Transformation“. Darunter konnte ich mir was vorstellen. Dachte ich jedenfalls.
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Utopie, Realpolitik und lokale Maxima
Abstrakt betrachtet, geht es bei Politik darum, einen Zustand x so zu ändern, dass ein erwünschter Zustand x* erreicht wird, um damit ein Problem zu lösen.
Was erwünscht ist, und was nicht, lässt sich mit dem Bild des „politischen Kompasses“ beschreiben. Also ein grundlegendes Wertesystem, oder, wenn ich hier schon mathematische Metaphern verwende, eine Funktion, die Auskunft darüber gibt, ob x* besser ist als x oder nicht. Oder noch genauer: eine Funktion, die Auskunft darüber gibt, welcher der Zustände x1, … xn als mögliche Lösung eines Problems am besten ist.
Kompliziert wird das durch mindestens vier Dinge: