Wirklich klasse fand ich heute die Nachrichten (Indymedia, Spiegel online, NDR) darüber, dass es den DemonstrantInnen in Heiligendamm gelungen ist, mit Hilfe einer bei den Castor-Transporten (X1000-mal-quer) schon mehrfach angewandten Strategie organisierter Desorganisation – daran erinnerten mich jedenfalls die Berichte darüber – Heiligendamm zu blockieren. Dass der Ort bis auf wenige Kontrollpunkte abgeriegelt wurde – der berühmt-berüchtigte Sicherheitszaun – hat sich hier als großes Manko erwiesen. David-gegen-Goliath-Judo wäre vielleicht eine treffende Bezeichung dafür. Und dass die überrumpelte Polizei dann zu Wasserwerfern und Schlagstöcken gegen friedliche SitzblockiererInnen gegriffen hat, passt in das Bild einer überholten Strategie, die mit Deeskalation wenig, mit Unerfahrenheit mit Großdemos viel zu tun hat.
Rumstehen und zuhören: Freiburg (Mehr Fotos)
Soweit die spannenden Aktionen. Sehr viel langweiliger war dagegen die Kundgebung in Freiburg heute. Gut natürlich, dass überhaupt jemand was macht. Aber was, war dann doch eher abschreckend. Auf dem Rathausplatz waren etwa 40 bis 50 Leute, je nachdem, wer von denen, die eher vorsichtig auf Abstand blieben, dazugezählt wird. Linkspartei, DKP, DGB und ein paar wenige ungebundene Linke (und zwei, drei Grüne) standen etwa eine Stunde auf dem Rathausplatz rum. Anfangs gab’s Che-Verherrlichungsmusik und Arbeiterkampfliedermacherlieder („weg mit Hartz IV, wir wollen Arbeit“). Nicht mein Ding. Danach dann eine Reihe von Redebeiträgen. Pluspunkt: nicht alle RednerInnen kamen aus den Reihen der Linkspartei/WASG. Alle waren jedoch kaum zu verstehen (zu kleine Anlage) und standen irgendwo in der Menge. Insgesamt also ein eher beschauliches Ereignis, von dem vermutlich auch kaum jemand Notiz genommen hat. Auch für Soli-Kundgebungen sind phantasievollere Formen denkbar. Nächstesmal hätte ich gerne ein Protestfrühstück auf einer belebten Straße oder dergleichen mehr …
Warum blogge ich das? Beobachtung der Anti-G8-Proteste und Memo to self: beim nächsten Mal rechtzeitig anfangen, selbst aktiv zu werden.
Update: Mein X1000-Mal-Quer-Wiedererkennen scheint zu stimmen, jedenfalls laut einem gerade aufgetauchten zusammenfassenden SpOn-Artikel. Und auch die Website „Block G8“ klingt sehr nach der X1000-Mal-Quer-Strategie – macht nostalgisch.
Update 2: Sehr schön das heutige taz-Titelbild:
Titel der taz vom 7.06.2007
Und hier der dazugehörige Bericht der taz sowie der Titelseitenkommentar.
Update 3: Interessant ist der Blick auf das ganze aus Sicht der internationalen Presse – die scheint sich mehr oder weniger komplett auf die Polizeiberichterstattung zu verlassen (oder kennt von zu Hause aus deutlich heftigere Proteste). Aber manchmal muss gar nicht so weit weg geschaut werden – laut netzpolitik.org griff selbst der örtliche NDR für eine Reportage auf direkt von der Polizei kommendes dpa-Material zurück, statt selbst zu recherchieren – inklusive nicht vorhandener Molotow-Cocktails.
Update 4: Ein paar Eindrücke aus Heiligendamm bei Hanno Böck.