Klimaaktionstag. Ein Gespräch mit Z.

Der 20. Sep­tem­ber 2019 ist in posi­ti­ver wie nega­ti­ver Hin­sicht ein Tag, der als Kipp­punkt der Kli­ma­kri­se in Erin­ne­rung blei­ben wird. Groß­ar­tig sind die heu­te und in die­ser Woche welt­weit statt­fin­den­den Demons­tra­tio­nen – ein Tag, der mit 300.000 Demons­trie­ren­den in Aus­tra­li­en beginnt, allei­ne in Deutsch­land 1,4 Mio. Demons­trie­ren­de gese­hen hat und mit 250.000 in New York endet. Fri­days for Future hat hier glo­bal etwas in Bewe­gung gesetzt. Gleich­zei­tig ist der 20. Sep­tem­ber 2019 der Tag, an dem die Bun­des­re­gie­rung ihren wenig ambi­tio­nier­ten Kom­pro­miss vor­ge­stellt hat, bei dem heu­te schon klar ist, dass damit die Zie­le des Pari­ser Kli­ma­ab­kom­mens nicht erreicht wer­den kön­nen. Die frei­täg­li­chen Demos und ähn­li­chen Aktio­nen wer­den also weitergehen.

In Frei­burg fand die größ­te Demons­tra­ti­on der Stadt­ge­schich­te statt, mit etwa 30.000 Teil­neh­men­den (bei 230.000 Einwohner*innen). Ich war mit mei­nem Zehn­jäh­ri­gen da – und als wir etwas zu spät anka­men, war nicht nur der Platz der Alten Syn­ago­ge voll, son­dern auch die Ter­ras­se des Thea­ter­ca­fes, die Ber­told­stra­ße und der Rott­eck­ring rund um den Platz. Extrem eindrucksvoll.

Auch mei­ne Toch­ter Z. (fast 14) hat wie an allen bis­he­ri­gen Demos in Frei­burg auch an die­ser teil­ge­nom­men; getrof­fen habe ich sie erst in der Stra­ßen­bahn zurück, so groß war die viel­fäl­ti­ge Men­schen­men­ge. Ich habe ihr ein paar Fra­gen zur Demo und zu den Frei­bur­ger Fri­days-For-Future-Akti­vi­tä­ten gestellt.
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Nicht ablenken: die Klimakrise kann nur politisch gelöst werden

Frankfurt to Boston - IV
Oft sind Twit­ter­de­bat­ten furcht­bar, aber manch­mal sind sie tat­säch­lich fruchtbar. 

Aber ich fan­ge noch mal anders an. Neh­men wir an, ein Land hät­te sich vor­ge­nom­men, den Mond zu errei­chen. Ein mil­li­ar­den­teu­res Vor­ha­ben. Es muss eine ent­spre­chen­de For­schungs­land­schaft und Indus­trie auf­ge­baut wer­den. Astronaut*innen müs­sen gefun­den und trai­niert wer­den. Und so wei­ter. In die­sem Land aber ist das anders. Es gibt eine brei­te öffent­li­che Debat­te dar­über, wie wich­tig es sei, den Mond zu errei­chen. Und des­we­gen wür­den alle Bürger*innen ab sofort dazu auf­ge­ru­fen, Lei­tern auf ihren Haus­dä­chern zu befes­ti­gen, ger­ne auch hohe. Jedes biss­chen hilft! Wer Astronaut*in wer­den will, soll­te selbst­ver­ständ­lich auf die höchs­te Lei­ter auf dem höchs­ten Haus klettern.

Der Ver­gleich hinkt. Trotz­dem hilft er. In gewis­ser Wei­se ist die Lösung der Kli­ma­kri­se ein Moonshot-Pro­jekt. Alles muss sich dar­auf aus­rich­ten, Treib­haus­gas­emis­sio­nen zu redu­zie­ren und Sen­ken zu schaf­fen (also zum Bei­spiel Bäu­me zu pflan­zen). Ein rele­van­ter Teil der öffent­li­chen Debat­te beschäf­tigt sich damit, was jede und jeder selbst tun kann. Vege­ta­ri­sche Ernäh­rung. Eine auto­freie Mobi­li­tät. Kei­ne Flüge. 

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Die Welt lässt sich ändern

Industrial idyll III

Es gibt jetzt ein paar Umfra­gen unter­schied­li­cher Insti­tu­te, in denen Grü­ne bun­des­weit vor CDU und CSU lie­gen. Das macht mir Mut – ich deu­te die­se Zah­len so, dass es eine gesell­schaft­li­che Mehr­heit dafür gibt, die Kli­ma­kri­se anzu­ge­hen und zu handeln. 

In gewis­ser Wei­se kul­mi­niert hier die Repo­li­ti­sie­rung der deut­schen Gesell­schaft seit dem letz­ten Jahr. See­brü­cke, Unteil­bar, Groß­de­mos, der Ham­ba­cher Wald – und Fri­days for Future. Plötz­lich wird wie­der über Poli­tik gespro­chen. Das Ende der Geschich­te liegt lan­ge zurück. Trump und Brexit-Groß­bri­tan­ni­en haben deut­lich gemacht, dass poli­ti­sche Mehr­hei­ten eine Rol­le spie­len, dass demo­kra­ti­sche Errun­gen­schaf­ten zer­brech­lich sind. Die Wahl­be­tei­li­gung steigt. Und solan­ge SPD und CDU/CSU nicht in der Lage sind, die­se Repo­li­ti­sie­rung ernst zu neh­men, mit der nun eben auch ein ganz ande­rer Stil, eine ganz ande­re Anspruchs- und Erwar­tungs­hal­tung Poli­tik gegen­über ein­her­geht, solan­ge bleibt es bei der Zer­stö­rung der Volksparteien. 

Aber wenn ich über die­sen Text geschrie­ben habe, dass die Welt sich ändern lässt, dann geht es mir nicht um Umfra­ge­mehr­hei­ten. Viel­mehr schrei­be ich ihn, weil die Kli­ma­kri­se eine emi­nent poli­ti­sche Fra­ge ist. Und ja: ich bin über­zeugt davon, dass die­se Fra­ge sich beant­wor­ten lässt. Viel­leicht braucht es dafür eine Anstren­gung wie bei der Mondlandung. 

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Kurz: Nach den Wahlen

Mit 20,5 Pro­zent bei einer bun­des­wei­ten Wahl zweit­stärks­te Kraft, in den gro­ßen Städ­ten selbst in Ost­deutsch­land ganz vor­ne, weit, weit vor­ne bei den Jung- und Erstwähler*innen: hier ist das Wort vom Wahl­er­folg mal kein Schön­re­den, son­dern trifft auf das grü­ne Ergeb­nis bei der Euro­pa­wahl zu. Und die Wel­le trägt auch bei den zeit­glei­chen Kom­mu­nal­wah­len hier in Baden-Würt­tem­berg: lan­des­weit Zuwäch­se, selbst in vie­len mit­tel­gro­ßen Städ­ten wie Wein­gar­ten, Emmen­din­gen oder Schwä­bisch Hall stel­len grü­ne die stärks­te Frak­ti­on, in den Hoch­bur­gen wie Hei­del­berg, Tübin­gen und Frei­burg sind Grü­ne im Stadt­rat sogar stär­ker als SPD und CDU zusammen. 

Kurz nach den ers­ten Pro­gno­sen am Wahl­abend hat­te ich auf Twit­ter geschrieben:

Und das gilt auch jetzt, zwei Tage spä­ter. Im Euro­päi­schen Par­la­ment, im Bund, in allen Län­dern, ins­be­son­de­re da, wo wir mit­re­gie­ren, und selbst­ver­ständ­lich auch in den kom­mu­na­len Ver­tre­tun­gen, in denen jetzt Grü­ne gestärkt wor­den sind. Wir müs­sen jetzt liefern.

Kurz: Die Erde brennt

Wir hat­ten am Diens­tag Besuch von Fri­days for Future in der Frak­ti­on – mit weit­rei­chen­den For­de­run­gen. Seit ein paar Tagen dis­ku­tiert das Netz über ein Video von rezo. Fast die Hälf­te sei­nes Vide­os dreht sich um das Ver­sa­gen der CDU im Kli­ma­schutz. Mor­gen ist glo­ba­ler Streik­tag der Fri­days for Future, und ich bin mir sicher, dass der Zulauf groß sein wird, und dass wir vie­le Jugend­li­che sehen wer­den, die ernst­haft sau­er sind.

Etwas zu tun reicht nicht. Es geht unse­ren Kin­dern nicht um Kom­pro­mis­se. Lui­sa Neu­bau­er bringt es auf den Punkt, wenn sie schreibt, dass die Erde brennt. Die Kli­ma­kri­se ist jetzt da, sie ist akut, und sie ist glo­bal – und die Erwar­tungs­hal­tung ist ein­fach: wer im Ange­sicht die­ser Kri­se nicht an der Lösung mit­ar­bei­tet – über alle poli­ti­schen Lager und Hal­tun­gen hin­weg – ist Teil des Pro­blems. Der Mar­shall­plan für das Kli­ma fehlt, es gibt kei­ne kon­zer­tier­te Akti­on in der Grö­ßen­ord­nung des Man­hat­t­an­pro­jekts – und das wird mas­siv als unver­zeih­li­ches Poli­tik­ver­sa­gen wahrgenommen.

Die­se Erwar­tungs­hal­tung clasht mit den vie­len Schräub­chen, Bret­tern und Bohr­ge­win­den des Poli­tik­be­triebs. Da hilft es auch nichts, die Euro­pa­wahl zur Kli­ma­wahl zu machen. Solan­ge Maß­nah­me für Maß­nah­me die CO2-Emis­sio­nen doch nicht sin­ken, wächst die Unge­duld. Die Fak­ten­la­ge ist klar. War­um dann Lager­streit und die übli­che zyni­sche Bes­ser­wis­se­rei, Inter­es­sen­ab­wä­gung und Sach­zwän­ge? Wo bleibt das gemein­sa­me Anpa­cken, um die Trans­for­ma­ti­on in letz­ter Minu­te zu schaf­fen? Das wird die Fra­ge sein, an der vie­le, die heu­te noch nicht wahl­be­rech­tigt sind, spä­tes­tens bei der nächs­ten Bun­des­tags­wahl die Par­tei­en mes­sen wer­den. Und da hilft dann kein noch so schö­nes Share­pic. Weil es um etwas Exis­ten­zi­el­les geht – jen­seits des übli­chen Hori­zonts von Politik.

(Oder, zuge­spitzt: Fri­days for Future defi­niert gera­de den Ausnahmezustand.)