Gestern war mal wieder ein globaler Klimastreik. In Freiburg waren es so knapp 2000 Leute, deutschlandweit insgesamt 75.000, sagt die Tagesschau, in Wien waren es zwischen Hochwasser und Wahl wohl 13.000, und auch in New York, Rio und Delhi gab es den Medienberichten zufolge Klimaaktionen. Einerseits cool, dass hier deutliche Zeichen gesetzt werden – andererseits waren wir auch schon mal mehr.
Ich war in Freiburg beim Streik dabei, und fand es auffällig, wie sich die Zusammensetzung der Demonstrierenden im Vergleich zu vorherigen Streiks verändert hat: klar, weiterhin viele Jugendliche (wobei die „erste“ FFF-Generation inzwischen mitten im Studium steckt), diverse Umweltorganisationen (von BUND und NABU bis hin zu Extinction Rebellion) und auch Brot für die Welt waren mit Fahnen vertreten, an Parteien habe ich neben ein paar grünen Fahnen (eine davon meine) nur zwei Volt-Plakate wahrgenommen, die durch die Demo getragen wurden. Alter: viele sehr jung, viele grauhaarig (ich ja inzwischen auch), dazwischen wenig? Einen Redebeitrag – von einem FFF-Aktivisten – zu Frust und Motivation nach sechs Jahren Klimastreik – fand ich sehr gut, dass die Initiative „Dieti bleibt“, die sich gegen die Abholzung eines Teils des Dietenbachwaldes für den Stadtteilneubau im Freiburger Western einsetzt, großen Raum bekommen hat, fand ich nur bedingt nachvollziehbar. Und hey, „hoch die internationale Solidarität“ und „Anticapitalista“ sind möglicherweise dann doch eher allgemeintaugliche Demosprüche. Insgesamt habe ich jedenfalls eine deutliche Verengung (und damit möglicherweise auch Radikalisierung) der Protestierenden wahrgenommen. Und gleichzeitig weiß ich aus meinem Umfeld, dass viel arbeiten mussten, im Urlaub waren oder aus anderen Gründen keine Zeit/keine Priorität hatten, am Freitagmittag zu Demo und Kundgebung zu gehen.
Ich verstehe, dass die Zeiten nicht so sind. Ich habe ja auch überlegt, ob ich wirklich den Nachmittag frei nehmen soll. Ein Thema des Streiks war, dass die Regierung nicht genug tut. Kann ich nachvollziehen und befürchte gleichzeitig, dass jede andere aktuell rechnerisch mögliche Regierung noch weniger für den Klimaschutz tun würde. Damit ist aber sehr viel weniger klar als früher, gegen wen und für was demonstriert wird (siehe auch die Freiburger Debatte um Dietenbach). Und dass es frustriert, dass selbst die erste Regierung mit grüner Regierungsbeteiligung im Bund seit Jahren nicht noch sichtbar schneller ist, kann ich auch verstehen – obwohl die Ausbaukurven für Wind und PV gut aussehen und die Förderprogramme im Baubereich umgestellt wurden. Das 1,5‑Ziel wurde gerissen, zwei Grad sind machbar, aber herausfordernd. Und dann kommt Lindner und die Schuldenbremse, und dann kommt Merz und der reaktionäre Rechtsruck, und dann kommt die AfD und das frostige Meinungsklima. Und zwischendrin klebt die Letzte Generation auf der Straße und sorgt für Naserümpfen.
Trotzdem: da waren schon mal mehr Leute, und da waren schon mal Leute auch sichtbar aus anderen Parteien, aus anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Wo waren die gestern?
Oder, direkt gefragt: Wo seid ihr gestern gewesen, wenn nicht beim Streik?
Ich meine damit diejenigen, denen Klimaschutz wichtig ist, ohne tief in irgendwelchen diesbezüglichen Gruppen zu stecken. Die, die mit Kind und Kegel oder Arbeitskolleg:innen beim vorletzten Klimastreik die Straße gefüllt haben. Oder auch die, die bei den Demos Anfang des Jahres deutlich gemacht haben, dass AfD-Pläne absolut nicht mehrheitsfähig sind.
Gerade in der Situation jetzt, in der die öffentliche Meinung von Rechts gemacht wird, in der der physikalisch unaufhaltsame und mit Hochwasser und Hitze spürbare Klimawandel eigentlich Top-Thema sein müsste, bräuchte es eine Million Menschen auf der Straße. Wäre schön, wenn das jemand in die Hand nehmen würde. Auch wenn’s sich gerade nicht nach Volksfest anfühlt.