Kurz: Baden-Württemberg auf dem Weg in den Überwachungsstaat?

May 1st, Vhei­se news berich­tet, dass es bezüg­lich der Novel­le des Poli­zei­ge­set­zes für Baden-Würt­tem­berg zu eini­ger Eini­gung zwi­schen den bei­den Regie­rungs­par­tei­en CDU und FDP gekom­men sei. Die­ses Poli­zei­ge­setz hat­ten u.a. die baden-würt­tem­ber­gi­schen Grü­nen hef­tig kri­ti­siert (u.a. mit der Mög­lich­keit, Pro­tes­te­mails zu ver­schi­cken; inter­es­sant auch die Doku­men­ta­ti­on der Anhö­rung der Grü­nen Land­tags­frak­ti­on (pdf, 88 Seiten)). 

Laut hei­se soll die FDP sich inso­fern durch­ge­setzt haben, dass es kei­ne Online-Durch­su­chun­gen und kein Abhö­ren von Gesprächs­in­hal­ten zu prä­ven­ti­ven Zwe­cken geben wird. Video­über­wa­chung soll je nach „Gefähr­dungs­la­ge“ mög­lich sein. Dage­gen scheint die Mas­sen­er­fas­sung von Auto­kenn­zei­chen eben­so wei­ter mög­lich zu sein wie die enge Zusam­men­ar­beit von Poli­zei und Ver­fas­sungs­schutz, zwei wei­te­re grü­ne Kritikpunkte. 

Posi­tiv zu wer­ten ist die hör­ba­re Unzu­frie­den­heit des Lan­des­po­li­zei­prä­si­den­ten. Trotz­dem kann ich mir ange­sichts des Zustands der FDP im Land kaum vor­stel­len, dass sie mehr als die zwei, drei genann­ten „Zucker­le“ her­aus­ho­len konn­te. Die Linie, der Poli­zei mehr Über­wa­chungs­kom­pe­ten­zen ein­zu­räu­men, die die CDU im Land ganz offen ver­tritt, führt jeden­falls in die fal­sche Rich­tung. Nach der Som­mer­pau­se kommt der Gesetz­ent­wurf in den Land­tag – mei­ne Pro­gno­se: aus grü­ner Sicht wird es wei­ter­hin (und zu Recht) eini­ges dar­an zu kri­ti­sie­ren geben (oder die FDP ist aus­nahms­wei­se mal bes­ser als ihr Ruf).

Kurz: Kreistagswahlen im schwarzen Sachsen

In Sach­sen fan­den Kom­mu­nal­wah­len statt; genau­er gesagt wur­den die Land­krei­se neu gebil­det und dort Kreis­ta­ge und Land­rä­tIn­nen gewählt. Außer­dem fan­den Bür­ger­meis­ter­wah­len statt. Beson­ders span­nend erschei­nen mir die Ergeb­nis­se nicht. Aus grü­ner Per­spek­ti­ve depri­mie­rend ist sowohl das schlech­te Abschnei­den der Grü­nen (3,2% nach dem Aus­zähl­stand 23:34, beim letz­ten Mal im Jahr 2004 waren’s je nach Quel­le noch 3,4 % (SpOn) bzw. 5,2% (Mit­tel­deut­sche Zei­tung, Säch­si­sche Zei­tung)) als auch das flä­chen­de­ckend gute Abschnei­den der CDU (das in sei­ner Per­ma­nenz an die länd­li­che­ren Tei­le Baden-Würt­tem­bergs erin­nert) und der NPD. Als Licht­blick erscheint – war­um auch immer – der Land­kreis Mei­ßen: hier liegt das grü­ne Land­kreis­er­geb­nis immer­hin bei für Ost­deutsch­land guten 5,0% (gegen­über 2004 aller­dings ein Ver­lust von 1,6 Prozentpunkten).

P.S.: Im öster­rei­chi­schen Bun­des­land Tirol wur­de heu­te auch gewählt – mit mas­si­ven Ver­lus­ten von SPÖ (-10%) und Grü­nen (-5%) zuguns­ten einer Protestliste.

„Zu viel großstädtische Leere“

Am Frei­tag gab es eine Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung zum wei­te­ren Vor­ge­hen der Stadt bei der Umge­stal­tung der „erwei­ter­ten Innen­stadt“ zwi­schen Thea­ter und KG II (Platz der Alten Syn­ago­ge). Ich konn­te auf­grund fami­liä­rer Ver­pflich­tun­gen lei­der nicht hin­ge­hen, konn­te aber dafür im heu­ti­gen Sonn­tag einem umfang­rei­chen Bericht von Jens Kitz­ler – der den Titel „Zu viel groß­städ­ti­sche Lee­re“ trägt, den ich mir für die­sen Ein­trag aus­ge­lie­hen habe – ent­neh­men, dass ich mit mei­nen Beden­ken bei wei­tem nicht allei­ne da stehe.

KG II, I
Im Som­mer wird die Grün­flä­che vor dem KG II viel­fach (und viel­fäl­tig) genutzt

Im Okto­ber 2007 wur­de die Jury­ent­schei­dung für die Umge­stal­tung des Platz bekannt­ge­ben. Lei­der sind im ver­link­ten Bei­trag nur die Fotos vom Ist-Zustand ent­hal­ten (sie­he auch oben). Hier kön­nen die Wett­be­werbs­er­geb­nis­se ein­ge­se­hen wer­den. Den ers­ten Prei­sen gemein­sam ist, dass die bis­her viel­fach geglie­der­te Raum­si­tua­ti­on – erhöh­te Grün­flä­che vor dem KG II, Fahr­rad­ab­stell­plät­ze, Gedenk­plat­te für die Alte Syn­ago­ge mit Baum­be­stand, Rotteckring/Platz der Uni­ver­si­tät als mehr­spu­ri­ge Stra­ße, Thea­ter­vor­platz mit wie­der­um Rasen­flä­chen – durch eine gro­ße Stein­plat­te ersetzt wer­den soll. Das kommt nicht von unge­fähr, weil es mehr oder weni­ger der Wett­be­werbs­aus­schrei­bung entspricht.
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Kurzeintrag: Hamburger MV mit Live-Chat (Update: MV stimmt für den Koalitionsvertrag)

Wie ich gera­de sehe, über­trägt die Ham­bur­ger GAL ihre Mit­glie­der­ver­samm­lung zum Koali­ti­ons­ver­trag nicht nur live (mehr zur Tech­nik), son­dern ermög­licht es auch, beglei­tend zu chat­ten – der­zeit sind 130 Leu­te dabei. Trägt Par­tei­tags­at­mo­sphä­re, auch wenn die Stim­mung im Saal (wohl eher pro) und im Chat­room (lin­ke Kri­tik) wohl sehr unter­schied­lich ist.

Update: (17:00) Soeben wur­de der Ver­trag in offe­ner Abstim­mung mit gro­ßer Mehr­heit angenommen. 

Die Chat-Debat­te par­al­lel zur Über­tra­gung war ganz inter­es­sant – nicht nur wegen der offen­sicht­lich unter­schied­li­chen Mehr­heits­ver­hält­nis­se, son­dern auch, weil so in Echt­zeit deut­lich wur­de, wie wer auf wen reagiert – bspw. exter­ne Super­lin­ke, die sich dann plötz­lich über grü­ne Frau­en­quo­ten auf­re­gen und der­glei­chen mehr. Soll­te bei mehr Par­tei­ta­gen gemacht werden ;-)

In der Nach­de­bat­te geht’s jetzt – par­al­lel zur auf dem Bild­schirm lau­fen­den Ehrung von Wil­fried Mai­er – um die Fra­ge, ob in vier Jah­ren rot-rot-grün mög­lich sein wird oder nicht (wg. stu­rer Lin­ken, stu­ren SPD oder GAL unter 5%; oder aus ideo­lo­gi­schen Grün­den bei den Liebesheiratsfans).

Positionspapier linker Grüner zur CDU-Grünen-Koalition in Hamburg

Als klei­nes Gegen­ge­wicht zu mei­nen eher opti­mis­ti­schen Bei­trä­gen zum stra­te­gi­schen Poten­zi­al von schwarz-grün möch­te ich auf eine heu­te ver­öf­fent­lich­te Ana­ly­se (pdf) einer Grup­pe grü­ner Lin­ker (oder lin­ker Grü­ner) ver­wei­sen (u.a. Robert Zion und Peter Alberts). Umfang­reich wird dort der Koali­ti­ons­ver­trag (pdf) durch­ge­ar­bei­tet. Bemän­gelt wird die gro­ße Zahl von Prüf­auf­trä­gen, gera­de bei wich­ti­gen grü­nen Pro­jek­ten. Die gene­rel­le Ein­schät­zung ist, dass die Grü­nen sich – bei wich­ti­gen Punk­ten – gegen­über der CDU kaum durch­set­zen konn­ten. Schwarz-grün wird sowohl kon­kret für Ham­burg als auch abs­trakt als pro­ble­ma­tisch dargestellt. 

Wäh­rend ich vie­le Punk­te der Ana­ly­se tei­le, aber von ande­ren Maß­stä­ben aus­ge­he, was sinn­vol­ler­wei­se erwart­bar war, teil­wei­se ande­re stra­te­gi­sche Ein­schät­zun­gen habe und vor allem opti­mis­ti­scher bin, was die Arbeit der grü­nen Sena­to­rIn­nen und Staats­rä­tIn­nen angeht (z.B. glau­be ich, dass eine grü­ne Umwelt­se­na­to­rin ein Koh­le­kraft­werk recht­lich ver­hin­dern kann und wird, auch wenn sowohl Green­peace als auch Vat­ten­fall das anders sehen), ist es vor allem ein Punkt, der mich an die­ser Aus­ar­bei­tung erheb­lich stört – näm­lich die Ver­mu­tung, dass eine gro­ße Koali­ti­on für die tat­säch­li­che Durch­set­zung eini­ger wich­ti­ger grü­ner Zie­le (Schul­re­form, Moor­burg) bes­ser gewe­sen wäre. Und auch die Kri­tik am Ver­hand­lungs­stil hal­te ich nicht für ange­bracht, son­dern für eine Pro­jek­ti­on eines Pro­jek­tes, dass es so aus grü­ner Per­spek­ti­ve nicht gibt. Aus dem Papier:

Gera­de die unge­wöhn­li­che Art der Ver­hand­lungs­füh­rung (ent­ge­gen der gän­gi­gen und sinn­vol­len Pra­xis wur­den zuerst die weni­ger strit­ten Punk­te ver­han­delt, damit „die Stim­mung“ stimmt) weist nicht nur auf den gewoll­ten “Pro­jekt­cha­rak­ter“ die­ser Koali­ti­on hin – wohl­ge­merkt: der schwarz-grü­nen Koali­ti­on an sich, nicht der Kon­zep­tio­nen und Inhal­te –, sie hat auch dazu geführt, dass die GAL eine Fül­le „wei­cher“ The­men set­zen konn­te (wenn auch zumeist nur als Prüf­auf­trä­ge), sich in den für Grü­ne wirk­lich har­ten und im Wahl­kampf bestim­men­den Poli­tik­fel­dern (Koh­le­kraft­werk, Elb­ver­tie­fung, Schu­le, Stu­di­en­ge­büh­ren) aber am Ende kaum oder gar nicht durch­set­zen konn­te. Die Fra­ge, ob eine Ham­bur­ger SPD bei etwa­igen Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen zu einer gro­ßen Koali­ti­on gera­de bei die­sen har­ten The­men nicht doch mehr hät­te durch­set­zen kön­nen, soll­te sich daher ernst­haft stel­len. Die Elb­ver­tie­fung wür­de – wie jetzt auch – wohl kom­men. Das län­ge­re gemein­sa­me Ler­nen ange­sichts des SPD-Pro­gramms wohl auch, viel­leicht wären es ein paar Jah­re mehr gewor­den. Ob hin­sicht­lich des Koh­le­kraft­wer­kes Moor­burg noch weni­ger als die Durch­füh­rung des Geneh­mi­gungs­ver­fah­rens her­aus­kom­men wür­de, darf bezwei­felt wer­den. Ein offe­nes Bekennt­nis der SPD in Ham­burg zu Moor­burg dürf­te nicht erwar­tet wer­den. Zu ein­deu­tig wird Moor­burg im SPD-Pro­gramm abge­lehnt und statt­des­sen ein Gas­kraft­werk gefordert.

Da scheint mir das Gras auf der ande­ren Sei­te des Zauns doch deut­lich grü­ner zu sein; jeden­falls kann ich zwar nach­voll­zie­hen, dass das SPD-Wahl­pro­gramm ent­spre­chend posi­tiv abschnei­det, kann mir aber kaum vor­stel­len, dass die SPD in Bil­dungs- und Umwelt­fra­gen in einer Koali­ti­ons­ver­hand­lung mit der CDU ers­tens mehr Beharr­lich­keit und zwei­tens mehr Ver­hand­lungs­macht mit­bringt. War­um? Weil nach mei­nen bis­he­ri­gen Beob­ach­tun­gen die SPD ihre Schwer­punk­te in Ver­hand­lun­gen anders setzt, und Umwelt- und Bil­dungs­fra­gen ger­ne auf dem Ver­hand­lungs­tisch opfert. Und weil da immer noch z.B. die Bun­des-SPD mit „Koh­le-Gabri­el“ als Umwelt­mi­nis­ter da ist. 

Inso­fern kann ich mich die­ser Stel­lung­nah­me nicht anschlie­ßen, son­dern blei­be dabei, dass es – gera­de wenn es mit­tel­fris­tig dar­um geht, das lin­ke Pro­fil der Grü­nen zu schär­fen – gar nicht so schlecht ist, am Ein­zel­bei­spiel Ham­burg deut­lich zu machen, dass wir nicht am Gän­gel­band der SPD hän­gen, und dass es manch­mal mög­lich – viel­leicht sogar bes­ser mög­lich – ist, grü­ne Inhal­te auch mit einem poli­ti­schen Geg­ner durch­zu­set­zen, der auch deut­lich als sol­cher sicht­bar ist. Das bedeu­tet m.E. mehr Ehr­lich­keit in Ver­hand­lun­gen, und mehr Pro­fil­schär­fe der Koali­ti­ons­part­ner. Wich­tig ist, dass es es hier eben nicht um ein „his­to­ri­sches Bünd­nis“ (FAZ) geht, son­dern um eine aus einer bestimm­ten Situa­ti­on her­aus gebo­re­ne Zusam­men­ar­beit. An die soll­ten stren­ge Maß­stä­be gesetzt wer­den, und wenn sich bis in einem Jahr zeigt, dass Prüf­auf­trä­ge und grü­ne Zumu­tun­gen an die CDU im poli­ti­schen All­tag nicht umsetz­bar sind, dann hal­te ich es für ein Gebot poli­ti­scher Hygie­ne, so eine Koali­ti­on auch wie­der auf­zu­kün­di­gen. Aber jetzt schon Feu­er zu schrei­en, ist aus mei­ner der­zei­ti­gen Sicht ver­früht und führt par­tei­in­tern nur dazu, Gestal­tungs­spiel­räu­me frei­wil­lig abzu­ge­ben und einzuengen.

War­um blog­ge ich das? Nicht zuletzt des­halb, weil in der inter­nen Dis­kus­si­ons­lis­te der Grü­nen Lin­ken zwar mehr­heit­lich die im Papier dar­ge­stell­te Posi­ti­on zu Wort kommt, durch­aus aber auch ande­re Stim­men zu hören sind.