Kurz: Dystopische Einflussnahme

Irgend­wie habe ich die Ansa­ge ver­passt, dass wir jetzt ins cyber­punk-dys­to­pi­sche abbie­gen. Etwas zuge­spitzt: die klas­si­schen Mas­sen­me­di­en wur­den durch algo­rith­misch und durch ihre Eigen­tü­mer direkt-mani­pu­la­tiv steu­er­ba­re sozia­le Medi­en ersetzt, und die wer­den jetzt eben­so wie enor­me Wahl­kampf­spen­den, Schat­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen und sogar kom­plet­te Fake-News­si­tes dazu genutzt, die Demo­kra­tie zu desta­bi­li­sie­ren. Dahin­ter ste­cken teil­wei­se staat­li­che Akteu­re – wenn etwa Russ­land nicht nur Le Pen und die AfD (und das BSW?) unter­stützt, son­dern über Tik­Tok etc. es auch fast geschafft hät­te, einen rechts­extre­men Prä­si­den­ten in Rumä­ni­en zu instal­lie­ren. Oder es sind Akteu­re wie der reichs­te Mann der Welt, Elon Musk, der jetzt klar sagt, dass er faschis­ti­sche Par­tei­en toll fin­det, der sein Netz­werk „X“ kom­plett dar­auf aus­ge­rich­tet hat, die­se zu pushen – und der mas­sig Geld in die Hand nimmt, um in den USA Trumps Wie­der­wahl und in Groß­bri­tan­ni­en die rechts­extre­me Reform-UK nach vor­ne zu bringen.

Bun­des­tags­wahl 2025 – und wir gucken die­sen Mani­pu­la­ti­ons­be­stre­bun­gen eher hilf­los zu. Die CDU (Spahn, Lin­ne­mann) fin­den Trumps Wahl­kampf kopie­rens­wert. Musk spricht sich für die AfD aus und wird dar­auf­hin von Lind­ner ange­bet­telt, der sich als Ver­tre­ter einer rechts­li­ber­tä­ren Poli­tik a la Milei pro­fi­lie­ren möch­te. Der öffent­lich-recht­li­che Rund­funk lädt wäh­rend­des­sen wei­ter mun­ter die AfD in Talk­shows ein und ver­wi­ckelt sich in Debat­ten, um „Tün­kram“ (Scholz über Merz) oder die Beschimp­fun­gen durch Merz schlim­mer sind. Das nimmt fast lori­ot-bade­wan­nen­taug­li­ches For­mat an. Nur: eigent­lich ste­hen wir gra­de vor ganz ande­ren Her­aus­for­de­run­gen. Rus­si­scher Info­krieg mit Fehl­in­for­ma­tio­nen, die es bis in Reden der CDU und Kom­men­ta­re der ARD (von Trump kopie­ren …) schaf­fen. Kli­ma­kri­se mit einem Aus­maß an Beschleu­ni­gung, das dann doch lie­ber igno­riert wird. Von Koali­tio­nen und Dul­dun­gen mit/durch BSW ganz zu schwei­gen. Zwar bes­ser als die AfD, aber so rich­tig demo­kra­tisch wirkt die­se Kader­par­tei auch nicht.

Klei­ner Licht­blick: Ver­an­ke­rung der Grund­ele­men­te des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts­auf­baus im Grund­ge­setz. Das dürf­te zumin­dest eine direk­te Wie­der­ho­lung des Supre­me-Court-Mas­sa­kers erst ein­mal aus­schlie­ßen. Aber in der Sum­me bleibt Ent­set­zen dar­über, wann wir eigent­lich in die Dys­to­pie abge­bo­gen sind. 

P.S.: Ach ja, und die zuneh­men­de Über­nah­me des Net­zes durch Sprach­ma­schi­nen hät­te ich auch noch erwäh­nen können …

Bundestag XXS

Wenn dann tat­säch­lich am 23. Febru­ar 2025 gewählt wird, wird dies die ers­te Bun­des­tags­wahl nach dem von der Ampel refor­mier­ten Bun­des­tags­wahl­recht sein. Eck­punk­te die­ses refor­mier­ten Wahl­rechts sind: die Sitz­zahl wird auf 630 fest­ge­legt. Es gibt eine 5%-Hürde (nur Par­tei­en, die bun­des­weit min­des­tens fünf Pro­zent der Zweit­stim­men errei­chen, wer­den berück­sich­tigt) und nach Inter­ven­ti­on des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts eine Grund­man­dats­klau­sel (die 5%-Hürde gilt nur dann, wenn eine Par­tei weni­ger als drei Direkt­man­da­te errun­gen hat). Es gibt 299 Direkt­wahl­krei­se. Die Ober­ver­tei­lung fin­det nach dem bun­des­wei­ten Zweit­stim­men­wahl­er­geb­nis nach Sain­te-Lague statt. Inner­halb einer Par­tei erfolgt eine Unter­ver­tei­lung wie­der­um nach Sain­te-Lague auf die Lan­des­lis­ten je nach Zahl der auf die­se ent­fal­len­den Zweitstimmen.

Neu ist nun das Ver­hält­nis von Direkt­man­da­ten und Zweit­stim­men­sit­zen. Galt bis­her, dass jedes über die Erst­stim­me errun­ge­ne Direkt­man­dat in den Bun­des­tag führt – was auf­grund des (par­ti­el­len) Aus­gleichs der so ent­ste­hen­den Über­hang­man­da­te zur deut­li­chen Ver­grö­ße­rung des Bun­des­tags in den letz­ten Legis­la­tur­pe­ri­oden geführt hat – gilt dies nun nur bis zu der laut Ober- und Unter­ver­tei­lung gege­be­nen Sitz­zahl der Par­tei im jewei­li­gen Bun­des­land. Dies erfolgt nach dem Anteil der Erst­stim­me im Wahl­kreis (die stärks­ten Wahl­krei­se einer Par­tei zie­hen also zuerst ein). Rest­li­che Sit­ze wer­den dann gemäß der Rei­hung auf der Lan­des­lis­te verteilt.

Zudem gibt es Son­der­re­geln: zie­hen Einzelbewerber*innen ein, ver­rin­gert sich die Zahl der nach die­sem Sys­tem zu ver­ge­ben­den Sit­ze ent­spre­chend. Und erringt eine Par­tei die abso­lu­te Mehr­heit der Zweit­stim­men, aber nicht die abso­lu­te Mehr­heit der Sit­ze, erhält die­se zusätz­li­che Sit­ze, bis die Mehr­heit auch der Sit­ze her­ge­stellt ist.

Hat eine Par­tei weni­ger Direktmandate/Listenplätze auf­ge­stellt als ihr nach dem Ergeb­nis zuste­hen, ver­klei­nert sich der Bun­des­tag. Mehr als 630 Sit­ze sind nur mög­lich, wenn der gera­de beschrie­be­ne Fall ein­tritt, dass eine Par­tei die abso­lu­te Mehr­heit der Stim­men erreicht. Damit soll­te die­ses Sys­tem also zu einer effek­ti­ven Kap­pung füh­ren. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat die aus­ge­setz­te Grund­man­dats­klau­sel wie­der ein­ge­setzt (als Zwi­schen­lö­sung bis zu einer Ände­rung der 5%-Hürde), abge­se­hen davon die Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit bestätigt. 

Was sind nun die kon­kre­ten Fol­gen des neu­en Wahl­rechts? Dazu las­sen sich ver­schie­de­ne Modell­rech­nun­gen durch­füh­ren. Zunächst ein­mal neh­me ich dazu das Ergeb­nis der Bun­des­tags­wahl 2021 (ohne Berück­sich­ti­gung der Ände­run­gen durch die Wie­der­ho­lungs­wahl in Ber­lin). „Bun­des­tag XXS“ weiterlesen

Feldschlacht, D‑Day, Pyramide

Es geschieht nicht jeden Tag, dass ein neu­es Meme gebo­ren wird. Ges­tern war die FDP (Feld­schlacht, D‑Day, Pyra­mi­de) so freund­lich. Und natür­lich ging es da nicht um Rosen­kohl, son­dern um den geplan­ten und von lan­ger Hand vor­be­rei­te­ten Ampel-Bruch. Regie­ren, um nicht zu regie­ren – dass das Mot­to der FDP war, ließ sich ahnen, fast schon seit Beginn der Ampel-Regie­rung. ZEIT und Süd­deut­sche deck­ten dann auf, wie inten­siv die­ses Lie­ber-nicht-Regie­ren in den Füh­rungs­zir­keln der FDP ven­ti­liert wur­de. Den Begriff „D‑Day“, der in die­sen Berich­ten vor­kam, ließ Lind­ner demen­tie­ren. Eine Nach­richt sah er nicht.

Ges­tern gab es dann Berich­te von Table.Media , auf die die FDP – war­um auch immer – mit der Ver­öf­fent­li­chung des Feld­schlacht-D-Day-Pyra­mi­den-Doku­ments, bzw. stil­echt und genau­er: der Power­point-Prä­sen­ta­ti­on – reagier­te. (Autor laut Doku­men­ten­ei­gen­schaf­ten des PDF übri­gens: Cars­ten Rey­mann, Bun­des­ge­schäfts­füh­rer der FDP, zuvor Büro­lei­ter Chris­ti­an Lindner.)

Und die­ses Doku­ment hat es in sich. Nicht nur, dass es klar auf­deckt, dass Lind­ner und Djir-Sarai gelo­gen haben, wenn sie behaup­tet haben, dass Begrif­fe wie „D‑Day“ nicht ver­wen­det wur­den. Es wird auch, um im Duk­tus der Prä­sen­ta­ti­on zu blei­ben, deut­lich, dass es eine gene­ral­stabs­mä­ßi­ge Pla­nung gab. Oder soll man sagen: dass es eine möch­te­gern-gene­ral­stabs­mä­ßi­ge Pla­nung gab? Denn letzt­lich hat das ja alles über­haupt nicht so funk­tio­niert, wie Lind­ner und sei­ne Par­tei sich das vor­ge­stellt haben: Scholz ist der FDP zuvor gekom­men (mit dem Zeit­punkt, den eigent­lich die FDP nut­zen woll­te); das Nar­ra­tiv der „bösen Ampel“ und des „Auf­op­ferns für das Land“ will selbst in den Talk­shows nicht so recht ver­fan­gen – und die Kon­kur­renz ist für die vor­ge­zo­ge­ne Wahl deut­lich bes­ser auf­ge­stellt als die Par­tei mit dem Pyramidenschema. 

Es bleibt span­nend, ob die FDP erneut aus dem Bun­des­tag fliegt. Nach die­ser Per­for­mance hät­te sie es sowas von ver­dient. „Die Atmo­sphä­re muss ernst­haft aber nicht getrie­ben wir­ken.“ – hat nicht geklappt. Und Poli­tik, die die eige­ne Per­son und die Par­tei ganz nach vor­ne stellt, hat hier doch einen deut­li­chen Dämp­fer bekom­men. Viel­leicht hät­te es sich gelohnt, sich auf die Sach­aus­ein­an­der­set­zung ein­zu­las­sen, das Regie­rungs­pro­jekt ernst zu neh­men – statt über Mona­te hin­weg nur zu blockieren? 

Dazu kommt, dass das neue Wahl­recht Leih­stim­men­kam­pa­gnen deut­lich unat­trak­ti­ver macht, als das bis­her der Fall war. Ent­spre­chend hat ja auch die Uni­on schon ange­kün­digt, für sich zu kämp­fen und kei­ne Wer­be­kam­pa­gne für die klei­ne gel­be Par­tei zu machen.

Die gute Nach­richt: es gibt Gegen­ef­fek­te. Dass wir Grü­nen seit dem 6. Novem­ber über 20.000 neue Mit­glie­der dazu gewon­nen haben, ist so ein Gegen­ef­fekt (allein in mei­nem Orts­ver­band sind vier dazu­ge­kom­men – macht bei gut 40 Mit­glie­dern bis­her etwas um die zehn Pro­zent Zuwachs). Viel­leicht lohnt es sich ja doch, ernst­haft regie­ren zu wollen.

Wumms

Chestnut tree growing II

Dass die Wahl­nie­der­la­ge in Bran­den­burg ganz spur­los an der grü­nen Bun­des­spit­ze vor­bei­ge­hen wür­de, war nicht zu erwar­ten. Dass jetzt der gan­ze Vor­stand – die Vor­sit­zen­den und der Schatz­meis­ter, die poli­ti­sche Geschäfts­füh­re­rin und die bei­den wei­te­ren Vor­stands­mit­glie­der – sei­nen Rück­tritt ein­reicht, hat mich dann doch über­rascht. Aber: es ist die rich­ti­ge Reak­ti­on zum spä­tes­tens jetzt rich­ti­gen Zeit­punkt. Und dass der Vor­stand geschlos­sen zurück­tritt, ist dann doch wie­der etwas, was typisch grün ist: wir gewin­nen gemein­sam, und wir ver­lie­ren gemeinsam.

Ich zol­le Ricar­da und Omid und allen wei­te­ren Vor­stands­mit­glie­dern gro­ßen Respekt für die­sen Schritt. Ich bin mir sicher, dass ihnen die­ser Schritt nicht leicht gefal­len ist. Es ist ja immer auch ein biss­chen poli­ti­sche Traum­deu­te­rei, poli­ti­sche Pro­ble­me und Her­aus­for­de­run­gen allein auf die Per­so­nen – hier an der Spit­ze der Par­tei – zu pro­ji­zie­ren. Ich schät­ze alle Vor­stands­mit­glie­der, und ganz beson­ders Ricar­da und Omid. Das sind Gute! 

Gleich­zei­tig gehört zur Grö­ße eben auch, die Zei­chen der Zeit erken­nen zu kön­nen. Und die rufen laut­stark nach einer Neu­auf­stel­lung, nach einer Neu­erfin­dung. Das letz­te Mal ist die Par­tei Anfang 2018 durch eine sol­che Häu­tung gegan­gen, nach dem Schei­tern der Jamai­ka-Ver­hand­lun­gen, als Robert und Anna­le­na die Fun­da­men­te gelegt haben, die dann zur Regie­rungs­be­tei­li­gung 2021 geführt haben. Auch hier gilt: viel­leicht war es gar nicht nur die neue Idee von „grün“, die bei­de ver­kör­pert haben, viel­leicht war es auch ein Zeit­geist, der grü­ne Ideen hoch­ge­spült und grü­ne Poli­tik attrak­tiv erschei­nen las­sen hat. Den­noch hat die Neu­erfin­dung als „Bünd­nis­par­tei“ ihren Anteil dar­an: Grün als Pro­jekt, das für brei­te Tei­le der Bevöl­ke­rung inter­es­sant sein kann und sich für brei­te Tei­le der Bevöl­ke­rung interessiert.

Etwas hämisch schrei­ben Journalist*innen davon, dass Ricar­da und Omid nur einen Über­gangs­vor­stand gebil­det haben. Das springt zu kurz: sie haben mit­ge­hol­fen, die Koali­ti­on zu zim­mern und sie haben die Klam­mer zwi­schen Par­tei und Regie­rung geschlos­sen. Das immer im Gegen­wind der Unzu­frie­de­nen, mit per­sön­li­chen Anfein­dun­gen und aus der poli­ti­schen Kri­se her­aus. Kei­ne ein­fa­che Auf­ga­be. Und ob jemand ande­res die­se Zeit bes­ser gestal­tet und orga­ni­siert hät­te – das bezweif­le ich doch. 

Trotz­dem: es war zuneh­mend spür­bar, dass eine neue Idee für „Grün“ gebraucht wird, die über die Ver­tei­di­gung der Regie­rungs­be­tei­li­gung hin­aus­geht. Eine Idee, die dar­über hin­aus­geht, dass wir für Kli­ma­schutz und gegen Nazis sind, um es ganz platt zu sagen. 

Der Par­tei­tag im Novem­ber in Wies­ba­den bie­tet jetzt die Chan­ce, gleich in drei­fa­cher Hin­sicht eine Neu­erfin­dung hinzukriegen.

Ers­tens wird jetzt ein neu­er Vor­stand gewählt. Bis­her schwir­ren nur Namen für die Vor­sit­zen­den durch die poli­ti­sche Gerüch­te­kü­che. Ich bin gespannt, wer letzt­lich wirk­lich den Ring in den Hut wer­fen wird – und mit wel­chen Ideen eine sol­che Bewer­bung ver­bun­den wer­den wird. Poten­zia­le sehe ich vie­le. Und die nächs­ten Wochen bie­ten auch Raum dafür, sich zu profilieren.

Zwei­tens hat Robert – ich blei­be mal bei den Vor­na­men – ange­kün­digt, sei­ne mög­li­che Kanz­ler­kan­di­da­tur offen zur Debat­te zu stel­len. Zwi­schen Merz und Scholz hal­te ich ihn für ein Ange­bot, das glän­zen kann, wenn es rich­tig ange­gan­gen wird. 

Und drit­tens ist die­ser Par­tei­tag – auch vor den Ankün­di­gun­gen jetzt – einer, der in der poli­ti­schen Aus­spra­che die Chan­ce bie­tet, den in letz­ter Zeit ver­lau­fe­nen Kurs aus­zu­dis­ku­tie­ren und klar zu zie­hen. Es wäre zu kurz gedacht, das mit einer Ver­stän­di­gung über einen Kurs­wech­sel in der Migra­ti­ons­po­li­tik zu ver­wech­seln. Es geht auch um die Fra­ge, wie viel Eigen­stän­dig­keit in der Koali­ti­on sicht­bar sein soll, wie staats­tra­gend und wie grund­satz­treu wir auf­tre­ten, und wo wir mit­ge­hen und wo wir Nein sagen. Da schwellt sehr viel, im bes­ten Fal­le auch stell­ver­tre­tend für zumin­dest ein bestimm­tes Milieu – und das muss jen­seits von For­mel­kom­pro­mis­sen und Regie­rungs­zwän­gen mal geklärt werden.

Ich bin Dele­gier­ter für den Wies­ba­de­ner Par­tei­tag und habe nach mei­ner Wahl geschrie­ben, dass ich es mir nicht leicht gemacht habe, mich als Dele­gier­ter zur Kan­di­da­tur zu stel­len – weil ich erwar­te­te, dass die­ser Par­tei­tag einer der schwers­ten der grü­nen Geschich­te wird, einer mit dem rea­len Risi­ko, dass wir uns ent­we­der zer­le­gen oder einen Zustand des frus­trier­ten Rück­zugs erreichen. 

An der Lage hat sich – eigent­lich – nicht viel geän­dert. Es bleibt falsch, alles auf ein­zel­ne Per­so­nen zu pro­ji­zie­ren, was sys­te­misch und in einer Orga­ni­sa­ti­on falsch läuft. Trotz­dem öff­nen Rück­tritt und Wahl des Vor­stands ein Fens­ter. Ich sehe jetzt eine reel­le Chan­ce, dass die­ser Par­tei­tag im Rück­blick einer sein wird, auf dem wir uns als Par­tei neu erfun­den haben, auf dem wir knapp ein Jahr vor dem plan­mä­ßi­gen Bun­des­tags­wahl­ter­min gemein­sam und selbst­be­wusst sagen kön­nen: das ist grün, und dafür ste­hen wir! 

Das wäre es wert. 

Kurz: Merz von Gestern

Trotz der Wird-er’s‑oder-wird-er’s‑nicht-Berichterstattung war es eigent­lich abseh­bar. Der Kanz­ler­kan­di­dat der Uni­on heißt dem­nach wohl Fried­rich Merz. Der der SPD wird nach jet­zi­gem Stand der jet­zi­ge Kanz­ler sein, wenn da nicht noch ein Biden-Har­ris-Manö­ver folgt. Und mal ehr­lich: bei­de sind eigent­lich kei­ne so gute Wahl für unser Land. Merz setzt auf Kra­wall, auf das Ges­tern, auf einen weit­ge­hend naht­lo­sen Anschluss an Hel­mut Kohl. Geht’s nur mir so, oder passt das wirk­lich nicht mehr in die Zeit? (Mal ganz abge­se­hen, dass mir aktu­ell nicht klar ist, mit wem die CDU eigent­lich regie­ren will – mit dem BSW?)

Scholz hat­te jetzt drei Jah­re Zeit, zu zei­gen, dass er für Respekt steht, dass er Füh­rung lie­fert, dass er’s kann. Auch das sehe ich nicht so rich­tig. 2021 war er noch Pro­jek­ti­ons­flä­che. Das ist jetzt weg. Wir ken­nen ihn. 

Theo­re­tisch – und mit etwas Opti­mis­mus: auch prak­tisch – öff­net das den Mög­lich­keits­raum für einen drit­ten Kan­di­da­ten. Aus grü­ner Per­spek­ti­ve läuft’s dabei wohl auf Robert Habeck hin­aus. Klar, das ist eine Außen­sei­ter­chan­ce, auch wenn das Jahr vor der Wahl 2021 gezeigt hat, dass ein Jahr in der Poli­tik lang ist, dass sich noch vie­les bewe­gen kann. Habeck als Kanz­ler? Why not? Wenn Merz über sei­ne eige­nen Füße fällt, wenn Scholz den Moment ver­passt, von Buch­hal­ter auf Statt­hal­ter der Nor­ma­li­tät zu schal­ten – und wenn Habeck es schafft, in den kom­men­den Mona­ten nicht als sich klein machen­der Vize­kanz­ler der miss­lie­bi­gen Ampel zu erschei­nen, für die­se unge­lieb­te Tri­as zu ste­hen, son­dern für grün, als Vor­ah­nung des­sen das zum Leuch­ten zu brin­gen, was in die­sem Land mög­lich ist: dann könn­te es klappen. 

2011 hat­ten wir Grü­nen in Baden-Würt­tem­berg 24,2 Pro­zent, die SPD 23,1 Pro­zent – das reich­te, der Rest ist Geschich­te. Und ganz unähn­lich zum dama­li­gen CDU-Minis­ter­prä­si­den­ten Map­pus ist Merz nicht, bei Lich­te betrachtet.