Neben 52 Fotos der Woche – teilweise mit ausführlichen Reise- oder Ausstellungsbeschreibung – gibt es drei Themen, zu denen ich 2023 jeweils acht oder mehr Artikel veröffentlich habe: das ist die (v.a.) deutsche Politik (ein Teil der unter Klima/Nachhaltigkeit und unter „Politik Grüne“ einsortierten Beiträge gehört eigentlich auch dazu), das ist natürlich mein letztes Jahr dann doch recht regelmäßig aktualisiertes SF- und Fantasy-Lesetagebuch, und das ist „Digitales“. Die Hälfte der Beiträge in dieser Kategorie handelt von Twitter/X bzw. Bluesky, und warum ich das eine (durch Rauswurf gezwungenermaßen) nicht mehr und das andere immer noch nicht nutze.
Falls mich jemand auf Bluesky sucht …
… bin ich da weiterhin nicht zu finden.
Mit jeder weiteren Musk-Eskapade bin ich dann doch froh drum, Ex-Twitter zwangsweise verlassen zu haben.
Nach den Nerds, die schon vor ein paar Monaten von Twitter ins Fediverse gewechselt sind, wird es jetzt auch großen und bekannten Accounts zu heiß. Der place to be scheint – nachdem Post, News, Threads, etc. sich alle als nicht so dolle herausgestellt haben – der Twitter-Ableger Bluesky zu sein. Und weil alle dahingehen, gehen alle dahin. Sofern sie denn einen der noch knappen Invite-Codes bekommen.
Markus Beckedahl beschreibt diesen Exodus hier viel besser, als ich das könnte. Und er beschreibt – am Schluss der Kolumne – auch ganz gut, warum das nur bedingt eine gute Idee ist.
Letztlich ist Bluesky eine weitere kommerzielle Plattform mit dem Ziel, irgendwann Geld zu verdienen. Bisher lässt sich da angenehm die Zeit verbringen, nach allem, was ich dazu höre. Ob das auf Dauer so sein wird, und was passiert, wenn z.B. in größerem Ausmaß Trolle auftauchen, bleibt abzuwarten. Und auch wenn es aktuell nur eine Postillon-Satire ist – niemand kann ausschließen, dass eines Tages Musk oder ein*e andere*r durchgeknallte Superreiche*r Bluesky kauft und die eigenen Regeln etabliert.
Ich verstehe, dass das Fediverse/Mastodon auf einige abschreckend wirkt. Die technische Komplexität wird nicht so gut hinter einer schicken Oberfläche versteckt, wie das bei kommerziellen Plattformen der Fall ist. Die Mastodon-App für ios hat so ihre Macken. Und: einige Elemente der Kultur, die sich dort etabliert hat, nerven (siehe dazu auch hier). Alles verständlich. Trotzdem fühle ich mich bei Mastodon inzwischen gut eingerichtet wohl. Vielleicht ist eine langsamere und weniger zu viralen Ausbrüchen neigende Plattform in diesen Zeiten gar nicht so schlecht.
Wer mich bei Mastodon sucht, findet mich dort unter @_tillwe_@mastodon.social. Und wer selbst wechseln will, dem würde ich allerdings nicht diese Großinstanz empfehlen, sondern lieber etwas lokales, norden.social, sueden.social, oder hier in der Freiburger Region freiburg.social.
Technisch ist es nicht ausgeschlossen, dass jemand eines Tages eine Brücke baut zwischen dem W3C-standardisierten Protokoll des Fediverse und dem System, das unter der Haube von Bluesky steckt. Bisher gibt es diese Brücke nicht, und wenn die übliche kommerzielle Plattformlogik greift, dann wird es sie auch nicht lange geben. Wäre schön, wenn es anders läuft. (Zur Erinnerung: Twitter fing mal mit offener API und ganz vielen Zugriffsmöglichkeiten für Apps an – bis dieses ganze Ökosystem nach und nach zerstört wurde, um die Interaktionen samt Werbekunden-Views auf twitter.com zu holen).
Das mal als aktueller Stand – auch meine Haltung hier ist sicher nicht in Stein gemeiselt, ich habe, wie gesagt, durchaus Verständnis dafür, dass Bluesky zur Zeit attraktiv wirkt und viele anzieht. FOMO tut ein übriges – aber das halte ich aus. Insofern bin ich bis auf weiteres nicht auf Bluesky zu finden.
Nix von X
Fürs Protokoll: nach meiner mir weiter unklaren Twitter-Sperrung durch die X Corp habe ich sofort auf den Einspruch-Button geklickt und dann auch noch mal separat eine Mail an die irgendwo im Impressum versteckte de-Support-Adresse geschickt.
Eine Reaktion gab es bis heute nicht. Irgendwie erscheint mir das nicht richtig. Leider ist das deutsche Umsetzungsgesetz für den Digital Services Act erst für Januar angekündigt, das würde zumindest eine Art Verfahren definieren.
Ich bin noch nicht entschieden, was ich jetzt mache – Wink des Schicksals, es mit Twitter jetzt halt bleiben zu lassen, oder Sturheit und gucken, ob es einen rechtlichen oder wie auch immer gearteten Weg gibt, den Account wieder frei zu bekommen?
(Dass ich gerade Michael Seemanns kluges Buch über die Macht der Plattformen gelesen habe, hilft nur bedingt weiter. Immerhin könnte ich jetzt mit klar definierten Begriffen beschreiben, warum „X“ es sich leisten kann, so vorzugehen.)
Kafka am Morgen (oder: Twitterende, Teil 4 von x)
Nicht die Verwandlung, sondern der Prozess – irgendwas wird mir vorgeworfen, aber ich habe keine Ahnung, um was es geht, und was ich (außer auf den Knopf „Einspruch einlegen“) dagegen tun kann. Der übliche morgendliche Griff nach dem Handy, der Klick auf das X, das den blauen Vogel ersetzt hat, führt ins Leere – und ich muss zweimal hinschauen, um zu kapieren, was da steht:
Mein Account ist gesperrt. Eine Mail dazu gab es nicht. Und der Account ist auch gleich „permanent gesperrt“. Keine Verwarnung, kein Hinweis auf „bitte diesen Post löschen“, sondern „permanent gesperrt“. Warum? Weil ich gegen – unfreiwillige Komik – „X Regeln“ verstoßen haben soll. Welche das sind, wird nicht gesagt.
Vermuten kann ich, dass die letzten paar Posts, die Aiwangers jugendliche Freude am Nationalsozialismus kommentiert haben, der Grund für die Sperrung waren. Weiter kann ich vermuten, dass da jemand fleißig Posts gemeldet hat (wobei ich auch dazu keine Informationen bekommen habe, was sonst der Fall ist). Oder es war ein übereifriger Bot. Und ich kenne mindestens einen zweiten Account, der gestern ebenfalls gesperrt wurde.
Vielleicht endet nach 15 Jahren oder so, genaueres müsste ich nachschauen, meine Nutzung von Twitter. Wäre ja auch nicht das schlechteste. Aber wissen, was da hinter steckt, würde ich schon gerne. Insofern bin ich gespannt, ob der Einspruch gegen die Sperre irgendetwas bewegt. All zu viel Hoffnung habe ich allerdings nicht.
Gleichzeitig legt diese Sperre auch offen, wie unbenutzbar Twitter aka X inzwischen ist – theoretisch kann ich mit der Sperre weiter lesen, was auf Twitter gepostet wurde. Praktisch kam sofort die Meldung, dass ein Häufigkeitslimit überschritten ist, und ich doch bitte ein Abo abschließen soll, um weitere Tweets zu lesen. Nee, sicher nicht.
Der Versuch, in meinem Profiltext darauf hinzuweisen, dass der Account gesperrt ist, scheiterte ebenfalls an einem HTML-Fehler (in der ios-App), und der Klick auf „Archiv herunterladen“ führte nur in eine Endlosschleife. Vielleicht ist es einfach so, dass das Ex-Twitter kaputt ist. Dann eben anderswo. Wer mit mir interagieren will: bei Mastodon unter @_tillwe_ geht das weiterhin.
P.S.: Nebeneffekt: ich merke, wie sehr ich das „mal schnell eben auf Twitter gucken“ inzwischen verinnerlicht und als Praxis automatisiert habe. Oder mit Garfinkel: erst die Krise zeigt die Regelstrukturen auf.
Projekte und die Mitte
Man kann sich auch auf Mastodon wunderbar in die Haare kriegen. Und manchmal ist das sogar produktiv. Beispielsweise ist das Ergebnis einer solchen Posting-Schlacht gestern, dass ich seitdem darüber nachdenke, wie das mit Projekten und der Mitte ist, und ob der Mainstream sich umleiten lässt.
Oberflächlich ging’s in der Debatte um soziale Netzwerke. Unabhängig davon kann ich dazu empfehlen, was Dejan Mihajlović heute morgen zu sozialen Netzwerken zwischen Demokratie und Dienstleistung geschrieben hat. Das hat allerdings nur tangential mit dem zu tun, um was es mir geht. Nämlich um die Frage, wie im weitesten Sinne „linke“ Netzwerkprojekte mit Inklusion und Exklusion umgehen. Und diese Frage geht weit über soziale Netzwerke und Open-Source-Digitalprojekte hinaus.
Mir scheint es hier zwei Herangehensweisen zu geben, die – zumindest in ihren Extremen gedacht – nicht, zumindest nur schlecht miteinander zu vereinbaren sind. Und ich bin mir nicht sicher, ob allen immer klar ist, in welchem dieser Modi sie gerade unterwegs sind. „Projekte und die Mitte“ weiterlesen