Das Regierungsmitglied S. kündigt an, demnächst ein Kind zu erwarten. Es wird gratuliert, vor allem aber eifrig darüber diskutiert. Die Untertöne in der Debatte reichen von der Frage, ob dieses Regierungsmitglied dann noch sein Amt ausüben kann, bis hin zu Spekulationen, ob es denn politisches Kalkül war, zur Elternschaft zu kommen. Die Annahme, dass ein wichtiges Führungsamt wie das von S. mit einem Kind zu vereinbaren ist, ist jedenfalls längst nicht selbstverständlich. Und selbst wenn, dann geht es vielleicht gerade in so einer exponierten und politischen Position mit hohem Gehalt, aber nicht, wenn S. einen ganz normalen Beruf ausüben würde.
Natürlich ist S. die Familienministerin Kristina Schröder. Dass so debattiert wird, und dass das vermutlich nicht der Fall wäre, wenn S. der Familienminister Kristian Schröder wäre, zeigt, wie selbstverständlich geschlechtsdifferent bestimmte Annahmen darüber, was passiert, wenn Menschen zu Eltern werden, in Deutschland immer noch sind. Dass das so ist, ist nichts neues – trotzdem halte ich es für sinnvoll, an einer Stelle wie dieser, wo es doch sehr deutlich wird, genau darauf hinzuweisen.
Ich vermute mal, dass die Art der Debatte auch etwas mit der politischen Zugehörigkeit der Ministerin zu tun hat – zumindest habe ich nicht mitbekommen, dass es eine entsprechende Diskussion um die Frage gegeben hätte, ob denn Frau Nahles ihr Amt als Generalsekretärin der SPD noch ausüben kann…
Doch, die gab es ebenso (einer der ersten paar Treffer einer Google-Suche nach „Nahles schwanger“ – eine diskursanalytische Untersuchung allein schon der Schlagzeilen und Teaser-Texte würde schnell klar machen, dass auch da „geht das überhaupt?“ ein ziemlich verbreitetes Deutungsmuster ist, glaube ich).
Während ich mir eine schnelle Rückkehr von Nahles nach der Geburt auf die politische Bühne wünsche, hoffe ich, dass das „Regierungsmitglied S.“ ein traditionelles Rollenkonzept bevorzugt und bis der kleine Racker von zuhause auszieht in der Hauswirtschaft Erfüllung findet. Dieses verzeinzelte Bäuerinnenopfer könnte nämlich dazu führen, die Emanzipation einer weitaus größeren Anzahl von Frauen und Männern nicht weiter zu erschweren.