Paradoxerweise: gerade die bissigen Angriffe der anderen Parteien – vorneweg der CDU und der sich anti-grün gebenden ehemaligen Umweltministerin und jetzigen Kanzlerin – auf die Grünen, die darauf hindeuten, dass die aktuellen Wahlumfrage mehr Aussagekraft haben, als genau diesen Parteien lieb ist. Jedenfalls dann, wenn die symptomatischen Ähnlichkeiten der politischen „Hackordnung“ mit Hühnerställen und Wolfsrudeln tragfähig sind.
Dass die FDP schon vor Wochen mit „dagegen“ auf die Grünen zielte – das ist business as usual; der Streit der Kleinparteien um den dritten Platz. Wenn aber der Hauptgegner in der Rede der Kanzlerin auf dem CDU-Parteitag nicht mehr die andere große Partei ist, sondern die Grünen – und wenn Grüne dadurch eine ganz andere Position in diesem Diskurs einnehmen, dann hat sich da in der Tat etwas verschoben. Klar sind das auch Versuche, Geschlossenheit herzustellen und Lagergrenzen neu zu festigen – aber bisher war das „andere“ Lager eben eines, bei dem auch diese kleine Ökopartei dabei war. Und keines, in dem die Hauptangriffslinie auf grün zielt.
Nebenbei: ich glaube übrigens nicht, dass das – so wünschenswert das manchen erscheinen mag – das Ende jeglicher Debatte über schwarz-grün ist. Vielleicht ein Moratorium – mehr nicht.
Insofern können wir uns darüber freuen, angegriffen zu werden. Die Reden und die dahinter stehende Ängstlichkeit der alten Großen, die sich in die Ecke gedrängt fühlen, machen klar, dass hinter den guten Zahlen mehr steckt als ein einmaliger Zufall. Zwar heißt das auch, dass die beginnenden Wahlkämpfe kein Zuckerschlecken werden; ich vermute, dass schon die Berichterstattung über den Bundesparteitag jetzt am Wochenende noch viel schärfer als sonst auch davon gekennzeichnet sein wird, dass CDU (und SPD) ganz genau hinschauen und versuchen werden, jeden noch so unsinnigen „Fehler“ sofort auszuschlachten. In die selbe Richtung geht der Versuch, uns Fortschrittsfeindlichkeit zu unterstellen – nichts anders meint dieses „Dagegen“.
Aber davon sollten wir uns nicht ins Bockshorn jagen lassen – sondern darauf vertrauen, dass auch die neu dazukommenden potenziellen Grün-WählerInnen schätzen, dass wir eine Partei sind, die ein Projekt hat. Dass wir mehr als andere Parteien Vernunftbereitschaft verkörpern. Ich glaube, dass es geschätzt wird, wenn wir engagiert in der Sache bleiben, aber dabei immer sachlich bleiben. Und wieder und wieder geduldig erklären, dass es nicht ums Dagegensein geht, sondern um ein Für – für den „nachhaltigen Umbau unserer Gesellschaft“.
Dieses Für müssen wir rüberbringen – und dabei eben immer auch erklären (und nicht versuchen, wegzuwischen), dass dieses große grüne Projekt seine eigenen Zielkonflikte mit sich bringt, zum Beispiel hinsichtlich der Frage, wie 100% Erneuerbare und Netzausbau sinnvoll zusammenkommen.
Und mit etwas Glück steht am Ende eines langen und durch Schlammwürfe und Aggression gekennzeichneten Wahljahrs dann nicht nur die eine oder andere Gestaltungsoption (den auch darum geht es), sondern auch die Erkenntnis, dass ein Politikstil, der sich durch Schlechtreden und Durchprügeln auszeichnet, in Wolfsrudeln (oder Hühnerställen) vielleicht seine Berechtigung hat, aber nicht in einer Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. Schön wär’s jedenfalls.
Warum blogge ich das? Weil ich auch in der Hinsicht gespannt bin, wie die BDK in Freiburg werden wird. Und glaube, dass das Thema „Politikstil“ völlig unterschätzt wird in der ganzen Parteienverdrossenheitsdebatte.
Hi Till,
sehr schöner Beitrag, aber ich habe paar Anmerkungen:
1. Wir Grünen haben leider oft auch keinen viel besseren Stil. Wir hacken auch auf der Regierung rum.
2. Ich wünsche mir auch, dass sich der Stil ändert, aber ich habe oft das Gefühl, dass gerade die jüngeren Leute der anderen Parteien da auch bischen offener sind.
3. Irgendwie finde ich es schön, der Hauptgegner zu sein. Und wenn mir der bayrische Ministerpräsident den Urlaub bei den Palmen (auf denen wir angeblich sitzen) finanzierne würde, hätte ich auch nichts dagegen ;-)
Da sprichst Du genau den „elephant in the room“ an: Die Wähler fragen sich, wen wollen wir als Ministerpräsident_in haben? Ganz offensichtlich keinen Scharfmacher à la Mappus. Der Archetyp des konservativ-schwäbischen Bruddlers à la Kretschmann, mit seinem pietistisch-bescheidenen und tiefreligiösen Duktus im Auftreten nicht unähnlich zum nach wie vor beliebten Erwin Teufel, dürfte den Leuten deutlich mehr zusagen.
Das wird den Verfechtern von Doppelspitze und Sachpolitik (statt Personenwahl) nicht gefallen. Kann einem aber, denke ich, wurscht sein: Die Grünen würden in einer Landesregierung bitter notwendige Reformen anschieben und beispielsweise die katastrophale Blockade in der Bildungspolitik und bei der Windenergie im Ländle beenden, und das ist die Hauptsache.