Fairphones Ende

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Das mit dem nach­hal­ti­gen Mobil­te­le­fon ist gar nicht so ein­fach. 2014 habe ich mir das Fair­pho­ne 1U gekauft, und nut­ze es immer noch. Ich mag das Design und das Image (und ken­ne gera­de in grü­nen Krei­sen vie­le, denen es ähn­lich geht). 

Das Fair­pho­ne ist ein Android-Smart­phone, her­aus­nehm­ba­rer Akku, ten­den­zi­ell auch der Anspruch, repa­rier­bar zu sein, und so eine län­ge­re Nut­zungs­dau­er zu ermög­li­chen. Bei der Her­stel­lung wur­de ver­sucht, sozi­al-öko­lo­gi­sche Kri­te­ri­en zu berück­sich­ti­gen, etwa beim Bezug von Rohmaterialien.

Inzwi­schen gibt es das Fair­pho­ne 2, das grund­le­gend neu designt wur­de und eine gewis­se Berühmt­heit erlangt hat als das ers­te modu­lar gestal­te­te Smart­phone, das in grö­ße­rer Stück­zahl gefer­tigt wurde. 

Ich habe mich an die Macken des hand­li­chen klei­nen Fair­pho­ne 1U gewöhnt. Das GPS ist mise­ra­bel, die Kame­ra nicht beson­ders gut, manch­mal geht die Daten­ver­bin­dung ver­lo­ren. Es kann kein LTE, und auch der Spei­cher läuft schnell voll. Irgend­wann bläh­te sich der Akku auf und muss­te ersetzt wer­den. Um die USB-Schnitt­stel­le zu scho­nen, habe ich einen Magnet­ad­ap­ter gekauft. 

Lei­der sind die Tage mei­nes Han­dys gezählt. Inzwi­schen hat Fair­pho­ne auch offi­zi­ell mit­ge­teilt, dass Ersatz­tei­le nicht mehr lie­fer­bar sind, wohl auch kei­ne neu­en Akkus. Und auch das Betriebs­sys­tem, Stand Android 4.irgendwas, wird kein Update mehr erhalten.

Noch funk­tio­niert mein Fair­pho­ne – so halb­wegs. Teil­wei­se nur mit älte­ren Ver­sio­nen von Apps, teil­wei­se mit Work­arounds. Ich nut­ze es wei­ter­hin ger­ne. Aber irgend­wann in naher Zukunft wird es viel­leicht einen neu­en Akku brau­chen. Oder end­gül­tig von Face­book und Twit­ter über­for­dert sein. 

Scha­de – die Idee, ein län­ger zu nut­zen­des Smart­phone zu pro­du­zie­ren, war und ist gut. Aber das Expe­ri­ment Fair­pho­ne zeigt auch die Gren­zen die­ser Idee.

War­um blog­ge ich das? Aus anti­zi­pier­ter Melan­cho­lie heraus.

Update: Inzwi­schen gibt es ein State­ment von Fair­pho­ne, in dem ins­be­son­de­re auf die in der Sup­p­ly-Chain nicht mehr gege­be­ne Ver­füg­bar­keit von Ersatz­tei­len hin­ge­wie­sen wird. Das fin­de ich durch­aus span­nend, weil es noch ein­mal die glo­ba­len Abhän­gig­kei­ten zeigt. Und dann woll­te ich noch wei­ter­ge­ben, dass mich meh­re­re Leu­te auf das gro­ße Sicher­heits­pro­blem hin­ge­wie­sen haben, das dar­in besteht, dass Fair­pho­ne kei­ne Updates über Android 4.x hin­aus ange­bo­ten hat. Bild­hadft gesagt: ein Öko-PC, der aber heu­te noch nur mit Win­dows XP zu betrei­ben ist.

Kurz: Lauschangriff auf der BDK

Einer dpa-Mel­dung zum „Lausch­an­griff“ auf ein Gespräch zwi­schen Win­fried Kret­sch­mann und Mat­thi­as Gastel auf der BDK ent­neh­me ich, dass der „Jour­na­list“, der die­se pri­va­te Unter­hal­tung auf dem Par­tei­tag auf dem rech­ten Por­tal „Jour­na­lis­ten­watch“ (Umfeld „PI“, sie­he etwa hier) ver­öf­fent­lich hat, Chris­ti­an Jung heißt. Ein wenig goog­len zeigt, dass Herr Jung auch Autor des rechts­extre­men Kopp-Ver­lags ist – und bringt ein Foto ans Licht. Den ken­ne ich doch, den­ke ich mir – und dann fällt mir auf, wo ich die­sen Her­ren schon ein­mal gese­hen habe:

Wir saßen dies­mal recht weit vor­ne. Irgend­wann bau­te dann ein Kame­ra­team eine halb-pro­fes­sio­nell aus­se­hen­de Kame­ra direkt neben unse­ren Dele­gier­ten­rei­hen auf, um Cem Özd­emir auf dem Podi­um zu fil­men. Mit­ten in der Debat­te über die Qua­li­tät von Erzieher*innen stell­te sich dann ein Herr im karier­ten Hemd direkt vor die Absper­rung zum Podi­um und ließ sich bei einem Auf­sa­ger fil­men. Ich kann den Text nicht mehr genau wie­der­ge­ben, aber es ging sinn­ge­mäß dar­um, dass Cem ihm immer noch nicht die (Suggestiv-)Frage beant­wor­tet habe, ob der Flücht­lings­zu­zug nicht zu einem mas­si­ven Anwuchs an Ter­ro­ris­ten füh­re, oder so. Ich hat­te das dann mit dem Hin­weis „Hier wer­den Fake-News pro­du­ziert“ get­wit­tert. Was genau auf dem Pres­se-Akkre­di­tie­rungs­schild­chen stand, konn­te ich lei­der nicht lesen. Ich hät­te vom Akzent her auf Bay­ern­ku­rier getippt. (Anders als bei z.B. der AfD sind unse­re Par­tei­ta­ge halt öffent­lich, auch was die Pres­se­ak­kre­di­tie­rung anbelangt …).

Ich ver­mu­te, dass es sich um das sel­be Team han­del­te, das dann auch Kret­sch­manns Pri­vat­ge­spräch in der Par­tei­tags­hal­le belausch­te. Ich glau­be übri­gens sofort, dass ihm das nicht auf­ge­fal­len ist – auf der BDK wim­mel­te es von Kame­ras; auch netz­be­grü­nung hat­te eini­ge (ganz ähn­li­che semi­pro­fes­sio­nel­le) mobi­le Kame­ras am Start. Und dass „MP Kret­sch­mann in ange­reg­ter Unter­hal­tung“ als Bild­ma­te­ri­al auf­ge­zeich­net wird, dürf­te auch nicht wun­dern. Jede Dele­gier­te kennt das, dass Din­ge wie Note­book-Bedie­nung und Stri­cken (und Quatsch mit Blu­men­sträu­ßen), aber auch Bei­fall und natür­lich alles, was mit halb­wegs pro­mi­nen­ten Per­so­nen in den Dele­gier­ten­rei­hen zu tun hat, ger­ne gefilmt wird. Gefilmt, als net­tes Bild­ma­te­ri­al, um Par­tei­tags­be­rich­te zu unter­le­gen, aber nicht als Ton­auf­nah­me mit Richt­mi­kro­fon! Pro­fes­sio­nel­le Journalist*innen machen das näm­lich nicht. Dass vie­le gro­ße Medi­en die­se Auf­nah­me auf­ge­nom­men (und sich damit mit einem Blog vom rech­ten Rand gemein gemacht haben), fin­de ich bestürzend.

Aber viel­leicht hat das Gan­ze auch einen Kol­la­te­ral­nut­zen. Immer­hin dis­ku­tiert die Repu­blik jetzt dar­über, wie der not­wen­di­ge Umstieg auf nicht-fos­si­le Mobi­li­tät in den nächs­ten Jah­ren am bes­ten gelin­gen kann!

Bei uns

Es ist schon eine Wei­le her, dass ich so geflasht war von einem unse­rer Par­tei­ta­ge. Dass ich mit dem posi­ti­ven Gefühl nach Hau­se fah­re, dass wir klar sind, dass wir gebraucht wer­den, und dass wir eine Par­tei sind. Und die­ses posi­ti­ve Gefühl liegt nicht am Schlaf­man­gel und auch nicht an der Son­ne, die sich nach drei Tagen Pro­gamm­de­bat­te zeig­te, son­dern an etwas anderem.

Es hat län­ger gedau­ert, als es not­wen­dig gewe­sen wäre, und es war ein schmerz­haf­ter Pro­zess – aber jetzt haben wir uns sor­tiert. Jetzt sind wir als Par­tei wie­der bei uns. 

Grün zu sein, fühlt sich end­lich wie­der stim­mig an. Gemein­sam, geschlos­sen, ent­schlos­sen – und nicht ein mut­lo­ser Hau­fen von sich unter­ein­an­der befeh­den­den Grüpp­chen. Und auch das ist ange­kom­men, wur­de wahr­ge­nom­men und wird uns in der vor­sich­tig-posi­ti­ven bis enthu­si­as­ti­schen Pres­se­be­richt­erstat­tung zurück­ge­spie­gelt. Das trägt. Ja: Wir wer­den gebraucht, und wir wis­sen genau, was wir in die­sem Land zum Posi­ti­ven ändern wollen.

Die Pro­gamm-BDK hat­te aus mei­ner Sicht drei Funk­tio­nen. Und die hat sie dies­mal – da ein gro­ßer Dank vor allem an Micha Kell­ner, an den Bun­des­vor­stand, aber auch an alle wei­te­ren Betei­lig­ten – alle drei mit Bra­vour erfüllt.

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Warum das mit dem Digitalisierungsministerium nicht so einfach ist

Computer room I

Vor acht Jah­ren war die For­de­rung nach einem Inter­net­mi­nis­te­ri­um eine der zen­tra­len Ideen der Pira­ten­par­tei. 2013 kam dann die FDP auf die sel­be Idee (na gut, und ande­re, auch Grü­ne und CDU und ein­zel­ne Stim­men aus der SPD auch). Fak­tisch gab’s dann Dob­rindt und eine gan­ze Rei­he wei­te­rer Digitalisierungsminister*innen in der Gro­ßen Koali­ti­on (die sich zum Bei­spiel in die­sen Tagen zum DE.DIGITAL-Gipfeltreffen tra­fen). Viel her­aus gekom­men ist dabei – mei­ner Mei­nung nach – nicht. 

Für den anlau­fen­den Wahl­kampf 2017 wärmt die FDP das The­ma jetzt wie­der auf. Und liegt, mei­ne ich, daneben. 

„War­um das mit dem Digi­ta­li­sie­rungs­mi­nis­te­ri­um nicht so ein­fach ist“ weiterlesen

Herzlichen Glückwunsch, Jungle World!

Das mit mir und Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten ist ja so eine Sache. Eigent­lich mag ich gedruck­te, regel­mä­ßig erschei­nen­de Publi­ka­tio­nen sehr ger­ne. Fak­tisch lan­de­te die taz irgend­wann unge­le­sen im Alt­pa­pier, wur­de mir die brand eins zu lang­wei­lig, weil sie sich wie­der­hol­te, und sta­pel­ten sich die Blät­ter, ohne dass ich den Reiz ver­spür­te, sie zu lesen. Tat­säch­lich habe ich – neben RSS-Feeds etwa des Guar­di­an und der FAZ, diver­sen Blogs und dem täg­li­chen Baden-Würt­tem­berg-Pres­se­spie­gel – heu­te nur noch zwei regel­mä­ßig erschei­nen­de Publi­ka­tio­nen im Abo. Die bei­den stel­len ein schö­nes Gegen­satz­paar dar. Auf der einen Sei­te ist es der MERKUR als bil­dungs­bür­ger­li­che Monats­zeit­schrift, auf der ande­ren die Jungle World, die heu­te mit einer sehr schön gemach­ten und span­nen­den Son­der­aus­ga­be zum 20-jäh­ri­gen Jubi­lä­um erschie­nen ist.

Und ja: ich lese die die Jungle World regel­mä­ßig und freue mich, dass es sie gibt. Ange­fan­gen damit habe ich ver­mut­lich aus Neu­gier­de (ich müss­te in mei­nen Kon­to­aus­zü­gen nach­schau­en, seit wann ich sie eigent­lich abon­niert habe). Also, aus Neu­gier­de, was das für eine unge­wöhn­lich undog­ma­ti­sche lin­ke Zei­tung ist. Und wegen des anfangs extrem unkon­ven­tio­nel­len Lay­outs. Letz­te­res hat sich inzwi­schen gebes­sert (und gefällt mir immer noch); das dies­be­züg­li­che Gespräch im dschun­gel (der Kul­tur­bei­la­ge der Jungle World) ist sehr aufschlussreich. 

Gemerkt habe ich dann, dass die Jungle World eine Zei­tung mit Hal­tung ist (ins­be­son­de­re beim The­ma Isra­el), aber eben kei­ne, die immer nur ihre Hal­tung ver­kau­fen will. Son­dern eine, die inter­es­san­te Din­ge macht. Dop­pel­sei­ti­ge aus­führ­li­che Repor­ta­gen mit vie­len Fotos über Absei­ti­ges aus der gan­zen Welt. Comic­k­olum­nen. Kaf­fee­fle­cken im Lay­out. Kom­men­ta­re, die bei aller Ernst­haf­tig­keit auch ger­ne mal in Rich­tung Selbst­iro­nie ten­die­ren. Auch: Ziem­lich viel Ver­ständ­nis für „Cyber“ und „Netz“, bevor es „Digi­ta­li­sie­rung“ hieß.

Die Jungle World ist defi­ni­tiv kei­ne Par­tei­zei­tung, auch kei­ne Split­ter­grup­pen­zei­tung. Sie hat eine Hal­tung, sie ist posi­tio­niert (aber kri­tisch auch der Cri­ti­cal Whiten­ess gegen­über), aber sie legt Wert auf unin­sze­nier­te Debat­ten. Und auf Ver­ständ­lich­keit jen­seits des Sze­ne­jar­gons. Und all das ist gut so.

Ent­stan­den ist die Zei­tung aus einem Streit über die Aus­rich­tung der FDJ-Zei­tung Jun­ge Welt. Statt sich auf Kurs brin­gen zu las­sen, wur­de die Grün­dungs­re­dak­ti­on der Jungle World raus gewor­fen. Sie macht seit­dem ihr eige­nes Ding. 

Heu­te lese ich die Jungle World vor allem als Gegen­gift gegen Betriebs­blind­heit. Es ist hilf­reich, zu sehen, dass es sowas wie begrün­de­te und gut argu­men­tier­te lin­ken Kri­tik (auch an, um nur ein Bei­spiel zu nen­nen, grü­ner Poli­tik) gibt, die nicht zynisch aus­fällt, nicht vom Klas­sen­stand­punkt argu­men­tiert, die aber erst recht nicht mehr Main­stream will, son­dern schlicht von ande­ren und durch­aus ratio­na­len Denk­vor­aus­set­zun­gen aus­geht, wie lin­ker Huma­nis­mus sein könn­te. (Und auch, weil es hilf­reich ist, ab und zu mal Din­ge zu lesen, die zwar links, aber nicht unbe­dingt an Öko­lo­gie oder Nach­hal­tig­keit ori­en­tiert sind …). 

Es gibt Arti­kel in der Jungle World, die ich nicht lese, weil sie ohne Ber­li­ner Insi­der­wis­sen zu zise­liert sind, um wirk­lich zu ver­ste­hen, um wel­che Sze­nestreits es da gera­de geht, oder weil sie schlich­te Zusam­men­fas­sun­gen der Tages­po­li­tik dar­stel­len, die nach ein paar Tagen ver­al­tet sind, oder weil mir der Nerv fehlt, mich mit ande­ren Welt­ge­gen­den zu befas­sen. Das ändert nichts an der Not­wen­dig­keit einer sol­chen Zeitung. 

Die Jungle World infor­miert jede Woche dar­über, dass Ras­sis­mus und Nazi­tum in Deutsch­land All­tag sind, in dem sie schlicht Vor­fäl­le im „Deut­schen Haus“ auf­lis­tet. Auch das ist lei­der eine wich­ti­ge Funk­ti­on der Jungle World.

Ich blei­be Abon­nent, ich lese euch wei­ter­hin – und wün­sche euch zum Geburts­tag die Fähig­keit, auch wei­ter­hin über­ra­schen zu kön­nen, ohne dabei belie­big zu werden.

P.S.: Wer selbst rein­schau­en will – unter jungle.world fin­det sich vie­les auch online.