Vorteil relativ wilder Garten: da fliegt und kriecht so einiges. Zum Beispiel dieser Schmetterling, den ich jetzt völlig unbiologisch und vermutlich falsch als Zitronenfalter bezeichnen würde. Eindrucksvoll: die mintgrünen Augen und der Saugrüssel. Und, fast vergessen: der Schnurrbart!
Photo of the week: Rieselfeld sunset
Nur ein Schnappschuss, aber einer, den ich mag – die langen, an den Entwässerungsgräben des ehemaligen Rieselfelds ausgerichteten „Längs“-Straßen im Freiburger Stadtteil Rieselfeld haben an Abenden im Sommer nämlich die Eigenschaft, einen hervorragenden Blick auf den Sonnenuntergang zu bieten. Wie hier.
Eine sanftere Zeit
Krieg in Europa. Eine Zeitenwende, eine neue Geopolitik. Die großen Krisen, die mehr und mehr den Alltag bestimmen.
Das alles ruft, um in den üblichen Phrasen zu bleiben, nach „einer harten Hand“, nach „klarer Kante“, nach „Zumutungen und Einschränkungen“, oder, auf die Spitze getrieben, nach „Blut, Schweiß und Tränen“. Die Zeitenwende, der Bruch zwischen vorher und nachher gehört zu diesem Inventar, die neue Bedeutung der Bundeswehr, und ebenso Debatten darüber, ob kalt duschen, ungeheizte Wohnungen und harte Sanktionen angemessen sind oder nicht.
In diesem Kontext liegt es erst einmal nicht nahe, über eine sanftere Zeit zu spekulieren.
Trotzdem glaube ich, dass es diese Option gibt. Keine Angst: ich meine damit nicht, jetzt einfühlsam Putins verletzte Seele verstehen zu wollen und das Allheilmittel „Gespräche“ aus der 80er-Jahre-Aktentasche mit dem Friedenstaubenaufkleber zu holen. Das ist in dieser Situation nicht die richtige Antwort, außenpolitisch scheint „Stärke“ leider tatsächlich gefragt und wirksam zu sein.
Aber wenden wir den Blick nach innen.
Wir kommen aus einer sehr individualistischen Epoche. Einer Epoche, in der Protz und Angeberei für manche zum guten Ton gehörte. Eine, in der irgendwie alles möglich war, auch deswegen, weil weder die Herstellungsbedingungen noch die Umweltfolgen von all dem irgendwen interessieren mussten. Wir konnten es uns gut gehen lassen. Also, jeder für sich!
Jedenfalls die, die es sich leisten konnten. Die anderen interessierten nicht. Und in den fortschrittlicheren Milieus wurde der individuelle Konsum in schöne Erdfarben getunkt, etwas Beige hier, etwas Olive da, mit Nachhaltigkeitssiegel an der Flugfernreise und ganz viel Achtsamkeit. Was ja letztlich auch nur heißt, immer und überall die eigenen Bedürfnisse erspüren zu können.
Unterhalb der Oberfläche dieser Ästhetik – der billigen Konsumästhetik genauso wie der Ästhetik der nachhaltigen Erdtöne – stand dann aber letztlich doch erstens ein Egalsein, ein Rückzug ins Eigene – hie auf der Suche nach wilden Erlebnissen, da auf der Suche nach Sinn und Findung. Und zweitens die Melange aus Abstiegsängsten (all die Debatten um Prekarisierung der 2000er Jahre), der völlig ins Leere laufenden Selbsteinschätzung der sozialen Lage (hallo, obere Mittelschicht) und dem oft versteckten, aber immer vorhandenen Kampf ums Vorne-mit-Dabeisein, ums Erster-Sein, ums Besser-Sein, insbesondere im Arbeitskontext. Oder, um weitere Zeitgeistmerkmale zu nennen: eine Zeit für NIMBY, für Trollereien im Netz samt Radikalisierungsspirale, für lautstarke Schlagzeilen und billigen Humor.
Möglicherweise, und das meine ich mit der Spekulation über sanftere Zeiten, ändert sich diese Haltung gerade grundlegend. Ich halte das für möglich, weil ein paar Dinge zusammenkommen.
Photo of the week: Stuttgart green
Vor ein paar Tagen war ich – was zur Zeit pandemiebedingt leider weiterhin selten vorkommt – in Stuttgart. Und habe festgestellt, dass der algige Eckensee im Regen ganz hübsch aussehen kann. Links im Bild übrigens das von der Oper heruntergewehte Kupferdach, dass jetzt als Klimawandelmahnmal im See liegt.
Kurz: 14 Jahre auf Twitter
Twitter erinnert einen inzwischen daran, wie lange eines diesen Dienst schon nutzt – bei mir waren es demnach heute 14 Jahre. Das ist erstens ganz schön lange, wenn ich meine Lebensumstände damals und heute vergleiche (ein Kleinkind, Job an der Uni vs. zwei Teenager, Parlamentsrat usw.), und stimmt zweitens vermutlich nicht. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich zuerst einen Account reserviert, und dann dauerte es noch eine Weile, bis ich Twitter tatsächlich genutzt habe. Oder doch nicht? Dem jetzt nachzugehen, bin ich gerade zu faul, tut auch nichts zur Sache. Der älteste Eintrag zu Twitter in meinem Blog stammt tatsächlich aus dem Juli 2008 und weist darauf hin, dass ich Twitter jetzt auch im Blog einblende, und dass der Dienst zwar für tot erklärt wird, aber wohl doch von einigen Leuten mehr als, hm, identi.ca, genutzt wird.
Twitter – und meine Nutzungspraktiken – sind dann immer wieder Thema im Blog, und verändert hat sich dieser Kurznachrichtendienst über die Jahre auch ziemlich. Damals: Text, kürzer als eine SMS, heute: Apps, Interfaces, alles voll mit Fotos, mit langen Beiträgen (Threads, demnächst Notes), mit direktem Kanal in die mediale Verwertung. Geblieben sind Empörungswellen und Empörung darüber, dass soziale Medien Empörung so einfach machen.
Auf 14 Jahre auf Twitter schaue ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ja, das ist ein extrem wichtiger Resonanzraum für mich, ein „Ort“ des Austauschs, in meiner umfangreichen, aber wohlsortierten Timeline auch sowas wie Heimat und „Blase“. Einzelnen nehme ich es tatsächlich persönlich übel, wenn sie mich geblockt haben (bei anderen wiederum ist’s mir egal). Hier ist immer irgendwas los. Neuigkeiten tauchen schneller auf als auf den Nachrichtenwebsites, und erst recht schneller als in TV, Radio und Fernsehen. Politik findet statt, wird durchgekaut und manchmal auch gemacht. Mit manchen Menschen dort macht’s auch Spaß, sich heftig im Mehrrechthaben zu streiten. Es gibt Menschen, die ich nur via Twitter kenne, und es gibt Menschen, bei denen Twitter dazu beiträgt, lose in Kontakt zu bleiben. Das alles gehört zur positiven Seite, und ist der Grund, warum ich über all die Jahre Twitter treu geblieben bin (und inzwischen zwar ein Mastodon-Konto habe, aber das nur als Zweitding ansehe).
Auf der anderen Seite frage ich mich allerdings schon, was ich mit der Zeit, die Twitterkommunikation bei mir einnimmt, angestellt hätte, wenn ich da nie einen Account angelegt hätte. Wäre ich konzentrierter gewesen, hätte ich mich ohne Twitter auf das eine oder andere Projekt stärker fokussiert? Oder wäre dann halt irgendwas anderes an die Stelle gerückt, ein oder mehrere funktionale Äquivalente, um Austausch, Unterhaltung, Kontakt, etc. zu befriedigen? Wäre ich heute ein anderer?




