Kontrovers: GEW zu Wissenschaftskarrieren – gut gemeint, aber …?

Heu­te hat die GEW das Temp­li­ner Mani­fest vor­ge­stellt, in dem sie in zehn The­sen dafür ein­tritt, wis­sen­schaft­li­che Kar­rie­ren plan­ba­rer zu machen und die damit ver­bun­de­nen Arbeits­be­din­gun­gen zu ver­bes­sern. In den The­sen steht vie­les, was ich auch rich­tig fin­de – dau­er­haf­te Beschäf­ti­gungs­mög­lich­kei­ten jen­seits der Pro­fes­sur bei­spiels­wei­se. Trotz­dem zöge­re ich, das Mani­fest zu unterzeichnen. 

Mag sein, dass da auch gewis­se Vor­ur­tei­le gegen­über Gewerk­schaf­ten mit­spie­len. Vor Augen habe ich aber ins­be­son­de­re die 12-Jah­res-Rege­lung, die ich mit der dama­li­gen SPD-Minis­te­rin Bul­mahn ver­bin­de. Die Idee dahin­ter war, dass ein Ver­bot der Beschäf­ti­gung auf befris­te­ten Stel­len über ins­ge­samt zwölf Jah­re hin­aus dazu bei­tra­gen könn­te, die Zahl wis­sen­schaft­li­cher Dau­er­stel­len zu erhö­hen. Fak­tisch ist das aber nicht pas­siert – weil kein neu­es Geld ins Hoch­schul­sys­tem geflos­sen ist, und weil es – ganz typisch für den Wis­sen­schafts­be­reich – eine gro­ße Zahl poten­zi­ell Beschäf­ti­gungs­wil­li­ger gibt und gab. Statt mehr Dau­er­stel­len zu schaf­fen, war der Effekt der 12-Jah­res-Rege­lung damit eher der, Men­schen aus dem Wis­sen­schafts­sys­tem raus­zu­drän­gen. Die waren dann zwar nicht mehr pre­kär und befris­tet beschäf­tigt – aber beschäf­tigt waren sie auch nicht. Oder die Hoch­schu­len grif­fen zu Tricks wie An-Insti­tu­ten und hoch­schul­na­hen Pro­jekt­trä­gern. Scha­van hat die­se Rege­lung dann wie­der abge­schafft und durch dif­fe­ren­zier­te Befris­tungs­re­ge­lun­gen ersetzt – sinn­vol­ler­wei­se, wie ich finde.

Viel­leicht irre ich mich ja. Aber eini­ge der Temp­li­ner For­de­run­gen klin­gen für mich sehr danach, dass eine ernst­haf­te poli­ti­sche Umset­zung, gera­de in den Hän­den der Sozi­al­de­mo­kra­tie, nicht die inten­dier­ten Effek­te haben wür­de, son­dern zu einem Mehr an Büro­kra­tie und zu kon­tra­pro­duk­ti­ven Regu­lie­run­gen füh­ren wür­de. Um nur zwei Bei­spie­le zu nen­nen: Die For­de­rung nach qua­li­fi­zier­ten Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­sen für Dok­to­ran­dIn­nen kann eben auch hei­ßen, freie Pro­mo­tio­nen nicht mehr zuzu­las­sen. Lehr­be­auf­trag­te durch sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Beschäf­ti­gung zu erset­zen, klingt erst mal gut, kann aber auch hei­ßen, dass die­je­ni­gen, die sich bis­her damit irgend­wie durch­ge­schla­gen haben, dass dann nicht mehr tun kön­nen – und trotz­dem kei­ne neu­en Stel­len geschaf­fen werden. 

Inso­fern also eine gewis­se Skep­sis – aber viel­leicht mag mich jemand vom Gegen­teil überzeugen.

2 Antworten auf „Kontrovers: GEW zu Wissenschaftskarrieren – gut gemeint, aber …?“

  1. Lie­ber Till,
    ich tei­le dei­ne Skep­sis weit­ge­hend. In einem Punkt habe ich jedoch eine ande­re Einschätzung:

    „Die For­de­rung nach qua­li­fi­zier­ten Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­sen für Dok­to­ran­dIn­nen kann eben auch hei­ßen, freie Pro­mo­tio­nen nicht mehr zuzu­las­sen. Lehr­be­auf­trag­te durch sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Beschäf­ti­gung zu erset­zen, klingt erst mal gut, kann aber auch hei­ßen, dass die­je­ni­gen, die sich bis­her damit irgend­wie durch­ge­schla­gen haben, dass dann nicht mehr tun kön­nen – und trotz­dem kei­ne neu­en Stel­len geschaf­fen werden.“

    Ich glau­be, dass es mit­tel- bis lang­fris­tig nur vor­teil­haft wäre, wenn klar gere­gelt wäre, dass nur als Dok­to­rats­stu­dent ange­nom­men wer­den darf, wer auch bezahlt wer­den kann. Kurz­fris­tig ergä­ben sich sicher­lich die von dir geschil­der­ten Pro­ble­me. Mit­tel­fris­tig sind jedoch Dok­to­ran­den eine solch wich­ti­ge Res­sour­ce, dass (a) ent­we­der Geld­mit­tel gefun­den wer­den oder (b) ein ent­spre­chend kon­kur­renz­schwa­cher Lehr­stuhl halt ein Pro­blem haben wird. Viel­leicht ist das eine ver­fälsch­te Wahr­neh­mung eines Natur­wis­sen­schaft­lers – ich habe aber das Gefühl, dass der Druck auf genü­gend Dok­to­rats­stel­len (und die ent­spre­chen­de Finan­zie­rung) hoch genug wäre, dass sich alles Ande­re im Nach­gang regeln würde.

  2. Lie­ber Till,

    Ich ver­su­che es mal:
    1. Das TM for­dert Dau­er­stel­len für Dau­er­auf­ga­ben. Damit ist gemeint, dass eben nicht alles befris­tet wird, son­dern ggf. über STel­len­pools und der­glei­chen unbe­fris­te­te Beschäf­ti­gung ermög­licht wird.
    2. Das TM for­dert Ten­ure Track, d.h. eine dau­er­haf­te PEr­spek­ti­ve. Das wider­spricht eben­falls Dei­nen Befürchtungen.
    3. Das TM for­dert eine Auf­he­bung der Tarif­sper­re im WissZVG.

    Ich den­ke, dass das an die­ser Stel­le so deut­lich ist, dass Dei­ne Befürch­tun­gen unbe­grün­det sind. Neben­bei bemerkt ist das ein Pro­jekt der GEW und nicht der Sozi­al­de­mo­kra­tie. Und auch Neben­bei: Die 12-Jah­res-Sache haben m.W. auch die Grü­nen mitbeschlossen.

    Ich wür­de mich freu­en, wenn Du unter­schreibst. Schau Dir das Mani­fest noch mal an – Du bist der ers­te, der die­se Beden­ken äußert. Viel­leicht kannst Du das kon­kret an Text­stel­len benen­nen, dann kann ich ggf. wie­der dar­auf reagieren.

    Lass uns das The­ma gemein­sam ange­hen – es ist zu wich­tig. Und es hat mit der 12-Jah­res-Rege­lung eben nichts zu tun.

    Nur um Miss­ver­ständ­nis­sen vor­zu­beu­gen: Dass es mit der Juni­or­pro­fes­sur den VEr­such gab, die Habi­li­ta­ti­on über­flüs­sig zu machen, hal­te ich für gut. Was fehlt ist Ten­ure Track und Aner­ken­nung in der Sci­en­ti­fic Community.

    Kle­mens

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