Work in progress: Computergestützte Kommunikation gestern und heute

In einem Anflug von Irri­ta­ti­on dar­über, wie vie­le Men­schen sich, wenn sie sich auf­grund der Twit­ter­däm­me­rung nach ande­ren Orten im Netz umschau­en, ohne mit den Wim­pern zu zucken, wie­der in die sel­ben Abhän­gig­kei­ten bege­ben, ohne offe­ne Schnitt­stel­len, ohne Open-Source-Code, ohne Inter­ope­ra­bi­li­tät – ja, ich spre­che hier von post.news und Hive und der­glei­chen mehr -, habe ich ges­tern Abend mal nach einer Zeit­li­nie der unter­schied­li­chen Platt­for­men und Sys­te­me gesucht. Und weil ich bis auf die­se schö­ne Gra­fik erst ein­mal nichts gefun­den habe, habe ich dann „schnell mal eben“ selbst eine Zeit­li­nie zusam­men­ge­bas­telt. Das gab rege Reak­tio­nen (Debat­te auf Mast­o­don hier und auf Twit­ter hier), und mir sind dabei drei Din­ge klar geworden:

1. Sozia­le Netz­wer­ke im wei­te­ren Sin­ne sind kei­ne ganz neue Erfin­dung, son­dern beglei­ten als Mai­ling­lis­ten, BBS-Sys­te­me, als Use­net oder als Chat-Platt­form wie IRC unse­re ver­netz­te Com­pu­ter­nut­zung schon ziem­lich lange.

2. Wenn ich mich näher damit befas­sen wol­len wür­de, wäre es gut, für Ord­nung zu sor­gen und zu über­le­gen, was ich eigent­lich mei­ne, wenn ich von sozia­len Netz­wer­ken spre­che. Was unter­schei­det Twit­ter von Face­book, was Face­book von ICQ, und was ICQ von Goog­le Groups? Und wie weit soll das eigent­lich gefasst wer­den – sind You­tube, Tin­der, Wer­kennt­wen, Stay­Fri­ends und Lamb­da­MOO auch sozia­le Netzwerke?

3. Für die meis­ten sozia­len Netz­wer­ke (was auch immer dar­un­ter zu ver­ste­hen ist), sind die Anfangs­da­ten (ers­te Nut­zung, wann wur­de die Fir­ma gegrün­det, wann kam das Pro­dukt auf den Markt, …) gut doku­men­tiert, auch die Wiki­pe­dia ist hier sehr hilf­reich. Viel weni­ger klar ist das Ende sozia­ler Netz­wer­ke. Eini­ge Diens­te wur­den ein­ge­stellt (Orkut zum Bei­spiel, oben grau dar­ge­stellt), ande­re schei­nen auch heu­te noch zu exis­tie­ren, sind aber aus der öffent­li­chen Wahr­neh­mung kom­plett ver­schwun­den (FIDO­Net beispielsweise). 

Was ich jetzt wei­ter mit die­sem Impuls, zurück zu gucken, anfan­ge, ist mir noch nicht ganz klar. Jeden­falls: es gab ein Leben vor Twit­ter, und es wird ein Leben nach Twit­ter geben. Bis dahin sam­me­le ich mal wei­ter – etwas über­sicht­li­cher als die Gra­fik oben hier bei Datawrap­per. Tipps und Hin­wei­se ger­ne in den Kommentaren. 

Kurz: Die lange Vorgeschichte des Mobiltelefons

Was ich ja immer wie­der erstaun­lich fin­de, ist die lan­ge Vor­ge­schich­te des Mobil­te­le­fons. Nicht nur, dass bei Erich Käst­ner schon die Idee eines mobi­len Tele­fons auf­taucht, auch ers­te Pro­to­ty­pen etc. aus den 1930er bis 1950er Jah­ren gibt es. Ein paar Bei­spie­le bei „Modern Mecha­nix“: Vest Pocket Tele­pho­nes (1939), Han­die Tal­kie (1945) oder Your Tele­pho­ne of Tomor­row (1956).

Und dann gab es ja seit den 1950er Jah­ren auch noch Auto­te­le­fo­ne und schon davor spe­zi­el­le Funk­te­le­fo­ne (für Schif­fe, Züge, …). Ein Unter­schied zu den drei ver­link­ten Fund­stü­cken ist die bei die­sen schon mehr oder weni­ger klar vor­han­de­ne Idee der Per­so­na­li­sie­rung: das trag­ba­re Tele­fon ist an die Per­son gekop­pelt, nicht an das Haus oder dann eben an das Fahrzeug. 

Was unter­schei­det die Gedan­ken­spie­le und Pro­to­ty­pen aus der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts vom heu­ti­gen Mobil­te­le­fon? Letzt­lich vor allem die Digi­ta­li­sie­rung, und damit der Tran­sis­tor, der eine extre­me Minia­tu­ri­sie­rung, eine Mas­sen­pro­duk­ti­on und vor allem eine extrem ver­grö­ßer­te Nut­zungs­ka­pa­zi­tät ein­zel­ner Funk­fre­quen­zen mög­lich mach­te (neben ande­rem wie dem GSM-Stan­dard …). Tech­nik­ge­schich­te wäre auch spannend ;-)

P.S.: Ein paar Lite­ra­tur­an­ga­ben, falls jemand wei­ter­le­sen will:

Agar, Jon (2003): Con­stant Touch. A Glo­bal Histo­ry of the Mobi­le Pho­ne. Cam­bridge: Icon Books. 

de Vries, Imar (2005): »Mobi­le Tele­pho­ny: Rea­li­sing the Dream of Ide­al Com­mu­ni­ca­ti­on?«, in Hamill, Lyn­ne / Lasen, Ampa­ro (eds.): Mobi­le World. Past, Pre­sent and Future. Hei­del­berg u.a.: Sprin­ger, pp. 11–28.

Gold, Hel­mut (2000): »‚Hän die koi Schnur?‘. Die Ent­wick­lung der Mobil­te­le­fo­nie in Deutsch­land«, in Bau­mann, Marget/Gold, Hel­mut (Hrsg.): Mensch, Tele­fon: Aspek­te tele­fo­ni­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on. Hei­del­berg: Edi­ti­on Braus, S. 77–91.

Her­lyn, Ger­rit (2002): »Die erreich­ba­ren Abwe­sen­den. Mobi­le Tele­fo­nie in der Schweiz«, in Kurt Sta­del­mann; Tho­mas Hen­gart­ner (Hrsg.): Tele­ma­gie. 150 Jah­re Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on in der Schweiz. Zürich: Chro­nos, S. 170–197.

Höher, Hans (1990): »Die tech­ni­sche, betrieb­li­che und per­so­nel­le Ent­wick­lung der deut­schen Funk­te­le­gra­fie«, in Archiv für deut­sche Post­ge­schich­te, Nr. 2/1990, S. 49–68.

Lasen, Ampa­ro (2005): »Histo­ry Repea­ting? A Com­pa­ri­son of the Launch and Use of Fixed and Mobile
Pho­nes«, in Hamill, Lyn­ne / Lasen, Ampa­ro (eds.): Mobi­le World. Past, Pre­sent and Future. Hei­del­berg u.a.: Sprin­ger, pp. 29–60.

Teu­te­berg, Hans-Jür­gen / Neu­tsch, Cor­ne­li­us (Hrsg.) (1998): Vom Flü­gel­te­le­gra­phen zum Inter­net. Geschich­te der moder­nen Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on. Stutt­gart: Franz Stei­ner Verlag.