Merkels Mobiltelefon, menschliche Bedürfnisse und die Allgegenwart der Risiken

Phone

Ange­la Mer­kel, das ist doch die Kanz­le­rin, die ger­ne SMS von der Regie­rungs­bank ver­schickt. Das fällt mir jetzt wie­der ein, wo das #mer­kel­pho­ne zum Hash­tag von Rang auf­ge­stie­gen ist. 

Jetzt, nach der Bun­des­tags­wahl, nach Beginn der Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen und nach der Ent­las­sung (und kom­mis­sa­ri­schen Fort­füh­rung des Amtes) taucht im Licht der Öffent­lich­keit auf, dass Mer­kel eine der Staats­chefin­nen und Regie­rungs­chefs ist, die vom US-Geheim­dienst NSA abge­hört wird (wie die FAZ weiß, auf dem für Regie­rungs­din­ge genutz­tem Par­tei­han­dy). Eine wei­te­re Spät­fol­ge der Snow­den-Ent­hül­lun­gen. Viel­leicht – ich bin mir da noch nicht sicher – der Aus­lö­ser dafür, dass das The­ma Über­wa­chung neu ent­flammt und zu tat­säch­li­chen poli­ti­schen Ver­än­de­run­gen führt. Schließ­lich ist Mer­kel ja auch die Kanz­le­rin der spon­ta­nen Wen­de. Wir wer­den es sehen; aktu­ell wür­de ich aller­dings gleich gro­ße Chan­cen dafür sehen, dass das The­ma in weni­gen Tagen wie­der in der Ver­sen­kung ver­schwun­den ist, Schwamm drüber.

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Die ausbleibende Aufregung

Hölderlebach High II

Eigent­lich sind es unge­heu­er­li­che Ent­hül­lun­gen. Pro­gram­me – im dop­pel­ten Sin­ne, Soft­ware und groß ange­leg­te Über­wa­chungs­pro­jek­te – wie Prism, Tem­po­ra, XKeyscore tau­chen auf. Der Bun­des­nach­rich­ten­dienst koope­riert mit der NSA und über­gibt mas­sen­wei­se auf Vor­rat gespei­cher­te Meta­da­ten. Was wirk­lich pas­siert, ist hin­ter dem Nebel von Geheim­hal­tung und Ablen­kung nur zu erah­nen. Jeden­falls scheint es plau­si­bel zu sein, davon aus­zu­ge­hen, dass wir alle, die wir das Netz benut­zen, in einem weit grö­ße­ren Maß über­wacht wer­den, als dies bis­her ver­mu­tet wur­de. Grund­ge­setz hin oder her.

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Vertraute Technik und die Verschlüsselung

Black key

Ein Strang in der – durch die von Edward Snow­den auf­ge­deck­te per­ma­nen­te Über­wa­chung der Netz­kom­mu­ni­ka­ti­on durch die NSA und ande­re Geheim­diens­te aus­ge­lös­ten – Debat­te dreht sich dar­um, war­um ver­füg­ba­re Kryp­to­gra­phie-Tools nicht ein­ge­setzt werden. 

map hat dazu eini­ges erhel­len­des geschrie­ben, unter dem Titel „Wir haben ver­sagt“. Kern­the­se: Kryp­to­tech­no­lo­gie – also etwa das Ver­schlüs­seln von eMails – wird des­we­gen nicht ein­ge­setzt, weil es kei­ne ein­fa­chen Ober­flä­chen und Tools dafür gibt. Gepaart mit der Arro­ganz der tech­no­lo­gi­schen Eli­te. map ver­gleicht die­se – uns? – mit der „Outer Par­ty“ in Orwells 1984:

Wir machen doch immer so ger­ne Neun­zehn­vier­und­acht­zig­ver­glei­che: Wir sind die Outer Par­ty. Und die Pro­les gehen uns am Arsch vor­bei. Die­se DAUs, die iPho­nes und Face­book benut­zen. Die ihre Daten an US-ame­ri­ka­ni­sche Ser­ver schi­cken. Die Gmail oder GMX benut­zen, statt ihre Mail selbst zu hos­ten. Unse­ren Ekel ver­ber­gen wir hin­ter zyni­schen Rat­schlä­gen. Mit TOR zu sur­fen ist objek­tiv von eine „funk­tio­nal kaput­ten“ Dros­se­lung nicht zu unter­schei­den. Wir haben kein Gefühl mehr für Men­schen die mit die­sen grau­en Kis­ten nur ein biss­chen mit ihren Freun­den reden und rum­sur­fen wol­len, statt ihre kom­plet­te Frei­zeit dar­in zu ver­sen­ken. Nicht mit GNU/Linux hand­ver­schlüs­selt? Ätschbätschselberschuld. 

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Photo of the week: Sun power

Sun power

 
Edward Snow­den, der Whist­le­b­lower, der Doku­men­te über „PRISM“ – das groß ange­leg­te Über­wa­chungs­pro­gramm der NSA – ver­öf­fent­licht hat, ist jemand, der mutig gehan­delt hat, und der sich – den Inter­views und Berich­ten im Guar­di­an zufol­ge, sehr bewusst und mit kla­rem Blick auf die per­sön­li­chen Kon­se­quen­zen für sich und ande­re dafür ent­schie­den hat, PRISM öffent­lich zu machen. Die ver­mut­lich größ­te Ent­hül­lung der letz­ten Jah­re zeigt zudem mit dras­ti­scher Deut­lich­keit, wie wenig das Han­deln Barack Oba­mas mit sei­nen Ver­spre­chun­gen zu tun hat. Ich hof­fe, dass Snow­dens Mut auch poli­ti­sche Kon­se­quen­zen haben wird. Die Netz­so­zio­lo­gin danah boyd hat eini­ge gute Argu­men­te dazu auf­ge­führt, war­um zu erwar­ten ist, dass die meis­ten Ame­ri­ka­ne­rIn­nen schlicht mit den Schul­tern zucken wer­den, nach dem Mot­to „betrifft mich ja nicht“.

Snow­den hät­te auch eine Roman­fi­gur sein kön­nen – in einem der Nicht-SF-Roma­ne von Iain (M.) Banks, der heu­te mit 59 Jah­ren gestor­ben ist. 

Banks war einer der ers­ten Autoren der neu­en schot­ti­schen Sci­ence-Fic­tion-Wel­le, die ich gele­sen habe, und der mich zu „ernst­haf­te­rer“ Sci­ence Fic­tion (und der Lek­tü­re im eng­lisch­spra­chi­gen Ori­gi­nal) hin­ge­führt hat. Mit den Büchern sei­ner Cul­tu­re-Rei­he hat er ein Uto­pia auf­ge­macht, dass durch­aus in der Lage dazu ist, als Gan­zes ethisch frag­wür­dig han­delt. Gleich­zei­tig – das zieht sich, neben dem Spaß an der Kon­struk­ti­on grö­ße­rer und grö­ße­rer Raum­schif­fe und künst­li­cher Lebens­wel­ten durch alle sei­ne Bücher – hat er wohl am kon­se­quen­tes­ten eine Kul­tur beschrie­ben, in der intel­li­gen­te Droh­nen und die „Minds“ der kon­ti­nent­gro­ßen Raum„schiffe“ mit den Men­schen* der Cul­tu­re all­täg­lich inte­griert inter­agie­ren – min­des­tens auf Augen­hö­he, wenn nicht sogar im Ver­hält­nis der über­ra­gen­den Maschi­nen­in­tel­li­genz zum – des Amü­se­ments wegen – gedul­de­ten Men­schen. Nach und nach habe ich dann den Nicht-SF-Banks („Iain Banks“ statt „Iain M. Banks“) ent­deckt und schät­zen gelernt. The Busi­ness (1999) bei­spiels­wei­se ist eine der les­bars­ten lite­ra­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit den Orga­ni­sa­ti­ons­prin­zi­pi­en des Kapi­ta­lis­mus, die mir bekannt ist. (Und wer in sei­ne – teil­wei­se grau­sa­me – Sci­ence-Fic­tion ein­stei­gen will, kann das chro­no­lo­gisch mit Con­sider Phle­bas (1987) tun, oder mit Exces­si­on (1996), dem viel­leicht zugäng­lichs­ten der Culture-Romane).

Banks ist nicht mehr. Und das ist defi­ni­tiv ein Verlust.

* Men­schen: Mir ist bewusst, dass die Men­schen der Cul­tu­re kei­ne Men­schen sind …