Seit einigen Tagen ist das neue „Corporate Design“ für das Land Baden-Württemberg live, und ich fremdle noch sehr damit. Ein bisschen was zu den Hintergründen des „CD“ steht beim Designtagebuch. Im Kern wurde der Schritt, der mit der LÄND-Kampagne 2021 gestartet wurde, weiter umgesetzt: Konzentration auf ein knalliges Zitronengelb plus Schwarz (als Zitat der Landesfarben Gold und Schwarz), Reduzierung der grafischen Elemente, vereinfachte Typografie, Knalleffekte. Was mit „LÄND“ und ähnlichen Kampagnen (wie dem sehr schönen THENERDLAEND.COM des Wissenschaftsministeriums) begonnen hat, wird jetzt auf die Landesverwaltung insgesamt ausgerollt.
Bisher verwendeten die Websites und Publikationen des Landes eine Serifenschrift (eine Garamond, glaube ich), ein pastelliges Gelb (von dem ich irgendwann mal gehört habe, dass es von der Wandfarbe der badischen Finanzämter kommt, ob das stimmt, weiß ich nicht) und das Landeswappen mit Zierrat, wie es im Wappengesetz festgelegt ist. Neben den drei Löwen (staufischen Pantern) finden sich da ein Greif für Baden und ein Hirsch für Württemberg sowie klein in der Krone des Wappens Verweise auf unterschiedliche Landesteile. Das Wappen wird so seit 1954 verwendet, der landesweit einheitliche Auftritt seit den 2000ern, wenn mich nicht alles täuscht. Davor finde ich vor allem das Landeswappen in schwarz-weiß mit dem Serifenschriftzug „Baden-Württemberg“.
Jetzt wurde das Wappen im Auftritt des Landes in Web und Print radikal auf die drei Löwen – in stilisierter Form – reduziert, dazu kommt in serifenloser Schrift der Name der jeweiligen Behörde. Im Beispiel oben das Verkehrsministerium. Zudem hat jedes Ministerium noch eine sehr reduzierte, fast schon typografische Grafik bekommen, die den jeweiligen Gegenstandsbereich darstellt (hier: Flugzeuge und Elektroautos). Bei der Deutschen Bahn habe ich unlängst ähnliches gesehen, das scheint gerade Mode zu sein.
bisheriges Logo | neues Logo |
Ich fremdle noch mit diesem neuen Auftritt. Zum einen finde ich die Farbgebung sehr grell. Das mag modern wirken (dazu gleich mehr), nimmt aber auch Bezüge zu „Heimeligkeit“ weg, die eben auch zu diesem immerhin seit 1954 bestehenden Bundesland gehören. Ähnliches lässt sich über den Wegfall von Wappen und Serifenschrift sagen. Neben dem etwas altbackenen, aber auch gemütlichen Aspekt, der dadurch ausgestrahlt wurde, hat das Wappen als Hoheitszeichen immer auch „das hier ist ein Staat“ signalisiert, also Bezüge zu einer langen Traditionslinie der Eigenständigkeit – und einer gewisse Amtsautorität – aufgemacht. Das fällt jetzt eher weg.
Jetzt also: drei Löwen und ein Schriftzug. Das könnte auch ein Konzern sein. Mich erinnert es an die Gestaltungssprache der 1970er Jahre. Grafisch reduzierte Formen, starke Kontraste, keine Details, eine serifenlose Schrift (damals gerne die Helevetica) – München 1972, reduzierte Logos etwa der Deutschen Bank, von Beiersdorf oder der DLR. Und auch die Bundesrepublik Deutschland verwendete in den 1970ern einen stilisierten Adler plus serifenloser Schriftzug als „Absender“. Das passt eher zu Lothar Späth als zu Winfried Kretschmann. Oder täusche ich mich da?
(P.S.: Grafisch ganz furchtbar finde ich das neue „reduzierte Wappen“ / „extended Logo“)
Und gleichzeitig fällt mir das Niedersachsen-Pferd ein. Das weiße Pferd auf rotem Wappenschild ist bis heute – bzw. heute wieder – auf dem Webauftritt etc. der Landesregierung Niedersachsens zu finden. 1990 gab es einen Versuch, den Auftritt zu modernisieren. Aus dem Pferdewappen wurde ein stilisiertes Logo – im Netz finde ich leider kein Beispielbild dafür. Das blieb aber nur wenige Jahre in Verwendung. Mit dem Regierungswechsel von der SPD zur CDU wurde wieder das alte Landeswappen im Auftritt des Landes eingeführt.
Mal schauen, ob es dem grellgelb-schwarzen Auftritt Baden-Württembergs anderes ergeht. Oder ob sich durchsetzt, dass Baden-Württemberg das „gelbe“ Land ist. Was auch immer das politisch bedeutet.