For All Mankind (Apple TV) funktioniert für mich einfach. Ich habe gerade das Finale der Staffel 4 gesehen (das in einer alternativen Realität in einer Marskolonie im Jahr 2012 endet), und bin begeistert davon, weil die Serie es schafft, Politik, halbwegs plausible Wissenschaft bzw. halbwegs plausibles Ingenieurwesen und ganz unterschiedliche (zwischen-)menschliche Perspektiven zu vereinen. Das Netz sagt, dass aktuell eine fünfte Staffel gedreht wird – und ja: die will ich sehen, und bin schon ein bisschen ungeduldig.
Ebenfalls gut gefallen haben mir die ersten paar Folgen der Murderbot-Verfilmung (ebenfalls auf Apple TV). Nachteil: die einzelnen Folgen sind nur 20 Minuten lang, das ist … kurz. Die Murderbot-Diaries von Martha Wells, die der Serie zugrunde liegen, hätte ich jetzt eher in die Kategorie „schwer verfilmbar“ gepackt – viele innere Monologe des titelgebenden Androiden, eine teilweise nur skizzierte Zukunftswelt – das wurde aber durchaus ansehbar umgesetzt, mit Voice-Over und Einblendungen der augmentierten Sicht von Murderbot. Und Sanctuary Moon, die star-trek-artige (na ja, noch soapigere) Serie in den Büchern, kommt auch genau so rüber, wie eine solche Serie aussehen muss.
Apropos Star Trek – aus der aktuellen Black Mirror-Staffel (Netflix) habe ich mir bisher nur den zweiten Teil zur USS Callister angeschaut. Was passiert, wenn ein sich selbst für harmlos haltender Nerd gottgleiche Fähigkeiten in einem virtuellen Spiele-Universum („Infinity“) erhält, und dann auch nicht davor zurückschreckt, Klone echter Menschen dort einzusetzen – davon erzählte der erste Teil. Der zweite Teil beginnt dort, wo der erste endete: unsere Hauptpersonen sind als Klone die Besatzung der U.S.S. Callister, und statt Abenteuer zu erleben, und Welten zu sehen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat, haben sie sich darauf verlegt, Gamer*innen auszurauben, um so an die nötigen Credits für Treibstoff und ähnliches zu kommen. Das fällt auch in der echten Welt auf – womit eine zwischen beiden Welten wechselnde Verfolgungsjagd bis ins Innerste von Infinity beginnt.
Weniger anfangen konnte ich mit Love, Death, Robots (Netflix) – die meisten der aktuellen Geschichten drifteten für mich zu sehr ins Horror-Genre (oder waren alternativ platte Weltbeherrschungsversuche nicht explodierender Katzen); und auch der Ausflug ins Schismatrix-Universum von Bruce Sterling mit „Spider Rose“ rettete die aktuelle Staffel nicht.
Gelesen habe das beeindruckende neue Werk von Nils Westerboer, Lyneham (2025). Das Buch lässt in einen im wörtlichen wie übertragenen Sinne in Abgründe schauen. Das Szenario wirkt erst einmal bekannt: eine Katastrophe macht die Erde lebensfeindlich („der Weltraum kommt“ – erst im Lauf des Buchs wird klar, was damit gemeint ist), mit Hilfe von Stasis-Schlaf schaffen es einige Überlebende auf einen fernen Planeten (hier: den Mond „Perm“ des Gasplaneten „Windleite“, der einen blauen Stern umkreist). Perm sollte längst geterraformt sein, ist es aber nicht. Die Oberfläche ist brüchig. In der Tiefe leben „die Seismischen“, riesenhafte Wesen, die mit tektonischen Prozessen interagieren. Auf der Oberfläche hat die Evolution nicht nur Elektrofresser geschaffen, sondern auch sechsbeinige – und gut getarnte – Amphibien- und Säugetieranaloge. In dieser feindlichen Umwelt spielt sich das Leben weitgehend in dem geschlossenen und kontrollierten Habitat „Lyneham A/Lyneham B“ ab – ein Konzept, das die auf Perm lebenden Menschen von der Erde mitgebracht haben. Interessant wird Lyneham nicht zuletzt durch die Erzählweise Westerboers. Die eine Perspektive ist die von Henry, der mit seinen Geschwistern und seinem Vater auf Perm crashgelandet ist. Noch kein Teenager, eine fast noch kindliche Sichtweise. Henry wartet auf seine Mutter. Die sollte nachkommen – bzw. war schon da, vor 10.000 Jahren (Weltraumflüge über sehr lange Distanzen im Stasis-Schlaf …). Ihre Perspektive, die einer extrem begabten Wissenschaftlerin und zugleich distanzierten Einzelgängerin mit sehr genauer Beobachtungsgabe, macht die andere Hälfte des Buchs aus. Und da schauen wir dann ein zweites Mal in Abgründe, in ihre eigenen genauso wie in die Langzeitpläne des Unternehmers Rayser, für den Perm nur ein Spielball ist. Nach und nach setzt sich das Puzzle zusammen. Und nebenbei diskutiert Westerboer damit einige große Fragen. Kindliche Perspektive, gut geschrieben, aber alles andere als ein Kinderbuch. Große Empfehlung!
Gut unterhalten hat mich die Stormwrack-Serie von A.M. Dellamonica (die unter dem Namen L.X. Beckett mit Gamechanger und Dealbreaker auch sehr empfehlenswerte Solarpunk-Bücher geschrieben hat). Die drei Bände von Stormwrack („The Hidden Sea Tales“) sind Child of a Hidden Sea (2014), A Daughter of No Nation (2015) und The Nature of a Pirate (2016). Stormwrack ist der Name einer parallelen (oder möglicherweise auch zeitlich versetzten …) Erde, die fast vollständig von Wasser bedeckt ist. Es gibt Segelschiffe, es gibt Piraten, es gibt über 250 Inselnationen – und es gibt Magie. Was es nicht gibt, ist Neugier und eine systematische Wissenschaft. Sophie Hansa, unsere Heldin, landet eines Tages – beim Versuch, ihre biologische Mutter zu finden – in einem Handgemenge, und kurz darauf auf Stormwrack. Sie, die eigentlich Tauchexpeditionen als Fotografin begleitet und ein großes Interesse an Wissenschaft hat, wird in die politischen Auseinandersetzungen Stormwracks hineingezogen: der über hundert Jahre zurückliegende Waffenstillstand zwischen sklavenhaltenden und freien Nationen ist in Gefahr, und ihr Auftauchen katalysiert die damit verbundenen Probleme noch. Gleichzeitig ist jeder der Stormwrack-Bände auch ein bisschen Detektivgeschichte (CSI und Wissenschaft helfen), und love interests (homo- wie heterosexuelle) tauchen natürlich auch auf. Gut gefallen hat mir an dieser Reihe die Tatsache, dass Sophie unsere Gegenwart mit sich rumträgt – Textnachrichten und digitale Kameras, nerdige Bezüge auf Science-Fiction-Serien, aber auch Wertvorstellungen. All das bildet einen hervorragenden Kontrast zu der Segelschiff-Erde.
Unterhalten hat mich auch The Blue, Beautiful World (2023) von Karen Lord. Hier habe ich allerdings erst nach dem Lesen gemerkt, dass das der dritte Band einer längeren Serie ist. Ließ sich auch so verstehen, und den Rest als Prequel lesen wollte ich dann doch nicht. Harry Potter/Model UN meets telepathisch begabte Aliens bereiten die Erde auf den Erstkontakt mit der galaktischen Zivilisation vor. Durchaus spannend, die Charaktere – insbesondere der junge Kanoa – wachsen einem an Herz, aber so richtig warm geworden bin ich nicht. Vielleicht, wenn ich nicht bei Band drei angefangen hätte.