In meinem letzten Update hieß die Omikron-Variante noch „Ny“. Um Missverständnisse zu vermeiden, wurde dieser Virus-Variante aber weder der Name „Ny“ noch der Name „Xi“ gegeben, sondern erst der nachfolgende Buchstabe im griechischen Alphabet, eben „Omikron“. Und inzwischen ist Omikron in aller Munde. In einigen Ländern ist die Omikron-Welle schon voll am Laufen – beispielsweise in Großbritannien, in Norwegen und in Dänemark. Und wenn die Nachrichten stimmen, dann gehen die Niederlande ab heute Abend bis Mitte Januar in einen Lockdown – also einen richtigen – und in London wurde der Krisenfall ausgerufen. Alles deutet darauf hin, dass Omikron sehr viel ansteckender ist, dass die Impfungen nur bedingt wirken (etwas besser sieht es aus, wenn eine dritte Impfung, ein „Booster“ dazukommt), und dass die Gerüchte über leichtere Verläufe sich nicht bestätigen.
In Deutschland und auch hier in Baden-Württemberg machen die Omikron-Fälle, soweit das überhaupt erfasst wird, erst einen Bruchteil der Fälle aus. Die vierte Welle (Delta-Welle) hat ihren Höhepunkt überschritten, die Neuinfektionen etc. gehen wieder runter. Trotzdem sind die Inzidenzen noch recht hoch. Weiterhin gilt die Alarmstufe II, die beispielsweise Großveranstaltungen wie Weihnachtsmärkte untersagt und für Geschäfte jenseits des täglichen Bedarfs 2G vorsieht. In den Schulen gilt die Maskenpflicht und bei Infektionen, die bei den mehrmals in der Woche stattfindenden Tests festgestellt werden, ein Kohortierungsprotokoll.
Das „durften“ wir dann auch ausprobieren: da in der Klasse unseres Kindes ein PCR-bestätigter Fall aufgetreten war, wurde die Klasse für fünf Tage kohortiert, d.h. täglich getestet, das Mittagsband und der Nachmittagsunterricht wurde gestrichen, es gab die Empfehlung, auch privat auf Kontakte zu verzichten und die Kinder mussten die Pausen im Klassenzimmer verbringen. Und auch die Variante „rotes Signal in der CWA“ tauchte in den letzten Wochen bei uns auf, in der Folge dann ein PCR-Test (zum Glück negativ) beim anderen Kind.
Jetzt stehen die Weihnachtsferien bevor. Also, in manchen Bundesländern laufen sie schon, da wurde der Ferienbeginn vorverlegt. In Baden-Württemberg gab es die Möglichkeit, sich freiwillig in Selbstquarantäne zu begeben und die letzten drei Tage vor Weihnachten im Fernunterricht zu verbringen. Wir haben uns dazu entschieden, diese Möglichkeit zu nutzen, auch mit Blick auf Großelternbesuche zu Weihnachten. Die Schule hat dazu bei allen Kindern abgefragt, ob sie teilnehmen oder nicht. In den Klassen der Kinder sind es etwa 30–40 Prozent, die in die Selbstquarantäne gehen – und in Kauf nehmen, Klassenarbeiten nachschreiben zu müssen und die schulischen Weihnachtsfeiern zu verpassen.
Aber nicht nur Weihnachten steht vor der Tür, sondern auch die fünfte Welle, also die bereits erwähnte Omikron-Variante. Es gibt Modellierungen, nach denen bereits vor dem Jahreswechsel die Mehrzahl der Fälle hierzulande zu dieser Variante gehören könnten. „Unter der Decke“ der abflauenden Delta-Welle würde dann die fünfte Welle bereits anwachsen und uns kurz nach Weihnachten mit voller Wucht treffen. Damit wäre der Versuch, die fünfte Welle durch eine mögliche Impfpflicht zu verhindern, gescheitert.
Die Zahl der Impfungen hat in den letzten Wochen nochmals deutlich zugelegt. Es gibt aktuell sehr viele Möglichkeiten, sich impfen zu lassen. Allerdings sind das vor allem Booster-Impfungen, also Drittimpfungen derjenigen, die schon die erste und zweite Impfung hinter sich haben. Ich hatte heute einen solchen Booster-Termin im Gundelfinger Kultur- und Vereinshaus, die Impfungen haben dort die Malteser durchgeführt. Mit AstraZeneca, Biontech und Moderna habe ich jetzt alle drei großen Impfstoffe mal ausprobiert … und hoffe, dass das tatsächlich etwas bringt und die Booster-Impfung tatsächlich auch im Hinblick auf Omikron hilft.
Etwa ein Viertel der Bevölkerung ist allerdings weiterhin gar nicht geimpft. Das sind viel zu viele, um das Virus an der Verbreitung zu hindern, dazu bräuchte es (bei Delta) 90 Prozent Impfquote. Im Januar soll der Bundestag darüber beraten, ob ab März eine allgemeine Impfpflicht eingeführt wird. Aus heutiger Sicht: viel zu spät. Und ob das kommt, ist auch noch nicht klar. Möglicherweise ist bis dahin der Impfstoff an die spezielle Struktur der Omikron-Variante angepasst. Oder es gibt eine vierte oder fünfte Impfung für alle. Ich bin jedenfalls bei weitem nicht der einzige, der nicht glaubt, dass es mit der dritten Impfung getan ist.
Dazu, wie weit das ungeimpfte Viertel der Bevölkerung vielleicht doch zu einer Impfung bereit wäre, gibt es unterschiedliche Bewertungen und Einschätzung. Ein Teil wird von den bisherigen Impfangeboten vermutlich schlicht nicht erreicht; vielleicht ist auch der soziale Druck nicht groß genug. Da würde eine Impfpflicht dann helfen. Ein anderer Teil besteht aus vehementen, zunehmend gewaltbereiten und verschwörungsaffinen Impfgegner*innen. Hier braut sich eine Minderheit zusammen, die das soziale Gefüge extrem belastet – und bis in Familien und Freundeskreise hinein für Spaltungen und Konflikte sorgt.
Leider ist eine Zutat in diesem Gemisch eine Impfskepsis, wie sie von schulmedizinfeindlicher Anthroposophie und von Freund*innen der Homöopathie genährt wurde. Das heißt nicht, dass es nicht auch in diesen Kreisen inzwischen Personen und Unternehmen gibt, die sich lautstark für eine Impfung einsetzen – vielleicht auch, um nicht den letzten Rest an Ruf zu verlieren. Und es ist bedauerlich zu sehen, dass es durchaus auch Kreise gibt, die mal grün-affin waren, und jetzt via „Basis“ in diesen Impfskepsissumpf reingerutscht sind. Die innergrünen Debatten rund um Homöopathie, Medizinverständnis, „alternative Medzin“ und Impfen vor einigen Jahren wirken jetzt wie eine Vorahnung dafür, dass es sich hier nicht nur um Meinungen handelt, sondern um eine Haltung, die aus Achtsamkeit für das eigene Ich heraus die Gefährdung anderer willentlich in Kauf nimmt.
Das geht bis hin zu Ärzt*innen, die behaupten zu impfen, aber nur Kochsalzlösung benutzen, und zu Pflegekräften, die sich nicht impfen lassen, Impfpässe fälschen und dann Menschen in den Einrichtungen, in denen sie arbeiten, anstecken und umbringen.
Es sind aber, das muss dazu gesagt werden, bei weitem nicht nur diese grün-affinen Kreise, die hier wirken – die AfD und andere rechte Parteien sind ebenso freudig dabei, auf den Zug der Impfskepsis aufzuspringen und eigene Verschwörungselemente beizumischen. Die harte Corona-Leugnung ist dagegen seltener zu hören, auch in den Landtagsreden der AfD hat sich die Tonlage etwas verändert. (Bei der Gelegenheit: hat jemand Bedarf für ein bis drei ostdeutsche Bundesländer, gebraucht, günstig abzugeben?)
Die Hoffnungen aus dem Sommer, dass die Pandemie bald überwunden sein könnte, haben sich jedenfalls als trügerisch erwiesen. Das zweite Weihnachten unter Pandemiebedingungen steht an. Und einiges deutet darauf hin, dass die bisherigen Kontaktbeschränkungen, Testpflichten und Teilnahmezahlbegrenzungen nur der Anfang sind und wir in eine Situation geraten, in der das öffentliche Leben noch stärker heruntergefahren werden muss. Der Blick auf das Jahr 2022 stimmt deshalb nicht besonders zuversichtlich. Der März 2020 ist noch immer nicht zu Ende.