Weil es gerade so schön zusammenpasst, drei Links: Henning Schürig stellt fest, dass zwei Jahre um sind, weil sein Handy-Akku nicht mehr tut – aber es kommt ja bald ein neues. Heidi Tiefenthaler rechnet bei Utopia vor, was alles in so einem Mobiltelefon drinsteckt an Metallen. Vielleicht ergänzend noch die Initiative make IT fair (u.a. Germanwatch) zu den sozio-ökologischen Produktionsbedingungen.
Buch da!
Nach den Waldbesitzerinnen und den „zwei Herzen der Forstwirtschaft“ kann ich stolz (und ein wenig erleichtert* …) die dritte** große Projektveröffentlichung in diesem Jahr ankündigen – seit gestern ist der Abschied vom grünen Rock gedruckt und erhältlich.
Der Sammelband informiert über die Ergebnisse aus dem Projektverbund „wa’gen“ (Waldwissen und Naturerfahrungen auf dem Prüfstand Gender-Analyse in der Waldinformations‑, Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit sowie Entwicklung von Gestaltungsansätzen, 2005–2008), einer Kooperation zwischen dem Institut für Umweltstrategien, Umweltplanung (Lüneburg) und dem Institut für Forstbenutzung und Forstliche Arbeitswissenschaft (Freiburg).
Über die Inhalte informiert der Klappentext am besten, deswegen zitiere ich den jetzt einfach, statt nochmal neu was zu formulieren:
Forstverwaltungen und ihre waldbezogene Bildungsarbeit befinden sich in Deutschland derzeit in einem Reformprozess. Unter den Vorzeichen betriebswirtschaftlicher Optimierung und der Öffnung gegenüber neuen Zielgruppen stehen alte Traditionen zur Debatte. Ist mit dem Abschied vom „grünen Rock“ der forstlichen Uniform ein Aufbruch verbunden? Der Forschungsverbund wa’gen (Waldwissen & Gender) hat im Rahmen des BMBF-Programms „Nachhaltige Waldwirtschaft“ danach gefragt, wie Natur- und Geschlechterbilder im „Waldwissen“ zusammenkommen, welche Herausforderungen und Chancen für die waldbezogene Umweltbildung damit verbunden sind, und wie Waldwissen, Organisationsreformen und die traditionelle Organisationskultur der „Männerdomäne Forstverwaltung“ ineinander greifen.
Aus der allen AutorInnen gemeinsamen Geschlechterperspektive heraus werden anhand von Fallbeispielen Themen wie das Naturverständnis, die „unsichere“ Professionalisierung der Umweltbildung, die historischen Mechanismen des Frauenausschlusses aus dem Forstdienst und die laufenden Reorganisationsprozesse beleuchtet. Damit versteht sich Abschied vom grünen Rock als Beitrag zur Suche der Forstorganisationen nach zukunftsfähigen Antworten auf die gegenwärtigen Umbrüche.
Wer sich für die Zukunft der Forstverwaltungen aus einer der beschriebenen zwei Perspektiven – Geschlechterverhältnisse in Forstorganisationen bzw. in der waldbezogenen Umweltbildung – interessiert, wird dem Band auf jeden Fall was abgewinnen können. Einiges dürfte aber auch darüber hinaus interessant sein.
Von mir sind (neben der Mitarbeit an der Einleitung) drei Texte, an denen ich beteiligt war – da geht es um das Ineinandergreifen von forstlichen Geschlechterverhältnissen und organisatorischem Wandel generell („Staatliche Forstverwaltungen im Wandel: Organisationsreform und Geschlecht“) bzw. am Fallbeispiel Rheinland-Pfalz („Fallbeispiel: Geschlechterverhältnisse in einer deutschen Forstverwaltung“, mit Sabine Blum) bzw. in einem Zwischenruf*** um die Zusammenhänge zwischen Geschlecht, Organisation und Profession (mit Marion Mayer).
Weitere Informationen beim Verlag (oekom), bestellbar u.a. bei amazon.
Bibliographische Angaben: Maria Hehn, Christine Katz, Marion Mayer, Till Westermayer (Hrsg.): Abschied vom grünen Rock. Forstverwaltungen, waldbezogene Umweltbildung und Geschlechterverhältnisse im Wandel. München: oekom. 230 Seiten, 34,90 Euro. ISBN 978–3‑86581–131‑8.
* Erleichtert vor allem deswegen, weil mit dem Abschlussband ein letzter großer Brocken anderer Aktivitäten aus dem Weg zu meiner Diss. geräumt ist …
** Es gibt auch noch ein Buchmanuskript zu einem Projekt, das von 2002 bis 2005 gelaufen ist, und an dem ich beteiligt war … mal schauen, ob und wann das dann tatsächlich seinen Weg in die Öffentlichkeit findet.
*** Zwischenruf: eine aus meiner Sicht innovative Form, die wir zweimal in das Buch gepackt haben – jeweils zwei AutorInnen unterhalten sich darin über ihre Buchtexte und arbeiten Querbezüge heraus.
Die taz fragt: Müssen Linke bio essen?
Die taz macht jeden Woche so einen „Streit der Woche“, und sucht dafür natürlich immer kontroverse Themen. Heute heißt es Müssen Linke bio essen?. Gute Frage, wie ich fand – bis ich näher darüber nachgedacht habe und festgestellt habe, dass die Frage eigentlich falsch gestellt ist. Und das hat etwas mit der Gründung der Grünen zu tun.
Kurze Rückblende in die siebziger Jahre. Mal abgesehen, dass ich da zur Welt komme (1975), finde ich dieses Jahrzehnt auch aus anderen Gründen interessant: da formiert sich nämlich die moderne Friedens- und Umweltbewegung und wird letztlich auch zur Partei DIE GRÜNEN (1979/80) (und die taz …). Ein wichtiges Element in dieser Bewegung und in der sich gründenden Partei ist die „Neue Linke“, also eine Abkehr vom dogmatischen Sozialismus (Stichwort 1968er und so). In der Partei, aber auch in diesen Bewegungen kommt – ganz verkürzt gesagt – die Vorstellung eines „neuen Lebensstils“ zusammen, der für die Industrieländer notwendig ist (später wird daraus das Nachhaltigkeitskonzept). Soziale Gerechtigkeit und ökologische Zukunftsfähigkeit müssen zusammengehen. Und damit kommt etwas Neues ins Spiel, das weder in der sozialdemokratischen Traditionslinie, die an der Umwelt nur interessiert hat, ob die Stahlarbeiter im Ruhrgebiet einen blauen Himmel sehen können, noch in der dogmatisch-sozialistischen Linie (wo Umwelt irgendwo zwischen Nebenwiderspruch und „sowjetische AKWs sind gut, westliche AKWs sind böse“) eine Hauptrolle gespielt hat.
Jetzt, in der damals neuen „grünen“ Bewegung, kommt beides zusammen. Auch das hat historische Vorbilder (Stichwort: Lebensreform, so irgendwo zwischen 1880–1900-1920er Jahre). In der neuen Inkarnation ist der „neue Lebensstil“ in seiner Bewegungs- und Parteiform zudem mit massiven Heterogenitäten konfrontiert: in der neuen Partei sammeln sich zunächst mal machtbewusste Menschen aus den K‑Gruppen, denen Umwelt so wichtig auch nicht ist ebenso wie naturschützende Blut- und Boden-Konservative, für die Umweltschutz und „Lebensschutz“ in eins fällt. Hier kommen sozialdemokratisch-protestantische AsketInnen aus der Friedensbewegung mit Menschen zusammen, die aus dem „neuen Lebensstil“ ein mit Leib und Seele gelebtes Öko-Projekt machen wollen (und aus deren Projekten zum Teil die heutigen Naturkostgiganten entstanden sind – ich fand hier den Selbstdarstellungsprospekt des Naturkosthestellers „Rapunzel“ zum 30-jährigen sehr interessant). Dieses Amalgam findet sich unter dem Banner „ökologisch – sozial – basisdemokratisch – gewaltfrei“ wieder.
Ein paar Jahrzehnte vorwärts: in den 1990er Jahren wurde mir dieses grüne Alleinstellungsmerkmal so richtig bewusst, als ich – in der damals sehr alternativen Grün-Alternativen Jugend (GAJ) aktiv – mit den lokalen JungdemokratInnen/Junge Linke (JD/JL; ebenfalls heterogen zwischen linksliberal und neomarxistisch) über eine Zusammenarbeit verhandelte. Für ein paar Jahre gab es eine gemeinsame Gruppe GAJ/JD/JL in Freiburg – aus der Zeit heraus bin ich übrigens auch Mitglied der JungdemokratInnen. Jedenfalls: die Grün-Alternative Jugend bildete jenseits der Politik ihre Identität irgendwo zwischen Hanf (nicht mein Ding), Vegetarismus (schon eher), Hippietum und Jugendumweltbewegung, tage in Waldorfschulen und machte bei Aktionen gegen den Autoverkehr mit. Für JungdemokratInnen war es dagegen überhaupt keine Frage, zur Delegiertenkonferenz ins sozialistische Tagungszentrum in Oer-Erkenschwiek mit dem Auto anzureisen (oder auch zum Camp …) und lieber über Solidarität zwischen den sozialistischen Bruderländern und den Kampf der Arbeiter(innen?) zu reden als über sowas Seltsames wie Ökologie. Die Frage eines Kollegen aus der JD/JL in dieser Zeit, warum ich den ein Problem mit dem Auto hätte, und dass es ja wohl wichtigeres gäbe, irritierte mich ebenso sehr wie den meine Antwort mit Verweis auf die Grenzen der planetaren Tragfähigkeit, und dass es ja wohl nichts wichtigeres geben könne.
Aus dieser politischen Biographie heraus liegt der Fehler in der Frage, die die taz stellt, genau da. Natürlich essen traditionsbewusste Linke nicht bio, und schon gar nicht vegetarisch. Der Prototyp dafür ist heute vermutlich in den Gewerkschaften zu finden. Menschen, die bio essen, müssen – selbst wenn sie’s nicht nur aus Gesundheitsgründen tun, sondern schon den (naturalen wie sozialen) Herstellungsprozess im Blick haben – nicht unbedingt links sein. Warum auch?
Womit wir am Schluss nochmal bei den Grünen wären. Idealtypisch ist das nämlich immer noch die Partei, in der beides zusammenkommt: das Bewusstsein dafür, dass es eine extreme Abhängigkeit zwischen ökologischen Prozessen und dem Leben von Menschen auf diesem Planeten gibt, und dass „ökologisches Kapitel“ eben nicht beliebig durch anderes ersetzbar ist, und das Bewusstsein dafür, dass weltweit und lokal gesehen Ausbeutungsverhältnisse und Ungleichbehandlungen Menschen an ihrer Selbstentfaltung hindern und nicht zuletzt darum zu bekämpfen sind. Beides kommt in Konzepten wie dem der Umweltgerechtigkeit (environmental justice) zusammen: die Feststellung, dass Smog eben nicht demokratisch ist, sondern sich ökologische Risiken sozial ungleich verteilen.
Müssen Linke bio essen? Nicht unbedingt, aber wenn sie wollen, dass sie im 21. Jahrhundert ernst genommen werden, dann wäre Bio-Essen ein Symbol dafür, links zu sein, ohne dabei den Blick für politische Fragen jenseits des Verhältnisses von Kapital und Arbeit verloren zu haben (das ganze ließe sich übrigens auch mit Feminismus statt mit Bio-Essen durchspielen). Oder anders gesagt: wer im 21. Jahrhundert behauptet, links zu sein, aber seinen persönlichen Lebensstil nicht für ein Politikum hält, hat was verpasst.
Warum blogge ich das? Weil mich die Frage durchaus angesprochen hat. Und ich mir auch noch gar nicht so sicher bin, ob das hier meine endgültige Antwort darauf ist. (U.a., weil ich oben noch gar nichts zu Latours politischer Ökologie gesagt habe).
Nachtrag: (14.08.2010) Die taz hat mich heute mit einer (von mir verfassten) Kurzfassung dieses Beitrags auf ihrer Streitfragenseite. Lustig finde ich, dass der von mir geseitenhiebte LINKEN-Chef Klaus Ernst ebenso wie ich auf der „Ja, Linke sollten bio essen“-Seite mit einem Kommentar vertreten ist. So ganz überzeugt davon, dass diese politische Haltung auch seiner persönlichen Praxis entspricht, bin ich allerdings immer noch nicht. Eher ärgerlich: dass die taz mit die Binnen-Is (und den Verweis auf die Parallelität zum Thema Emanzipation) rausgekürzt hat. Und natürlich das fehlende „ay“ …
Windup Girl und Peak oil, oder: Nach der Globalisierung
Ein interessanter Aspekt von Paolo Bacigalupis neuem Science-Fiction-Werk „The Windup Girl“ – übrigens zurecht als zeitgenössisches Gegenstück zu William Gibsons Neuromancer-Trilogie gehandelt und in einem Atemzug mit Ian McDonald genannt – ist die Tatsache, dass Bacigalupi seine Erzählung in einer Zukunft stattfinden lässt, die nach der Globalisierung angesiedelt ist. Für „The Windup Girl“ ist das mehr oder weniger nur der szenische Hintergrund einer Geschichte, in der sich die finsteren Prophezeiungen unkontrollierbarer Genmanipulation, agroindustrieller Nahrungsmittelmonopole und der Klimakatastrophe erfüllt haben. Trotzdem möchte ich „The Windup Girl“ zum Anlass nehmen, diese Zukunft in den Blick zu nehmen.
„Windup Girl und Peak oil, oder: Nach der Globalisierung“ weiterlesen
Zehn Sätze zum Rauchverbot
Vielleicht sollte ich damit anfangen, dass ich selbst nicht rauche, auch nie geraucht habe. Und dass ich dennoch, als es vor ein paar Jahren um das Rauchverbot – oder muss das Nichtraucherschutz heißen? – eher die liberale Position vertreten habe, dass es ja wohl keine staatliche Sache sei, sich da über – sagen wir mal – die Verpflichtung, kenntlich zu machen, ob in einer Gaststätte geraucht werden darf, hinaus zu engagieren. Inzwischen habe ich mich dran gewöhnt: an rauchfreie Züge, an rauchfreie Gaststätten, an eine rauchfreie Uni. Ich empfinde es als unangenehm, wenn jemand sich an der Straßenbahnhaltestelle eine Zigarette anzündet oder wenn ich am Bahnsteig am gelben Raucherviereck vorbei muss, und als normal, dass auf Parteitagen nicht geraucht wird. Aufregen könnte ich mich, wenn ich sehe, wie Eltern mit Kind im Kinderwagen rauchen.
Damit geht es um die grundsätzliche Frage: darf der Staat (und da ist es egal, ob der Staat das über die demokratisch gewählte Regierung oder via Volksentscheid durchsetzt) hier eingreifen, so direkt in individuelle Körperpraxen intervenieren? Letzlich ist das Rauchverbot in öffentlichen Räumen und Gaststätten ja sowas wie Prävention light, also eine Art Drogenverbot. Dem stehe ich weiterhin skeptisch gegenüber. Bleibt das Argument des Passivrauchens, der direkten Gefährdung und Belästigung Dritter – dem könnte durch technische Lösungen (rauchfreie Zigaretten und ähnliche Innovationen) abgeholfen werden. Toleranz durch Technik?