Photo of the week: Copenhagen (part II)

Dass ich Kopen­ha­gen als eine ent­spann­te und freund­li­che Groß­stadt ken­nen­ge­lernt habe, lag mög­li­cher­wei­se auch dar­an, dass ich zufäl­li­ger­wei­se genau in der Pri­de-Week da war. Mehr dazu, zu Chris­tia­nia, zu Muse­en und zu ein paar Impres­sio­nen unten.

Copenhagen Pride

Copenhagen Pride - XVI

Der Zug der Pri­de-Para­de begann in Fre­de­riks­berg – ein Teil Kopen­ha­gens, der aus his­to­ri­schen Grün­den eine eige­ne Gemein­de ist, etwas bür­ger­li­cher wirkt und sich ansons­ten naht­los in die Stadt ein­fügt. Neben LSBTIQ*-Verbänden waren vie­le gro­ße Orga­ni­sa­tio­nen (gro­ße Fir­men wie Micro­soft, Par­tei­en, die Stadt­ver­wal­tung, die Uni, die Leh­rer­ge­werk­schaft, Diplomat*innen) mit eige­nen Blö­cken bei der Pri­de dabei. Auf­fäl­lig: vie­le Kin­der, vie­le Fami­li­en – und sehr vie­le Las­ten­rä­der, die sich ja auch her­vor­ra­gend zum Trans­port von Musik­an­la­gen etc. eig­nen. Neben Pri­de-Flag­gen in allen Vari­an­ten gab es auch Soli­da­ri­tät mit der Ukrai­ne – und mit Paläs­ti­na. Däni­sche Beson­der­heit: Grön­land tauch­te mit einem eige­nen Block auf. Wie über­haupt das Ver­hält­nis zu den „däni­schen Kolo­nien“ eine gro­ße unge­lös­te Fra­ge ist, die mir sowohl in Chris­tia­nia, wo es ein eige­nes Grön­land-Haus gibt, als auch im Natio­nal­mu­se­um – mit Aus­stel­lung zum Kolo­nia­lis­mus – begeg­ne­te. Oder eben auf der Pri­de. Apro­pos: Wem die zu kom­mer­zi­ell und ange­passt war, der konn­te auch zur „Alter­na­ti­ve Pri­de“ in Ves­ter­bro gehen.

Christiania

Christiania - XIV

Angeb­lich ist der Freistaat/die Frei­stadt Chris­tia­nia inzwi­schen die zweit­stärks­te Tou­ris­ten­at­trak­ti­on Kopen­ha­gens (nach dem Tivo­li, den ich nicht besucht habe). Gleich­zei­tig: ein nach wie vor in Tei­len besetz­tes, weit­läu­fi­ges ehe­ma­li­ges Mili­tär­ge­län­de, und eine poli­tisch trotz Deals und einer gewis­sen Annä­he­rung seit 50 Jah­ren offe­ne Fra­ge. Ich habe Chris­tia­nia zwei­mal besucht, ein­mal „so“ und ein­mal im Rah­men einer geführ­ten Tour durch einen Bewoh­ner – letz­te­res kann ich auf jeden Fall emp­feh­len. Das Bild, das ich aus die­sen bei­den besu­chen (und dem dort gekauf­ten Buch „Post­cards from Chris­tia­nia“) mit­neh­me, ist ein ambivalentes. 

Chris­tia­nia ist als Gemeinschaft/Dorf mit rund 1000 Bewohner*innen, in einem Dut­zend „Stadt­tei­len“ selbst orga­ni­siert. Es leben dort vie­le Künstler*innen (und auch Lebenskünstler*innen), die Hip­pie-Ideen aus der Anfangs­zeit gibt es auch irgend­wie wei­ter­hin. Wer Bewohner*in wer­den möch­te, muss sich bewer­ben und von der jewei­li­gen Nach­bar­schaft aus­ge­wählt wer­den, in der ein Haus frei gewor­den ist. Der/die Aus­er­wähl­te* zahlt dann eine nied­ri­ge Mie­te sowie eine Abga­be in die Gemein­schafts­kas­se, muss sich um alles wei­te­re selbst küm­mern (ein wich­ti­ger zen­tra­ler Ort der Frei­stadt ist eine Art Bau­markt) und kann sich in die Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on ein­brin­gen, die aus „mee­tings, mee­tings, mee­tings“ auf allen Ebe­nen besteht. Ent­schie­den wird im Kon­sens. Aller­dings gibt es wohl auch Spal­tun­gen – in Ver­hand­lun­gen mit dem däni­schen Staat wur­de der Kern­teil von Chris­tia­nia in eine Stif­tung über­führt, die weit­rei­chen­den Gebie­te um die­sen Kern her­um – ich war über­rascht, wie viel Natur (und Alt­las­ten) es hier gibt – sind dage­gen nach wie vor strit­tig, und aus Sicht eini­ger Akteu­re bes­tes Bau­land. Dar­um wird wei­ter poli­tisch gerun­gen, und dazu, ob der Deal mit dem Staat rich­tig war, gibt es wohl wei­ter­hin sehr unter­schied­li­che Auf­fas­sun­gen. Gleich­zei­tig gibt es durch­aus Abhän­gig­kei­ten, so gehen die Kin­der auf Schu­len außer­halb des Gebie­tes (im Gebiet sind dafür eini­ge Kin­der­gär­ten), und inzwi­schen wer­den wohl auch Steu­ern bezahlt und Bau­vor­schrif­ten beach­tet. Gleich­zei­tig zie­hen sich Poli­zei­über­grif­fe wie ein roter Faden durch die Geschichte.

Der öffent­lich und tou­ris­tisch sicht­ba­re Teil von Chris­tia­nia ist vor allem der Ein­gangs­be­reich mit der berüch­tig­ten Pusher­street (und vie­len Clubs, Bars und dem über Chris­tia­nia hin­aus bekann­ten Nemo­land als Konzertveranstalter/Biergarten). Der Kon­sum (und Ver­kauf) von Can­na­bis wird wei­ter­hin gedul­det, Chris­tia­nia ver­sucht aber aktiv, Gangs und har­te Dro­gen drau­ßen­zu­hal­ten. Hier gab es wohl in der Ver­gan­gen­heit sowohl sei­tens des Staa­tes als auch sei­tens der orga­ni­sier­ten Kri­mi­na­li­tät äußerst unschö­ne Zuspit­zun­gen. Oder auch: die Gren­zen der Anar­chie wer­den sichtbar. 

Ein letz­ter, für mich span­nen­der Fakt: ein gro­ßer Teil der Christianit*innen arbei­tet außer­halb, oft in Selbst­stän­dig­keit. Dafür sind – wohl gera­de im tou­ris­ti­schen Teil des Gebiets – vie­le Men­schen beschäf­tigt, die gar nicht in Chris­tia­nia woh­nen (und trotz­dem nur den Ein­heits­lohn der Chris­tia­nia-Selbst­ver­wal­tung bekom­men). Dane­ben gibt es dann noch eine Schat­ten­öko­no­mie – nicht nur Pusher, die Can­na­bis ver­kau­fen, son­dern auch Flaschensammler*innen.

* Neben­be­mer­kung: ich fin­de es immer wie­der span­nend zu sehen, wie sehr inten­tio­na­le Gemein­schaf­ten, Öko­dör­fer, Pro­jek­te etc. – bis hin zum z.B. Miets­häu­ser­syn­di­kat – über Selek­ti­on funk­tio­nie­ren und genau da m.E. eine Ver­all­ge­mei­ner­bar­keit ver­mis­sen las­sen. Bzw.: hier wird Gesell­schaft vs. Gemein­schaft hart sichtbar.

Schlösser, Museen und Sehenswürdigkeiten

Nationalmuseum - XVIII (the 70s)
Nationalmuseum - III

Von der Viel­zahl der Muse­en, Schlös­ser und Sehens­wür­dig­kei­ten, die es in Kopen­ha­gen und in der Umge­bung gibt, konn­te ich natur­ge­mäß nur einen Bruch­teil anschau­en. Neben Schloss Kron­borg in Hel­sin­gør und dem Kunst­mu­se­um Loui­sia­na in Hum­le­bæk waren dies das däni­sche Archi­tek­tur­zen­trum, eine Instal­la­ti­on in den Cis­ter­ner­nen, das sehr sehens­wer­te Design­mu­se­um, der Turm der Erlö­ser­kir­che mit Blick auf gro­ße Tei­le der Stadt (und lan­gen Wartezeiten/gebuchten Slots), der bota­ni­sche Gar­ten samt Pal­men­haus. Oben zu sehen sind zwei Arte­fak­te aus dem Natio­nal­mu­se­um, das sich für tage­fül­len­de Besu­che eig­net. In dem Muse­um geht es um die däni­sche Geschich­te von der Vor­ge­schich­te (auf dem einen Foto: die Rekon­struk­ti­on eines Klei­des aus der Bron­ze­zeit) bis zur Gegen­wart (auf dem ande­ren Foto: die musea­li­sier­ten 70er Jah­re). Beson­ders beein­druckt hat mich die thea­ter­haft insze­nier­te „Viking Sorcer­ess“, die nahe­bringt, was sich aus Arte­fak­ten und den Eddas über das Den­ken der Men­schen der Wikin­ger­zeit rekon­stru­ie­ren lässt, und das gut insze­niert. Auch den Abschnitt zur Vor­ge­schich­te fand ich gut auf­ge­baut; der gro­ße Bogen über die Staa­ten­bil­dung bis zum Ende des Abso­lu­tis­mus und der Sozi­al­de­mo­kra­tie war dage­gen etwas viel. Wie schon erwähnt, gab es im Natio­nal­mu­se­um auch eine Aus­ein­an­der­set­zung mit der däni­schen Kolo­ni­al­ge­schich­te, zu der neben Grön­land auch (klei­ne­re) Kolo­nien in Indi­en und Afri­ka gehör­ten. Stich­wort Sozi­al­de­mo­kra­tie: dazu kann ich das Arbei­ter­mu­se­um emp­feh­len, das im ehe­ma­li­gen Ver­samm­lungs­haus der däni­schen Arbei­ter­be­we­gung unter­ge­bracht ist. Neben der Geschich­te von Gewerk­schaf­ten und sozi­al­de­mo­kra­ti­scher Par­tei geht es hier auch um die Arbeit und die Lebens­um­stän­de der Arbeiter*innen in gut gemach­ten (teil­wei­se aller­dings nur dänisch beschrif­te­ten) Installationen. 

Typisch Kopenhagen?

Nyhavn - I
Søren Kierkegaards Plads - IV
Rosenborg - IV
Railroad with skyline - II

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