Erstaunlich, was alles an Serien in den letzten Wochen rausgekommen ist! Na gut, eigentlich vor allem die dritte Staffel von Foundation (Apple TV), durchwachsen – irgendwie klappt es nicht so gut, Jahrtausende in wenige Personen zu packen, aber das war auch schon bei Asimov ein Problem – und die lange erwartete dritte Staffel von Star Trek: Strange New Worlds (Paramount+). Von den fünf Folgen, die ich bisher gesehen habe, fand ich zweieinhalb überzeugend, die anderen waren nicht so meins – zu sehr Horrorklischees, zu sehr das in der Dunkelheit der Dimensionen verborgene jahrtausendalte absolute Böse. Und ob die Idee, in jeder Folge ein Genre zu imitieren (Hochzeitskomödie, Zombie, …) trägt? So ganz überzeugt bin ich davon noch nicht. Interessant fand ich Folge 4 – ohne allzuviel zu spoilern, wurde es hier sehr metatextuell: eine klassische Murder-Mystery im Holodeck im Rahmen einer Technobabble-Geschichte, und in der Murder Mystery im Stil der 1960er tauchte dann eine Weltraumabenteuerserie auf, die sehr an Star Trek: TOS (aus irgendeinem Paralleluniversum) erinnerte. Wobei TOS ja nach SNW spielt. Was insgesamt die Frage aufwirft: Gibt es Star Trek (die fiktive Geschichte) in der Vergangenheit des Star-Trek-Universums?
Außerdem habe ich die letzte Doctor-Who-Staffel (Fünfzehnter Doktor, 2. Staffel) angeschaut und war dann doch sehr angetan davon. Insbesondere „The Story & the Engine“ fand ich in ganz verschiedener Hinsicht stark, auch als ein Stück Selbstreflexion über koloniale Aneignung, die Macht des Geschichtenerzählens etc. Und „Interstellar Song Contest“ hatte ebenfalls etwas, wobei ich hier doch starke Parallelen zu Cat Valentes Space Opera gesehen habe. Und dann noch ein Staffelfinale, bei dem mal wieder alles auf dem Spiel steht. Auffällig gewisse Parallelitäten zwischen SNW und diese Doctor-Who-Staffel – „The Well“, aber eben auch die metatextuelle „The Story & the Engine“.
Schon lange wollte ich mal in Severance (Apple TV) reinschauen – die ersten beiden Folgen waren schon mal vielversprechend, wenn auch ein wenig gewöhnungsbedürftig. Lost für die 2020er Jahre?
Last but not least zwei Filme, jeweils als kleinster gemeinsamer Nenner zwischen mir und den Teenagern: K‑Pop Demon Hunters (2025, Netflix), ein Anime-Spielfilm über den seit Jahrtausenden durch Musikgruppen ausgetragenen Kampf Gut gegen Böse mit ein paar unerwarteten Ambivalenzen und Zwischentönen, und Army of Thieves (2021, Netflix), das wir als Heist-Movie über einen Bankbeamten, der zum Panzerknacker wird, und nicht als Zombiefilm-Prequel gesehen haben – insofern waren die eingeblendeten Nachrichtensequenzen über den Ausbruch einer Zombieplage eher überraschend, aber für die Handlung auch nicht weiter wichtig. Der Heist-Teil war ein sehr deutscher Film (Matthias Schweighöfer), auch wenn auf englisch gefilmt und angeschaut. Gut gefallen haben mir die genreparodierenden Elemente – so ganz ernst nimmt sich dieser Film nicht.
Damit zu den Büchern. Where the Axe Is Buried von Ray Nayler (2025) fand ich beeindruckend. In der nahen Zukunft bekämpfen sich die „Federation“ (die stark an Russland erinnert, nur das der Präsident hier sein Bewusstsein in immer neue Körper herunterlädt) und ein zerfallender Westen; es geht um Flucht und Aufstände, um Spionage und Gegenspionage und das Leben in einer düsteren, orwell-artigen Gesellschaft, in der Social Scores den Handlungsradius bestimmen. Interessant wird dieses Buch dadurch, dass auf mehreren Ebenen soziotechnische Fragen diskutiert werden: Verspricht es Freiheit, wenn der Premierminister durch einen Chatbot ersetzt wird – und was tun, wenn die Entscheidungen nicht mehr nachvollziehbar sind? Ist Widerstand in einer technisch-totalitären Gesellschaft überhaupt möglich? Wem kann überhaupt noch vertraut werden, wenn jeder erpressbar ist? Wie viel Technik ist zu viel? Auch aufgrund der Thematik keine ganz einfache Lektüre, aber auf jeden Fall eine Empfehlung – und (nach vielen Büchern, in denen AI und künstliche Agenten irgendwie eine Rolle spielen) meines Wissens nach das erste, das sich im Medium der SF konkret mit Large Language Models auseinandersetzt.
Unterhaltsamer und in dem Sinne leichtere Lektüre – obwohl zwischen den Zeilen auch ein bisschen Tiefgang mitschwimmt – die drei Bände A Marvellous Light (2021), A Restless Truth (2022) und A Power Unbound (2023) von Freya Marske. In einem alternativen edwardianischen England ist Magie real, auch wenn die meisten Menschen davon nichts wissen. Wir folgen den Geschwistern Robin und Maud Blyth, die unerwartet mit der magischen Welt in Berührung kommen. Robin ist ein Baronet, größere Teile der Bücher spielen auf Herrenhäusern (und einem Ozeandampfer) sowie mit den Intrigen von Lords und Ladys. Zum Gück gibt es als Kontrapunkt Alanzo Rossi, der sich als Kind einer italienischen Einwandererfamilie recht und schlecht als Journalist durchschlägt, und so etwas wie einen Klassenstandpunkt in die Geschichte bringt. Neben einer durchaus packenden Geschichte, die zu den Ursprüngen der englischen Magie zurückführt und im dritten Band in einem großen Finale mündet, sind die Bücher queere Romanzen. Dass Rossi nebenher Geld damit verdient, unter Pseudonym schwule Pornografie zu verfassen (sorry, Spoiler zu Band 2), passt auch insofern, als alle drei Bände immer mal wieder konsensuale, aber sehr explizite Sex-Szenen enthalten. Die allerdings durchaus dazu beitragen, die Beziehungen zwischen den fünf, sechs handelnden Charaktern und deren Ängste und – in dieser Welt meist heimlichen – Begehren verständlich zu machen.
Und dann nochmal England und Magie – The Bright Sword (2024) von Lev Grossman ist dessen Auseinandersetzung mit der Artus-Saga. Die Hauptperson, Collum, kommt aus einer der äußersten Ecken des vor-angelsächsischen Englands an den hochmittelalterlichen Hof in Camelot – nur um zu erfahren, dass die Tafelrunde in Auflösung befindlich ist. Mit den wenigen verbliebenen Rittern (und der Zauberin Nimue), die Grossman der Artus-Sage entnimmt, aber mit Hintergrundgeschichten ausschmückt und plausibel macht, begibt Collum sich auf Queste, die hin und wieder auch ins Feenreich und an andere unwirkliche Orte führt. Grossman erzählt das großartig, gerade durch die minoritäre Perspektive, die mal nicht einen der klassischen Helden in den Mittelpunkt stellt, und den Blick auf die Übriggebliebenen am Ende der Tafelrunde. Lesenswert auch das Nachwort, in dem er deutlich macht, dass die Ursprünge des Stoffs im 6. oder 7. Jahrhundert liegen, entsprechend vor der angelsächsischen Invasion, in einem nachrömischen Britannien, das von Kelt*innen besiedelt ist – die üblichen Versionen aber die Ritter in das höfische Ritual des Hochmittelalters stecken, und davon natürlich auch nicht abgewichen werden kann. Insofern spielt der Roman in einer so nie existiert habenden Traumzeit – da sind dann auch Kürbisse in einem Garten, die mich aus der Bahn geworfen haben, oder die ebenfalls anachronistischen Blaubeeren verzeihbar, über die Grossman selbst im Nachwort schreibt. Interessant finde ich die post-kolonialen Brechungen – in der Perspektive des muslimischen Ritters Sir Palomides, der von den Errungenschaften des islamischen Zivilisation schwärmt, aber auch darin, wie die Charaktere des Buchs mit dem Ende der römischen Kolonisierung umgehen.