Brandung (9)

Jetzt wird’s etwas tur­bu­len­ter. Doch, wirklich!

Mini sunflowers III

Brandung (9)

Aus dem Sonn­tag­mor­gen war ein Sonn­tag­mit­tag gewor­den. Ges­tern war es noch bewölkt gewe­sen, heu­te war weit und breit kei­ne Wol­ke zu sehen. Wind­stil­le. Kath fand es selbst im Schat­ten unter den wild wuchern­den Bäu­men auf der ehe­ma­li­gen Bau­stel­le uner­träg­lich heiß. Wenn sie sah, wie die Son­ne auf das Blech­dach des Bau­wa­gens brann­te, dann muss­te es dort drin­nen noch viel wär­mer sein. „Wie lan­ge braucht Guy noch? Was meinst du?“

Ber­ti zuck­te mit den Schul­tern. „Geben wir ihm noch ein biss­chen Zeit. Ich habe das schon oft erlebt, dass er nach ein paar Stun­den eine wirk­lich genia­le Lösung gefun­den hat. Aber nur, wenn er nicht gestört wurde.“

Kath kam sich nutz­los vor. Sie wuss­te nicht, was sie hier anfan­gen soll­te. Ihr Tele­fon durf­te sie nicht anschal­ten. Den Schmet­ter­ling hat­te sie in ihrer Tasche ver­staut; sein Akku war leer. Anders als Ber­ti hat­te sie nichts zu lesen dabei, und wenn, hät­te sie dafür das Tele­fon anschal­ten müs­sen. Oder um Musik zu hören. Mit Ber­ti reden? Nein, dan­ke. Wor­über denn auch. 

Ber­ti sah das offen­sicht­lich anders: „Komm, wir suchen uns was zu essen. Hier in der Nähe gibt es ein klei­nes Cafe, das ganz gut ist.“

Immer­hin eine Abwechs­lung. Sie folg­te Ber­ti, der tie­fer auf das Gelän­de der ehe­ma­li­gen Bau­stel­le vor­drang, statt, wie es Kath erwar­tet hät­te, in Rich­tung des alten Parks zu gehen. Bald kamen sie an eine hin­ter Brom­beer­ran­ken ver­steck­te Mau­er. Ber­ti folg­te die­ser, bis ein ros­ti­ges Tor auf­tauch­te. „Hier durch!“ Mit sicht­lich gro­ßer Kraft­an­stren­gung öff­ne­te Ber­ti das Metall­tor einen Spalt weit. Kath ver­such­te, an ihm vor­bei einen Blick hin­durch zu wer­fen. Sie konn­te nur Dun­kel­heit erkennen. 

Ber­ti zwäng­te sich durch den Tor­spalt, und Kath tat es ihm nach. Es dau­er­te eine Wei­le, bis sich ihre Augen an das Däm­mer­licht in dem Raum gewöhnt hat­ten. Immer­hin: ange­nehm kühl war es hier. Stahl­trä­ger rag­ten in gleich­mä­ßi­gem Abstand in die Höhe. Auf ihnen war eine Decke aus Holz befes­tigt. Die ver­ein­zelt zwi­schen den Holz­plan­ken ein­fal­len­den Son­nen­strah­len stell­ten die ein­zi­ge Licht­quel­le dar. Ein ehe­ma­li­ger Hin­ter­hof, zum Lager­raum umge­baut? Zwi­schen den Stahl­trä­gern stan­den Geträn­ke­kis­ten, Kar­ren und Mülltonnen.

Ber­ti spiel­te den Stadt­füh­rer: „Über­ra­schung! Das ist der Kel­ler vom Cafe Kobi. Vor­ne geht’s auf die Stra­ße raus. Über uns ist der Biergarten.“

Das Cafe Kobi war Kath durch­aus ein Begriff. Sie war sogar schon auf des­sen Ter­ras­se geses­sen. Die zuge­wu­cher­te Bau­stel­le, die sich ja, wie sie nun wuss­te, direkt dane­ben befand, war ihr dabei nie auf­ge­fal­len. Als sie sich auf eben die­ser Ter­ras­se jetzt mit Ber­ti an einen weiß gestri­che­nen Klapp­tisch aus Holz setz­te, wur­de ihr klar, war­um: Die Mau­er, die den Park und die Bau­stel­le umgab, rag­te am Rand des Bier­gar­tens drei Meter in die Höhe. Sie wirk­te hier wie eine grün zuge­wu­cher­te ehe­ma­li­ge Haus­wand, auf der oben die Dach­kon­struk­ti­on für das Glas­dach auf­lag, das jetzt aller­dings zurück­ge­fah­ren war.

Wäh­rend Kath auf ihre Por­ti­on bel­gi­sche Pom­mes war­te­te, ver­such­te sie, zumin­dest so zu tun, als wür­de sie ganz ent­spannt auf den Augen­blick ein­las­sen. Ein Sonn­tag­mit­tag im Bier­gar­ten in der Som­mer­son­ne. Viel­leicht soll­te sie Glo­bal Water ein­fach ver­ges­sen und das Leben genießen. 

„Ach­tung, hier spricht die Poli­zei! Bit­te Ruhe bewah­ren! Ach­tung!“ Eine Laut­spre­cher­stim­me riss Kath aus ihrer Sonn­tags­stim­mung. Sie wech­sel­te einen Blick mit Ber­ti. Sit­zen blei­ben und so tun, als wäre nichts, oder tür­men? An den Tisch rings­her­um sprach jetzt kei­ner mehr. Wie­der die Laut­spre­cher­stim­me; noch war der Poli­zei­ro­bo­ter nicht zu sehen. „Hier spricht die Poli­zei! Bit­te hal­ten Sie Ihre ID-Kar­te bereit!“ Blau­es Leuch­ten erfüll­te den Gast­raum. „Du da lang, ich über die Mau­er. Ver­such, dich ganz nor­mal zu ver­hal­ten!“ Ber­ti zeig­te auf den Las­ten­auf­zug, der die Ter­ras­se mit dem Lager­raum ver­band und halb hin­ab­ge­fah­ren war. 

Kath stand auf und ging lang­sam in die­se Rich­tung. Sie hat­te das Gefühl, die Bli­cke aller ande­ren Gäs­te folg­ten ihr. Ein Ruf: „Hal­tet ihn auf!“ Sie dreh­te sich um. Ber­ti stand oben auf der Mau­er, die Son­ne im Rücken. Mit einem Knall fiel die Alu­mi­ni­um­lei­ter zu Boden, auf der er hoch­ge­klet­tert war. Kath nutz­te die­se Moment, um durch den Las­ten­auf­zug in den Kel­ler zu klet­tern. Stim­men­ge­wirr und blau­es Blin­ken oben. Däm­mer­licht unten. „Kei­ne Bewe­gung!“ Der Poli­zei­ro­bo­ter hat­te die Ter­ras­se erreicht. Kath husch­te im Kel­ler die Wand ent­lang, bis zum ver­ros­te­ten Tor. Es stand noch immer einen Spalt auf. Kath zwäng­te sich hin­durch. Sie zerr­te an der Metall­tür. Die­se fiel zu. Erst­mal in Sicher­heit. Wohin jetzt?

(to be continued)

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