Brandung (7)

Auch im sieb­ten Teil von Bran­dung blei­ben wir bei Mar­tha und ihren Erleb­nis­sen am Samstagabend.

Intersection

Brandung (7)

Nach­dem der rote Por­sche wie­der davon­ge­fah­ren war, wag­te Mar­tha es, die Fahr­rad­ga­ra­ge zu ver­las­sen. Jetzt direkt bei Dr. May­mo­th zu klin­geln, kam ihr unan­ge­bracht vor. Am bes­ten wäre es, eine Wei­le zu war­ten und erst dann das Gespräch zu suchen. Aber wohin gehen? Das hier war eine rei­ne Wohn­ge­gend; Mar­tha konn­te sich jeden­falls nicht erin­nern, auf der Fahrt hier­her ein Cafe oder ein Bis­tro gese­hen zu haben. Unschlüs­sig stand sie vor dem Ein­gang der Fahr­rad­ga­ra­ge. Sie fühl­te sich hier fehl am Platz. Und doch woll­te sie ihren Plan nicht auf­ge­ben, Dr. May­mo­th direkt anzusprechen. 

Wäh­rend Mar­tha noch über­leg­te, hör­te sie, wie eine Tür ins Schloss fiel. Sie blick­te sich um. Rich­tig – Dr. May­mo­th eil­te, mit einem Roll­kof­fer im Schlepp­tau, der Stra­ße zu. Wenn Mar­tha sie anspre­chen woll­te, muss­te sich jetzt ihre Chan­ce ergreifen.

Mar­tha hat­te Glück. Dr. May­mo­th bog in ihre Rich­tung ab. Schon hat­te sie Mar­tha gesehen.

„Hal­lo Frau …“ – Dr. May­mo­th zöger­te kurz, das cha­rak­te­ris­ti­sche Zucken der Augen­li­der ver­riet, dass sie Infor­ma­tio­nen über ein Neu­ro­tab abrief – „Frau Beer­mann! Was machen Sie denn hier?“ Dr. May­mo­th schien es eilig zu haben; sie ver­lang­sam­te zwar ihre Schrit­te, blieb aber nicht ste­hen. So blieb Mar­tha nichts ande­res übrig, als sich eben­falls in Bewe­gung zu set­zen. Soll­te sie den Vor­fall mit dem roten Por­sche anspre­chen? Lie­ber nicht. 

„Hal­lo! Ich dach­te, dass sie viel­leicht einen Moment Zeit für mich haben. Ich woll­te sie auf das Pro­jekt ansprechen.“

Dr. May­mo­th fiel ihr ins Wort. „Das Nano-Pro­jekt? Sie waren bei der Vor­stel­lung dabei, ich erin­ne­re mich. Eine sehr span­nen­de Sache für Glo­bal Water, nicht wahr? Ich bin lei­der gera­de etwas in Eile; der Flug war­tet nicht. Aber kom­men Sie doch ein­fach mit, dann kön­nen wir unter­wegs dar­über sprechen.“

Sie hat­ten inzwi­schen eine grö­ße­re Stra­ße erreicht. Auf eine Hand­be­we­gung von Dr. May­mo­th hin – und, so ver­mu­te­te Mar­tha, auf Befehl ihres neu­ro­na­len Implan­tats – hielt kurz dar­auf ein City­ta­xi an. „Stei­gen Sie ein, Frau Beermann!“ 

Mar­tha quetsch­te sich auf die Rück­bank des klei­nen Elek­tro­fahr­zeugs, wäh­rend Dr. May­mo­th vor­ne Platz nahm. Weni­ge Minu­ten spä­ter waren sie am Flug­ha­fen ange­langt. Mar­tha hat­te noch immer kei­ne Gele­gen­heit gefun­den, Dr. May­mo­th über den eigent­li­chen Grund ihres Gesprächs­wun­sches zu infor­mie­ren. Die­se wie­der­um schien es völ­lig nor­mal zu fin­den, dass eine Pro­jekt­lei­te­rin am Sams­tag­abend unan­ge­mel­det bei ihr auf­tauch­te. Es war noch nicht ein­mal eine Stun­de her, seit der rote Por­sche vor Dr. May­mo­ths Haus ange­hal­ten hat­te – aber Dr. May­mo­th war das nicht anzumerken. 

„Frau Beer­mann, ich bin gera­de auf dem Weg zu unse­rer Ver­suchs­an­la­ge in Kata­lo­ni­en. Sie sind ja eine fähi­ge Inge­nieu­rin – viel­leicht fin­den Sie das inter­es­sant. Da fin­den wir dann sicher auch Zeit, über das Pro­jekt Nano und ihre zukünf­ti­ge Funk­ti­on dabei zu reden. Na, sind Sie dabei?“

Tau­send Gedan­ken wir­bel­ten durch Mart­has Kopf. Sie hat­te kei­ne Zahn­bürs­te dabei. Und was wür­de Mar­tin von ihr den­ken? Aber so nah an Dr. May­mo­th wür­de sie nicht so schnell wie­der her­an­kom­men. Was soll­te sie sagen? 

Dr. May­mo­th wirk­te unge­dul­dig. „Ent­schei­den Sie sich. Das ist zwar unser klei­ner Flie­ger, aber die Slots ver­teilt die Flug­auf­sicht. Und …“ – Dr. May­mo­th blink­te wie­der mit den Augen – „… in exakt sie­ben Minu­ten und fünf­und­drei­ßig Sekun­den endet unser Slot.“

Also gut. Mar­tha war zwar schon geflo­gen, aber noch nie in einem Fir­men­flug­zeug. Statt durch lang­wie­ri­ge Kon­trol­len hin­durch­ge­schleust zu wer­den, wur­den Dr. May­mo­th und sie nur höf­lich durch­ge­winkt. Noch nicht ein­mal ihre ID-Kar­te woll­te jemand sehen. Dr. May­mo­th hin­ter­her bestieg sie den „klei­nen Flie­ger“ – ein fili­gran wir­ken­des Was­ser­stoff­jet im Kon­zern­blau von Glo­bal Water. Kaum hat­ten sie sich gesetzt und ange­schnallt, ertön­te eine auto­ma­ti­sier­te Durch­sa­ge. „Will­kom­men an Bord der Seagull III zum Flug nach Bar­ce­lo­na. Bit­te blei­ben Sie ange­schnallt und schal­ten Sie alle Tele­fo­ne und Implan­ta­te in den Flugsicherheitsmodus.“

Mar­tha woll­te der Anwei­sung Fol­ge leis­ten. Erst jetzt fiel ihr auf, dass ihr Tele­fon noch immer im Navi­ga­tor­hal­ter ihres Fahr­rads steck­te. „Start­zeit: in drei Minu­ten“, mel­de­te sich die Durch­sa­ge wie­der. „Wir wün­schen Ihnen einen guten Flug mit der Seagull III!“

(to be continued)

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