Kontrovers: Sind die Grünen liberal?

Jakob Aug­stein sucht eine libe­ra­le Ersatz­par­tei, die die Rol­le der FDP, die das nicht mehr ist, über­neh­men könn­te. Klar fin­den sich bei­spiels­wei­se die Pira­ten sofort ange­spro­chen. Aber eigent­lich braucht es eine sol­che Par­tei nicht. Schließ­lich gibt es Bünd­nis 90/Die Grü­nen – und, so jeden­falls mei­ne Per­spek­ti­ve – uns sind Bür­ger­rech­te und indi­vi­du­el­le Frei­hei­ten sehr viel wert. Mit dem Risi­ko haben wir manch­mal Pro­ble­me, und wenn’s dar­um geht, dass Öko­lo­gie Prio­ri­tät haben muss, lässt sich mit uns Grü­nen auch nicht spa­ßen. Aber ansons­ten sind wir doch die Par­tei, zu deren Men­schen­bild es gehört, dass jede/r selbst­be­stimmt ent­schei­den kön­nen soll, wie er oder sie leben will, dass sich aus Teil­ha­be an z.B. Bil­dung indi­vi­du­el­le Zukunfts­chan­cen erge­ben, dass es Rech­te der Ein­zel­nen gibt, die Staat und Wirt­schaft gegen­über geschützt wer­den müs­sen, und dass vie­le Ent­schei­dun­gen beim Staat nicht so wirk­lich gut auf­ge­ho­ben sind. Also das gan­ze links­li­be­ra­le Pro­gramm. Oder sehe ich das falsch?

36 Antworten auf „Kontrovers: Sind die Grünen liberal?“

  1. Der Abbau von Frei­heits- und Bür­ger­rech­ten hat mit Rot-Grün vor etwa 10 Jah­ren angefangen.
    Auch wenn ein­zel­ne Grü­ne sich wün­schen, in einer libe­ra­len Par­tei zu sein, muss man doch fest­stel­len, dass die Denk­wei­se des gesam­ten Par­tei oft nicht libe­ral son­dern auf staat­li­che Bevor­mun­dung aus­ge­legt ist, was man allei­ne schon bei der Dis­kus­si­on um die Frau­en­quo­ten sieht.
    Die Grü­nen sind der CDU wesent­lich ähn­li­cher als einer wirk­lich libe­ra­len Par­tei. Das sieht man gera­de auch in Baden-Würt­tem­berg, wo man mit Win­fried Kret­sch­mann einen Kon­ser­va­ti­ven zum Spit­zen­kan­di­da­ten und somit nun wohl auch zum Minis­ter­prä­si­den­ten gemacht hat.

  2. Dem kann ich nicht so zustimmen. ;)

    Wie wärs damit, dass die Grü­nen viel kopie­ren aber es nicht unbe­dingt ver­stan­den haben?

    Frei­hei­ten wer­den macht­po­li­ti­schen Spiel­chen geop­fert. Stich­wort JMStV in NRW.

    Eine dis­kri­mi­nie­ren­de Frau­en­quo­te. etc.

    Und sogar im Umwelt­sek­tor nun­ja … Koh­le­kraft­wer­ke in Hamburg. ;)

  3. Dann auch noch hier: Ich fin­de, dass ange­sichts des ja auch von Aug­stein zu Recht als sehr viel­fäl­tig beschrie­be­nen Begriffs der Libe­ra­li­tät in Deutsch­land eigent­lich Platz sein müss­te für zwei libe­ra­le Par­tei­en. Eine, die wie wir, zwar sehr für Frei­heits­rech­te steht, aber weiß, dass der Frei­heit etwas zu tun oft genug hand­fes­te Grün­de ent­ge­gen­ste­hen (Ver­ant­wor­tung für Kin­der und allein­er­zie­hend, dis­kr­mi­niert wegen einer Behin­de­rung, auf Grund man­geln­der intel­lek­tu­el­ler Fähig­kei­ten auf ein­fa­che­re­re Jobs angewiesen…etc.pp.). Und die daher stark auf eine gute Infra­struk­tur setzt und auf einen Staat, der auch die Mit­tel ein­sam­melt eine sol­che Infra­struk­tur zu pflegen.
    Und im Gegen­zug eine FDP (z.B.), die schon die Pfle­ge von Infra­struk­tur für staat­li­ches, also diri­gis­ti­sches Han­deln hält, die dem Markt mehr ver­traut als wir und Soli­da­ri­tät vor allem für die­je­ni­gen vor­hält, die sich wirk­lich anstrengen. 

    So eine libe­ra­le Par­tei wäre nicht mei­ne, aber ich hal­te sie trotz­dem für wich­tig. Weil sie rela­tiv immun ist für einen Opfer-Dis­kurs („die feh­len­de Infra­struk­tur war’s – in kei­nem Fall ich!“), für den wir des­halb nicht so immun sind, weil wir tat­säch­lich Opfer kennen. 

    Da aber kei­ne ein­zi­ge Par­tei die wah­ren Opfer von den wah­ren Jam­mer­lap­pen tren­nen kann, ist es viel­leicht ganz gut, wenn eine libe­ra­le Par­tei im Zwei­fel für den Ange­klag­ten ist, die ande­re im Zwei­fel gegen ihn. Dadurch kommt man am Ende aller Tage wahr­schein­lich am ehes­ten zu einer Bür­ger­ge­sell­schaft, die zur Soli­da­ri­tät tat­säch­lich fähig ist, weil sie sich nicht von allen aus­ge­nutzt fühlt.

  4. @Suppentopf: Ich hät­te es dann doch ger­ne noch­mal etwas genau­er – was an den drei genann­ten Bei­spie­len (JMStV, der ja letzt­lich in NRW gekippt wur­de; grü­ne Frau­en­quo­te; Moor­burg) ist denn nun ein deut­li­cher Hin­weis dar­auf, dass die Grü­nen kei­ne libe­ra­le Par­tei sind?

    @Katja: Fin­de den Gedan­ken, wie schon bei Face­book gesagt, beden­kens­wert, kann mich aber noch nicht so ganz mit einer Das­eisn­be­rech­ti­gung für eine – rechts­li­be­ra­le? – Par­tei anfreunden ;-)

  5. Zu einer libe­ra­len Par­tei gehö­ren mei­ner Ansicht nicht nur libe­ra­le Zie­le, son­dern auch libe­ra­le Metho­den. Eine Par­tei die es mir auf­grund einer Eigen­schaft, die ich mir nicht aus­ge­sucht habe, dau­er­haft per Sat­zung ver­bie­tet, mich um Lis­ten­platz Eins bei einer Wahl zu bewer­ben kann vie­les sein aber nicht liberal.
    Der letzt­lich erfolg­rei­che Gesetz­ent­wurf zum Volks­ent­scheid beim Rauch­ver­bot in Bay­ern, den die Grü­nen unter­stützt haben, ent­mün­digt Wir­te und Gäs­te in einer über­trie­be­nen Art und Wei­se, die Libe­ra­le nie­mals unter­stüt­zen können.
    Die soge­nann­ten „Otto-Kata­lo­ge“ wur­den ja schon erwähnt.Lauter Wider­stand von den Grü­nen? Fehlanzeige!
    Ernst­haf­te Bemü­hun­gen der Grü­nen zur Abschaf­fung der Wehr­pflicht wäh­rend Rot-Grün? Fehlanzeige!

  6. Ich fin­de es ja lus­tig, wie vie­le sich hier auf die Frau­en­quo­te bezie­hen (sie­he auch den Blog­ein­trag direkt vor die­sem …). Wäre die akzep­ta­bler, wenn ich sie als ord­nungs­po­li­ti­sche Maß­nah­me im Sin­ne einer künst­li­chen Markt­tren­nung zur Ver­mei­dung von Fehl­al­lo­ka­tio­nen beschrei­ben wür­de? Ich fin­de jeden­falls eine durch eine für alle glei­cher­ma­ßen gül­ti­ge Frau­en­quo­te struk­tu­rier­te Lis­te um eini­ges libe­ra­ler als von vor­ne­her­ein vor­ge­ge­be­ne Lis­ten, wie es sie gerüch­te­wei­se in ande­ren Par­tei­en geben soll.

    Zu „Otto-Kata­lo­gen“ und der Wehr­pflicht: da waren wir Grü­ne weni­ger laut, als es gut gewe­sen wäre, ja. Die FDP hat sich da aber auch kaum bemerk­bar gemacht – weder in der Kohl­re­gie­rung (mal von den weni­gen Links­li­be­ra­len abge­se­hen) noch jetzt.

    Rauch­ver­bot fin­de ich ein gutes Bei­spiel dafür, wo die prin­zi­pi­el­le libe­ra­le Grund­hal­tung an gesund­heits­be­zo­ge­ne bzw. öko­lo­gi­sche Prin­zi­pi­en stößt. Aber war nicht schon in den Frei­bur­ger The­sen der FDP Umwelt­schutz als Ziel mitenthalten?

  7. Wie auch schon bei Face­book gesagt: Das was ihr hier beschreibt, ist für mich nicht libe­ral. Es ist Rosi­nen­pi­cke­rei mit libe­ra­lem Eti­kett. Was einem so gefällt, wird über­nom­men, und anschlie­ßend geht man mit der eige­nen „Libe­ra­li­tät“ hausieren.

    Das ist in etwa so, wie wenn sich die CSU selbst als Öko­par­tei bezeich­net. Kommt ab und zu vor, ist aber voll­kom­men unglaubwürdig.

    Wenn man libe­ra­len Prin­zi­pi­en folgt, dann sind z.B. eine Frau­en­quo­te oder ein staat­lich ver­ord­ne­tes Rauch­ver­bot in Knei­pen ein­fach jen­seits des Akzep­ta­blen. Solan­ge wir die Frei­heit des Ein­zel­nen für jedes x‑beliebige The­ma über Bord wer­fen, weil sie mit unse­rer „öko­lo­gi­schen“ und „gerech­ten“ Gesell­schafts­uto­pie kol­li­diert, haben wir kaum das Recht, uns als libe­ral zu bezeichnen.

    Aller­dings hat die­ses Recht, wie Aug­stein ja auch schon fest­stellt, auch kei­ne ande­re deut­sche Partei.

  8. Hmmm. Da drängt sich dann, wenn du das so abso­lut setzt, doch die Fra­ge auf, ob es über­haupt libe­ra­le Poli­tik in dei­nem Sin­ne jen­seits eines rechts­an­ar­chis­ti­schen Mini­mal­staats geben könn­te. Ganz abge­se­hen davon, dass selbst so ein Poli­tik­ver­ständ­nis de fac­to eine erheb­li­che Gestal­tungs­wir­kung und Ein­schrän­kung von indi­vi­du­el­len Frei­heits­rech­ten mit sich brin­gen wür­de, klingt das für mich nach einer letzt­lich völ­lig ori­en­tie­rungs- und wer­te­lo­sen Poli­tik. Aber viel­leicht ist das auch nur die aktu­el­le FDP, die mir mei­ne Vor­stel­lung ver­saut. Was ich ger­ne hät­te – und ich glau­be nicht, dass das Rosi­nen­pi­cke­rei ist – wäre eine Poli­tik, die klar sagt: hier sind gra­vie­ren­de gesell­schaft­li­che Miss­stän­de (z.B. Umwelt­pro­ble­me, z.B. die sys­te­ma­ti­sche Benach­tei­li­gung von Grup­pen, z.B. gra­vie­ren­de Chan­cen­un­gleich­hei­ten), die wol­len wir ändern, da wol­len wir in der Tat gestal­tend tätig sein (ord­nungs­po­li­tisch mit Ver­bo­ten z.B. der frei­en und unge­hin­der­ten Atom­kraft­nut­zung, mit Markt­an­reiz­sys­te­men, mit Regu­lie­run­gen wie einer Frau­en­quo­te oder einem Min­dest­lohn) – aber über­all sonst nicht. Und dann geht’s ja auch noch dar­um, dass indi­vi­du­el­le Frei­heits­rech­te einem oder einer über­haupt nichts nüt­zen, wenn sie durch mate­ri­el­le Fak­ti­zi­tä­ten so ein­ge­schränkt wer­den, dass sie nicht in Anspruch genom­men wer­den können.

    [Edit: Sehe gera­de bei Face­book, dass Björn zum letz­ten Punkt das Grund­ein­kom­men ins Spiel bringt. Ja, richtig.]

  9. Oha, die Frau­en­quo­te als Stress­test. Wie schaf­fen es bei uns Grü­nen eigent­lich über­haupt noch so vie­le Män­ner in ver­ant­wort­li­che Posi­tio­nen? Mehr übri­gens als Frau­en bei der FDP?

    Aug­stein hat ja auch gesagt, dass es „die eine Libe­ra­li­tät“ nicht gäbe. So fin­det der rau­chen­de Fahr­rad­fah­rer zwar das Rauch­ver­bot in Knei­pen schei­ße, will aber natür­lich sel­ber ger­ne in einer Fahr­rad­stra­ße woh­nen (auch weil es den Wert des Eigen­heims stei­gert). Der nicht­rau­chen­de Auto­fah­rer dage­gen fin­det das Rauch­ver­bot supi, regt sich aber über die Gebüh­ren­ab­zo­cke für Park­plät­ze, Falsch­par­ken und Rasen auf. Schließ­lich war es im Zwei­fels­fall immer nachts oder drin­gend oder beides.

    Ich fin­de: Der Staat greift auf so vie­le Arten in mein Leben ein, dass es ok ist, wenn ich klar mache, wo ich drauf ver­zich­ten kann und wo ich es im Gegen­zug wün­schen wür­de. Ich fin­de es nicht per se nicht-libe­ral, wenn der Staat bestimm­te Ver­hal­tens­wei­sen föde­rt. Wenn die­se Ver­hal­tens­wei­sen dazu bei­tra­gen, dass der Mensch dem Staat spä­ter nicht so auf den Sack fällt – war­um nicht? Schön libe­ral das Markt­ver­sa­gen in der Erwerbs­tä­tig­keit von Frau­en för­dern, bloß um hin­ter­her die Gerich­te dau­ernd mit um Unter­halt zan­ken­den Paa­ren zu beschäf­ti­gen? Schön libe­ral die Eltern in Ruhe las­sen, die mit der Kin­der­er­zie­hung über­for­dert sind, bloß um am Ende von Sozi­al­ge­rich­ten doch dazu ver­don­nert wer­den, den dann erwach­se­nen Kin­dern Sozi­al­leis­tun­gen zu zahlen?

    Für mich gehört zur Libe­ra­li­tät eben nicht nur die Frei­heit von etwas (z.B. dem Staat, aber auch dis­kri­mi­nie­ren­den Chefs oder sozi­al selek­tie­ren­den Schu­len) – son­dern eben auch die Frei­heit etwas tun zu kön­nen. Dazu muss der Staat aber Rah­men­be­din­gun­gen schaf­fen, dass die glei­che Ent­schei­dung die eine nicht die Exis­tenz kos­tet, den ande­ren bloß ein müdes Lächeln.

    Und Till: War­um soll­te denn anders libe­ral als wir gleich rechts­li­be­ral sein? Es wür­de doch rei­chen, wenn sie libe­ral genug ist, um die gan­zen grü­nen Quo­ten­op­fer aufzunehmen ;-)
    Ich wür­de viel­leicht eher markt­li­be­ral dazu sagen? Das scheint mir der Haupt­un­ter­schied zu sein: Markt­gläu­big­keit vs. Marktversagensgläubigkeit…

  10. Ich fin­de die Grü­nen ehr­lich gesagt, von einer umwelt­po­li­ti­schen Per­spek­ti­ve aus, teil­wei­se zu libe­ral. Wobei ich natür­lich ver­ste­he, wie das pas­siert ist. Die Debat­te um 5 Mark Ben­zin­preis 1998 vor der Wahl war Abschre­ckung für vie­le Jahre.

    Aber bleibt der 5 Mark-Gedan­ke nicht rich­tig? Müss­te man nicht CO2-inten­si­ves Ver­hal­ten (Flie­gen, Rind­fl­sich essen, dicke Autos fah­ren usw.) sehr viel stär­ker durch Steu­ern „bestra­fen“? Müss­te man nicht viel mehr in die Wirt­schaft ein­grei­fen, um öko­lo­gi­sche Pro­duk­ti­ons­stan­dards (bei der Tier­hal­tung usw) und Ver­brauchs­nor­men (Autos) zu set­zen? Müss­te man nicht staats­wirt­schaft­lich mehr tun, um den Aus­bau erneu­er­ba­rer Ener­gie­en zu beschleunigen?

    Auf die öko­lo­gi­sche Fra­ge hat der Libe­ra­lis­mus mit sei­nem fal­schen Glau­ben an den ver­nünf­ti­gen, auf­ge­klär­ten Kon­su­men­ten mei­ner Mei­nung nach kei­ne Ant­wort. Die „unsicht­ba­re Hand“ des Mark­tes rui­niert unse­ren Pla­ne­ten, auch wenn wir jetzt schon­mal im Bio-Markt kaufen.

  11. Ich glau­be auch nicht an den Markt. Aber noch viel weni­ger glau­be ich an Regie­run­gen. Der Markt kann alle mög­li­chen klei­nen bis mitt­le­ren Unge­rech­tig­keit her­vor­brin­gen, aber wenn man so rich­tig sys­te­ma­ti­sche Unter­drü­ckung will, braucht man nach wie vor den Staat und sei­ne Schergen.

    Das ist, glau­be ich, auch der Kern libe­ra­len Den­kens. Man muss nicht gleich Anar­chist sein. Man kann durch­aus in ein­zel­nen Fäl­len Regu­lie­rung for­dern. Öko­lo­gi­sche Pro­ble­me, die durch exter­ne Effek­te ent­ste­hen, kriegt man ja anders kaum in den Griff. Oder Gewalt­kri­mi­na­li­tät. Das ist auch nicht gera­de ein Pro­blem, das die unsicht­ba­re Hand von selbst lösen wird.

    Aber die Lat­te liegt da sehr hoch, wenn man libe­ral sein will. Eine von ihren Wir­kun­gen her eher sym­bo­li­sche Frau­en­quo­te für Auf­sichts­rä­te zu for­dern, wenn man nicht ein­mal die angeb­li­che Dis­kri­mi­nie­rung schlüs­sig nach­wei­sen kann: Ist nicht libe­ral. Gan­ze Wirt­schafts­zwei­ge mit will­kür­li­chen Ver­bo­ten zu bele­gen, damit Leu­te an Orten gesund leben kön­nen, die dafür ein­fach nicht gedacht sind: Auch nicht.

    Viel­leicht muss man sowas ja ver­tre­ten, wenn man grün sein will. Aber dann soll­te man nicht gleich­zei­tig libe­ral sein wollen.

  12. Du hältst die Grü­nen für liberal?

    Gut. Machen wir Mal die Pro­be und neh­men für den Anfang die­sen Link:
    http://www.gruene.de/einzelansicht/artikel/das-wahlprogramm-in-stichworten.html

    „10 Punk­te für grün“ – das soll­ten m.E. die prio­ri­sier­ten Haupt­punk­te der Pro­gram­ma­tik darstellen.

    Und nun spre­chen wir dar­über wie vie­le die­ser Punk­te einen libe­ra­len Cha­rac­ter haben und wel­che Ein­griffs­in­ten­si­tät der Rest hat. Ich kom­me mit zwei oder drei Aus­nah­men aus­schließ­lich auf Vor­schrif­ten. Von Han­dels­re­gu­lie­run­gen und ‑beschrän­kun­gen über Lohn- und Quo­ten­re­ge­lun­gen, grü­nem Sub­ven­ti­ons­aus­bau bis zu ver­stärk­ten Auf­la­gen aus Rich­tung Verbraucherschutz.

    Nicht das ich nicht dem ein- oder ande­ren auch etwas abge­win­nen könn­te. So ist das nicht. In der Prio­ri­tä­ten­lis­te seid Ihr aber so was von „nicht libe­ral“ das man schon eine blau­ab­sor­bie­ren­de Bril­le benö­tigt um „Gelb“ dar­in zu erkennen… ;)

    Grü­ße
    ALOA

  13. Alle, die mei­nen, die Grü­nen sei­en nicht libe­ral, ver­wech­seln hier m. E. libe­ral mit anar­chis­tisch. Libe­ral bedeu­tet nicht, daß man gar nichts mehr regu­lie­ren darf. Frei zu leben, bedeu­tet näm­lich auch, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men, um durch die eige­ne freie Lebens­wei­se die Frei­heit der ande­ren nicht ein­zu­schrän­ken. Wenn das nicht funk­tio­niert, muß der Staat ord­nend ein­grei­fen, um allen ihre Frei­heit zu sichern. In die­sem Sin­ne ist das Rauch­ver­bot nicht nicht libe­ral, son­dern zutiefst libe­ral! Hier wird die Frei­heit einer Min­der­heit im Sin­ne die­ser feh­len­den Ver­ant­wor­tung ein­ge­schränkt, um die Mög­lich­keit zu gewähr­leis­ten, daß sich alle ohne Gesund­heits­ge­fähr­dung frei bewe­gen kön­nen. Die Quo­te ist ein schwie­ri­ges The­ma. Sie nimmt Män­nern bei den Grü­nen in der Tat Frei­hei­ten, ohne daß gesi­chert ist, daß das über­haupt noch nötig ist. Ich bin daher schon län­ger dafür, die Quo­te bei uns aus­zu­set­zen und genau das auf den Prüf­stand zu stellen.

  14. Alex, dass die ord­nen­de Hand des Staa­tes zu einer sinn­vol­len Vor­stel­lung von Libe­ra­li­tät gehört, habe ja nicht mal ich bestrit­ten. Aber das Rauch­ver­bot als libe­ral zu bezeich­nen ist ein typi­sches Bei­spiel dafür, dass man sich alles so zurecht­legt, wie man’s braucht.

    Die Argu­men­te zu dem The­ma sind ja längst aus­ge­tauscht, da will ich nicht mehr groß davon anfan­gen. Aber sagen wir mal so: Wäre es denn dann auch libe­ral, in Eis­sta­di­en Anti­rut­sch­mat­ten aus­zu­le­gen, damit die Leu­te, die nicht schlitt­schuh­lau­fen kön­nen, nicht in ihrer Bewegungs-„freiheit“ ein­ge­schränkt werden?

    Nein. Sowas ist natür­lich Blöd­sinn. Also. Etikettenschwindel.

  15. Und, Wolf­gang: Ja, als Strö­mung gibt es die­se Form der eman­zi­pa­to­ri­schen, lin­ken Libe­ra­li­tät bei uns in der Par­tei. Ich sehe aber nicht, dass das unse­re gene­rel­le Rich­tung wäre. Gene­rell ten­die­ren wir im Zwei­fel eher zum Paternalismus.

    Zudem fehlt auch vie­len, die sich ger­ne zum eman­zi­pa­to­ri­schen Frei­heits­ver­ständ­nis beken­nen, die nöti­ge Basis eines klas­si­schen Frei­heits­ver­ständ­nis­ses, nach dem es zuerst mal dar­um geht, dass der Staat die Leu­te in Ruhe lässt. Denn auch, wenn es um „Empower­ment“ geht, darf nicht jedes Mit­tel recht sein.

    Ihr könnt die Grü­nen libe­ral nen­nen, so oft ihr wollt, aber wenn wir die Par­tei nach Taten statt nach Wor­ten beur­tei­len, dann ist das ein­fach eine lächer­li­che Anma­ßung, und nichts weiter.

  16. Ord­nungs­po­li­tik macht da Sinn, wo Schwä­che­re unter frei­heit­li­chen Gesichts­punk­ten unter­ge­hen wür­den, selbst der­art in ihrer Frei­heit ein­ge­schränkt wür­den durch die Kon­se­quen­zen eben­die­ser gewähr­ten Frei­heit. 2 Bei­spie­le sind schon genannt: Frau­en­quo­te: sorgt dafür, dass bei Grüns mehr Frau­en in ver­ant­wort­li­che Posi­tio­nen kom­men. Das ist nicht anti­li­be­ral, das ist eine posi­ti­ve Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund eines höher­wer­ti­gen Ziels, dass dann ins­ge­samt mehr Frei­heit für alle schafft.
    Rauch­ver­bot: end­lich rea­li­siert, schützt es die, die sich von dem per­ma­nen­ten rück­sichts­lo­sen Ver­hal­ten der Rau­cher nciht schüt­zen kön­nen. DA wo es nicht ver­bo­ten ist, fin­det das per­ma­nent nochs tatt: ich ste­he jeden Mor­gen an Hal­te­stel­len, völ­lig über­füllt, in denen Rau­che­rIn­nen anfan­gen zu rau­chen, ohne jeg­li­che Rück­sicht. Hier wird die Frei­heit der Nicht­rau­che­rIn­nen geschützt – die schüt­zens­wer­ter ist als die der RaucherInnen.
    Nicht (mehr) regu­liert ist die Zeit­ar­beit. Hier zeigt sich auch, wie der Ego­is­mus ein­zel­ner Han­deln­der dazu führt, dass die Gesell­schaft ins­ge­samt unfrei­er wird. Libe­ral bedeu­tet, dass die Frei­heit alles das Ziel ist, nicht die ein­zel­ner Inter­es­sen­grup­pen. Ord­nug­ns­po­li­tik muss das bewir­ken. Das bedeu­tet immer eine Grat­wan­de­rung und dass immer Ein­zel­ne unzu­frie­den sind. Das ist der Preis – den ich ger­ne bezahle.
    Und in Sachen JMSTV habe ich die Geschichst­klit­te­rung zuun­guns­ten von uns lang­sam satt: bevor die CDU in NRW bereit war, abzu­leh­nen, hat­te die SPD längst auf den grü­nen Kurs, der Ableh­nung hieß, eingeschwenkt.

  17. Jörg, auch Du lie­ferst nur wie­der Bei­spie­le für grü­ne Illiberalität.

    Wer wirk­lich libe­ral ist, weiß, dass durch Frei­heit auch mal Umstän­de und Ver­hal­tens­wei­sen ent­ste­hen, die nicht jedem in den Kram pas­sen. Und ein ech­ter Libe­ra­ler wür­de, wenn über­haupt, Maß­nah­men for­dern, die mög­lichst wenig Frei­heits­ein­schrän­kung brin­gen, auch für die Grup­pe, die als Pro­blem­ver­ur­sa­cher wahr­ge­nom­men wird.

    Also sicher schon mal kein tota­les Rauch­ver­bot. Und, wenn wir das Bei­spiel schon da haben, eher eins an Bus­hal­te­stel­len als eins für Kneipen.

    Ich ver­ste­he gut, dass man gern „libe­ral“ hei­ßen möch­te. Das klingt so schön. Aber dann muss man sich ein­fach auch dar­an gewöh­nen, dass man nicht alles, was man sub­jek­tiv als Pro­blem emp­fin­det, mit obrig­keits­staat­li­cher Gewalt aus der Welt schaf­fen kann…

  18. Björn, und du zeigst schön auf, dass Igno­ranz nicht mit Frei­heit ver­wech­selt wer­den darf. Frei­heit darf immer nur genau­so­weit gehen, wie sie ande­ren nicht scha­det. Das igno­rie­ren Rau­che­rIn­nen in ihrer Mehr­zahl regel­mä­ßig. Rau­chen ist gesund­heits­schäd­lich, pas­siv rau­chen auch, das ist längt wis­sen­schaft­lich belegt. Da Rau­che­rIn­nen aber offen­bar nicht in der Lage sind, die Gesund­heit von Nicht­rau­che­rIn­nen zu ach­ten, muss man sie zwin­gen. Wir sind libe­ral – aber wir ach­ten auch Min­der­hei­ten und Schutz­be­dürf­ti­ge und ent­schei­den uns im Ziel­kon­flikt für diese.

  19. Und Du zeigst wun­der­bar auf, wie die meis­ten Leu­te, die von Frei­heit und Ver­ant­wor­tung faseln, immer nur ihre eige­ne Frei­heit und die Ver­ant­wor­tung der ande­ren meinen.

    Ich wer­de da jetzt nicht dage­gen­ar­gu­men­tie­ren. Ich habe vor dem Volks­be­geh­ren hier genug mit mili­tan­ten Nicht­rau­chern dis­ku­tiert, und es ist ja lei­der völ­lig zwecklos.

  20. Zur Libe­ra­li­tät gehört für mich ganz ent­schei­dend, dass man zur Durch­set­zung eines Zie­les immer das mil­dest mög­li­che Mit­tel wählt.
    Da will ich mal auf die schon ange­spro­che­nen Bei­spie­le Gleich­be­rech­ti­gung von Frau­en und Män­nern und den Nicht­rau­cher­schutz eingehen.
    Das grü­ne Frau­en­sta­tut geht ja über eine rei­ne Quo­tie­rung bei der Beset­zung von Ämtern und Lis­ten­auf­stel­lun­gen weit hin­aus. Din­ge wie ein Veto­recht für eine bestimm­te Grup­pe von Mit­glie­dern oder Dele­gier­ten kann es in einer libe­ra­len Par­tei nicht geben.
    Neben­bei soll ein sol­ches Sta­tut ja dafür sor­gen, dass Frau­en in der Poli­tik nicht durch ein old-boys-net­work unten gehal­ten wer­den. Das bedeu­tet im Umkehr­schluss, dass wenn die­ses Ziel ein­mal erreicht ist, und sich genü­gend fähi­ge Frau­en in Spit­zen­po­si­tio­nen durch­ge­setzt haben, man die­se Rege­lun­gen ja nicht mehr braucht. Dann müss­ten sie erst recht weg. Gibt es da eigent­lich erns­te Bestre­bun­gen inner­halb der Grünen?
    Beim Nicht­rau­cher­schutz sehe ich den Staat in der Pflicht dafür zu sor­gen, dass man ein nor­ma­les Leben mit der Benut­zung öffent­li­cher Ver­kehrs­mit­tel oder Restau­rant­be­su­chen in rauch­frei­er Luft füh­ren kann. Das erfüllt aber auch ein Rauch­ver­bot, dass Rau­cher­räu­me gestat­tet, und Zigar­ren­loun­ges und Shi­sha-Cafes erlaubt.
    Man kann ja gern der Mei­nung sein, dass da ein tota­les Rauch­ver­bot bes­ser ist, aber dann darf man sich nicht mehr mit dem schö­nen Eti­kett „libe­ral“ schmücken.

  21. @WSK: Dan­ke für den Link!

    @Björn/Jörg: Da habe ich doch den Ein­druck, dass es ein­fach zwei ver­schie­de­ne Vari­an­ten von „libe­ral“ sind, die hier argu­men­ta­tiv gegen­ein­an­der aus­ge­spielt werden. 

    @Laszlo: Beim Nicht­rau­cher­schutz kann ich dei­ne Argu­men­te teilen. 

    Zur Gleich­be­rech­ti­gung: ich befürch­te, dass wir die Quo­te noch lan­ge brau­chen. Ein „schö­nes“ Bei­spiel ist die baden-würt­tem­ber­gi­sche Land­tags­wahl, die ja man­gels Lis­te nicht quo­tier­bar ist. Hier sind – selbst in der grü­nen Frak­ti­on – nur knapp ein Drit­tel der Abge­ord­ne­ten weib­lich, ins­ge­samt sieht es noch viel schlech­ter aus. Jetzt kann natür­lich argu­men­tiert wer­den, dass 34–37% Bewer­bun­gen in etwa dem Frau­en­an­teil in der Par­tei ent­spre­chen; vom Ziel einer gleich­be­rech­tig­ten Teil­ha­be von Frau­en und Män­nern ist das trotz­dem weit ent­fernt. Jeden­falls ist die Land­tags­wahl mit dem der­zei­ti­gen Wahl­sys­tem ein guter Test dafür, ob es auch ohne Quo­te geht. Mei­ne Bewer­tung: bis­her nicht.

    Veto­rech­te: War­um kön­nen die nicht libe­ral sein? (Ich fra­ge das auch des­we­gen, weil mir hier gra­de das Kon­sens­prin­zip vor Augen schwebt – also eine Form von poli­ti­scher Eini­gung, die dar­auf beruht, dass jede/r Ein­zel­ne Veto­rech­te hat. Kei­ne Angst – auch bei den Grü­nen gibt es das nicht. Ich ken­ne es aber aus diver­sen Alter­na­tiv­pro­jek­ten – und könn­te jetzt argu­men­tie­ren, dass ein Kon­sens­prin­zip gera­de dadurch, dass jede/r ein Veto ein­le­gen kann, die Rech­te Ein­zel­ner viel stär­ker betont als ein Mehr­heits­ver­fah­ren. Im Umkehr­schluss müss­te das hei­ßen: Veto­recht für ein­zel­ne Grup­pen nur, wenn auch ande­re Grup­pen die­ses Recht haben, also z.B. ein Veto­recht für Män­ner in der grü­nen Partei).

  22. Sind die FDP-Libe­ra­len grün? Nein, auch nicht nach dem AKW-Abschal­ten. Sind die Grü­nen libe­ral? Auch nein. Das zeigt sich an euren Taten.

    Ihr seid nicht libe­ral. Bei euch ist Bevor­mun­dung ganz tief in der Par­tei-DNA ver­an­kert. Erst wenn alle Regu­lie­rungs­wün­sche abge­hakt sind, gibts viel­leicht etwas Libe­ra­li­tät als Zuckerl.

    Des­halb ist euch libe­ra­le Netz­po­li­tik, mein Lieb­lings­the­ma, so fremd. Schö­nes Bei­spiel: der Sta­si-Stom­zäh­ler, der am bes­ten auf Face­book minu­ten­ak­tu­ell mei­nen Strom­ver­brauch durch­gibt. Dies will Grün. Öko schlägt Daten­schutz. So ist es und so wird es blei­ben, weil ihr weni­ger Netz­po­li­ti­ker als Öko­sta­li­nis­ten habt.

    Nicht­li­be­ral ist weiter
    – die undif­fe­ren­zier­te Frauenquote
    – die gleich­ma­chen­de NRW-Gemeinschaftsschule
    – die ein­schrän­ken­den Tempolimits
    – die frei­heits­rau­ben­den Rauch­ver­bo­te für Raucherkneipen
    – der zen­sur­wü­ti­ge Jugendmedienschutz-Staatsvertrag
    – das über­zo­ge­nes Urhe­ber­recht (Kli­en­tel­po­li­tik)
    – die Extrem­för­der­koh­le für Öko­strom (Öko-Lob­by­po­li­tik)

    Dies alles ist nicht libe­ral. Viel­leicht ist es ja hier und da sinn­voll, aber libe­ral ist das nicht :-)

    @tralamitti

  23. Veto­rech­te für bestimm­te wider­spre­chen mei­nem Ver­ständ­nis von Gleich­be­rech­ti­gung. Sat­zun­gen oder Geset­ze dür­fen für mich jeden­falls nicht bestimm­te Grup­pen extrem bevorzugen.
    Wenn man allen Grup­pen oder gar Ein­zel­per­so­nen in poli­ti­schen Ent­schei­dungs­pro­zes­sen ein Veto­recht ein­räumt, lan­den wir irgend­wann bei einer „Dik­ta­tur der Toten“. Jede Ver­än­de­rung kann immer durch ein Veto unter­bun­den wer­den und es gel­ten die bestehen­den Regeln ewig wei­ter, obwohl irgend­wann kei­ner mehr von denen am Leben ist, die die­se Regeln fest­ge­legt haben.
    Das Ergeb­nis der Land­tags­wahl in Baden-Würt­tem­berg ist für mich auch noch kein aus­rei­chen­des Argu­ment pro Quo­te, zumin­dest nicht für den Fort­be­stand in der Bun­des­sat­zung der Grü­nen. Der FDP-Lan­des­ver­band Baden-Würt­tem­berg soll­te sich da eher mal Gedan­ken machen, wie man gute Frau­en nach vor­ne bringt.

  24. Ich kann Kat­ja nur zustim­men. Es gibt nicht „die eine Libe­ra­li­tät“, im übri­gen auch nicht wenn man in die poli­ti­sche Theo­rie schaut. Da ist viel Platz zwi­schen John Rawls, Adam Smith und Hay­ek für ver­schie­de­ne For­men des Libe­ra­lis­mus, ob die Bezeich­nun­gen links und rechts­li­be­ral geeig­ne­te Beschrei­bun­gen für Strö­mun­gen eines Libe­ra­lis­mus sind, will ich bezweifeln.

    Sind die Grü­nen nun libe­ral? Ich wür­de sagen, dass sie durch­aus libe­ra­le Ideen ver­tre­ten und sich auch libe­ra­ler Mit­tel bedie­nen, aber Libe­ra­lis­mus ist eben nicht die Grund­idee, nach der die grü­ne Poli­tik aus­ge­rich­tet wird. (ob die FDP libe­ral ist, ist noch­mal eine ganz ande­re Diskussion).

    Mei­nes Erach­tens falsch ver­stan­de­ner Libe­ra­lis­mus ist es jeden­falls, wenn Frei­heit nur bedeu­tet, dass man die Frei­heit hat alles zu tun, aber nicht dar­auf ach­ten muss, wel­che Aus­wir­kun­gen es auf ande­re Men­schen und die Umwelt hat. (ein Gedan­ke, der sich übri­gens schon in Lockes „let­ter con­cer­ning tole­ra­ti­on“ fin­det). In sofern ist ein par­ti­el­les Rauch­ver­bot nicht per sé illi­be­ral (Beto­nung liegt auf par­ti­ell – ich tei­le Lasz­los Position).

    Per­sön­lich fin­de ich übri­gens weni­ger die Grü­ne Posi­ti­on illi­be­ral als vie­le Grü­ne m.E. illi­be­ral sind. Es gibt bei vie­len Grü­nen eine sehr genaue (und eben­so rigi­de ver­tre­te­ne) Hal­tung, was gutes bzw. rich­ti­ges (respek­ti­ve gesun­des …) Leben bedeu­tet, die auch mis­sio­na­ri­sche Züge anneh­men kann. Des­we­gen hat­te bei­spiels­wei­se Julia See­li­ger und ande­re so recht, als sie dar­auf hin­ge­wie­sen haben, dass es auch ein Recht auf unge­sun­de Ernäh­rung gibt.

  25. Nach­trag @Björn ich wür­de sagen, dass es libe­ra­le Strö­mun­gen in den Grü­nen jen­seits der Flü­gel gibt, eine Libe­ra­li­tät inner­halb der Grü­nen nicht not­wen­di­ger­wei­se eman­zi­pa­to­risch links ist

  26. Ich möch­te nur noch zu Pro­to­koll geben, dass ich ent­ge­gen Lasz­los Posi­ti­on ein teil­wei­ses Rauch­ver­bot gera­de den Gip­fel der Illi­be­ra­li­tät fin­de. De fac­to führt näm­lich ein teil­wei­ses Rauch­ver­bot zu will­kür­li­chen Grenz­zie­hun­gen (beson­ders schön bei den in vie­len Län­dern gel­ten­den Qua­drat­me­ter­gren­zen). Und nichts ist wei­ter von Libe­ra­li­tät ent­fernt als Willkür.

    Man kann slo bezüg­lich der Grund­fra­ge „Rauch­ver­bot“ unter­schied­li­cher Mei­nung sein, wes­sen Frei­heits­rech­te höher anzu­sie­deln sind, die von Nicht­rau­che­rIn­nen oder von Rau­che­rIn­nen – aber ein par­ti­el­les Ver­bot ist den betrof­fe­nen Wir­ten gegen­über defi­ni­tiv die am wenigs­ten von einem libe­ra­len Geist getra­ge­ne Lösung. 

    Anders sieht es bei der Ein­rich­tung von Rau­cher­clubs aus. Da kön­nen die Leu­te von mir aus machen, was sie wol­len – solan­ge sie das Ver­eins­recht dann natür­lich auch genau­so beach­ten wie jeder ande­re Ver­ein und nicht will­kür­lich nicht geprüft wer­den, weil die Poli­tik „ein Auge zudrückt“.

  27. Könnt ihr viel­leicht alle mal auf­hö­ren, mit der Bana­li­tät her­um­zu­wer­fen, dass Frei­heit nur soweit gehe, bis sie die Frei­heit des ande­ren ein­schränkt? Das ist nichts Beson­de­res. Nicht ein­mal rich­ti­ge Anar­chis­ten ver­tre­ten etwas ande­res. Die ver­trau­en ledig­lich dar­auf, dass Men­schen das es auch ohne Geset­ze schaf­fen, die­se Gren­zen einzuhalten.

    Wer damit irgend­wel­che Ein­schrän­kun­gen und Regu­la­ri­en begrün­den (und trotz­dem „libe­ral“ blei­ben) möch­te, der soll­te ganz vor­sich­tig sein. Denn solan­ge einen die Frei­hei­ten Ande­rer nur unter gewis­sen Umstän­den betref­fen, die man sel­ber her­bei­füh­ren oder ver­mei­den kann, hat man als Libe­ra­ler durch­aus auch die ver­damm­te Pflicht, den Sachen, die einem nicht pas­sen, ein­fach aus dem Weg zu gehen.

    Kon­kret: Man kann nicht im Namen der Frei­heit ver­lan­gen, dass in kei­ner Knei­pe geraucht wird, die man je in sei­nem Leben ver­se­hent­lich betre­ten könn­te. Ob man über­haupt Recht auf rauch­freie Knei­pen hat, ist schon zwei­fel­haft, aber dar­über kann man reden. Je nach­dem, auf wel­che Wei­se man libe­ral sein will. Sicher kann man aber nur das Recht für sich in Anspruch neh­men, eine Nicht­rau­cher­knei­pe zu gründen.

    Und da gibt es auch kei­ne Dis­kus­sio­nen zwi­schen die­ser und jener Aus­prä­gung von Libe­ra­li­tät, denn wenn man das anders sieht, ist die gan­ze Idee der Frei­heit nichts mehr wert. Dann kann man nach Lust und Lau­ne alles mög­li­che ver­bie­ten, was irgend­je­man­den ein biss­chen stört.

    Und genau an die­sem Punkt ste­hen vie­le Grü­ne lei­der. Vor allem die, die sofort „Ver­ant­wor­tung“ sagen müs­sen, wenn irgend­wer „Frei­heit“ sagt.

  28. Das wird inzwi­schen eher ein wil­des durch­ein­an­der hier. Defi­ni­tio­nen sind kein Wunschkonzert.

    Libe­ral ist m.E. per se anar­chis­tisch. Als nächs­te Stu­fe hat man dann wohl den „Nacht­wäch­ter­staat“ Lassalles:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Nachtw%C3%A4chterstaat
    Nach m.E. den glei­chen Prin­zi­pi­en lau­fen Smit­hs Wirt­schafts­li­be­ra­lis­mus u.ä..
    Das ist libe­ral bis libertär.

    Als wei­te­re Stu­fen kom­men Neo­li­be­ra­lis­mus und in sei­ner „Deut­schen Aus­prä­gung“ der Ordo­li­be­ra­lis­mus. Und wenn wir schon dabei sind kom­men wir hin­ter­her – nach­dem wir die­se Art „libe­ral“ gewis­ser­ma­ßen über­wun­den haben zur Sozia­lem Markt­wirt­schaft. Erst Lud­wig Erhard (eher sM Rich­tung Ordo­li­be­ral Mar­ke Frei­burg) und danach Mül­ler Armack:
    http://homepage.uibk.ac.at/~c43207/die/papers/muellerarmack.pdf

    Und bei ihm und anhand die­ser nur jedem sehr zu emp­feh­len­den Aus­ar­bei­tung sehen wir dann wor­in die durch und durch gar nicht mehr so libe­ra­len Unter­schie­de zwi­schen Ordo­li­be­ra­lis­mus, sozia­ler Markt­wirt­schaft und den „libe­ra­len“ Defi­ni­tio­nen besteht.

    Zwi­schen frei­en Märk­ten, Nacht­wäch­ter­staat auf der einen hand und Genderpolitik/Quoten, Welt­han­dels­be­schrän­kun­gen, Mül­ler-Arm­acks Min­dest­löh­nen, staat­lich ver­ord­ne­ten Sozi­al­ver­si­che­rungs­sys­te­men, sozia­lem Woh­nungs­bau etc. ste­hen Wel­ten. Wäre dem nicht so wür­de es auch nicht s(S)oziale Markt­wirt­schaft son­dern Nacht­wäch­ter­staat lauten.

    Libe­ra­le akzep­tie­ren de fac­to auch grö­ße­re sozia­le Unter­schie­de (und damit m.E. „Benach­tei­li­gun­gen“) als gege­ben. Des­we­gen ist bei­spiels­wei­se das BGE ein Zwit­ter. Hohe Ein­griffs­in­ten­si­tät des Staa­tes (also m.E. alles ande­re als libe­ral) bei gleich­zei­ti­gem akzep­tie­ren von Mas­sen­ar­mut und dem regie­ren von Adam Smit­hs unsicht­ba­rer Hand des Mark­tes. Wahl­wei­se den­ken libe­ra­le das die Märk­te sozia­le (oder Gen­der) Unter­schie­de auto­ma­tisch ver­rin­gern. Ganz sicher nicht sind libe­ra­le der Ansicht das der Staat dafür zustän­dig ist sozia­le Unter­schie­de einzuebnen.

    Die sozia­le Markt­wirt­schaft wie auch Neo/Ordoliberalismus sind Aus­ge­bur­te der Erkennt­nis das es die­se libe­ra­le unsicht­ba­re Hand der Märk­te so feh­ler­los nicht gibt. Und das ist m.E. gut so. Das kann man bewei­nen oder auch nicht. Jeden­falls ist der Begriff „libe­ral“ nicht belie­big dehnbar.

    Sonst kom­me ich dem­nächst und erklä­re Sraf­fa ob der Cambridge/Cambridge Kon­tro­ver­se in wel­chem er bei­spiels­wei­se den Min­dest­lohn begrün­det zu einem „libe­ra­len“:
    http://www.trend.infopartisan.net/trd1006/t041006.html
    Das wäre dann aber wohl reich­lich albern… :
    http://de.wikipedia.org/wiki/Piero_Sraffa

    Grü­ße
    ALOA

  29. Gemes­sen an dem, was sie geleis­tet haben, sind die Grü­nen für mich kei­ne Bür­ger­rechts­par­tei mehr. Vllt. ent­spricht die­ses Bild ja dem eige­nen Anspruch, aber in Wirk­lich­keit haben sie doch wäh­rend der rot-grü­nen Jah­re Schi­lys zahl­rei­che Anti-Ter­ror­ge­set­ze (Ter­ro­ris­mus­be­kämp­fungs­ge­setz, Gesetz zur Ände­rung des Ver­samm­lungs­ge­set­zes und des Straf­ge­setz­bu­ches, Luft­si­cher­heits­ge­setz usw.). mit­ge­tra­gen. Den­ke mal nicht, dass das im Sin­ne der Bür­ger­rech­te war.

  30. „Da Rau­che­rIn­nen aber offen­bar nicht in der Lage sind, die Gesund­heit von Nicht­rau­che­rIn­nen zu ach­ten, muss man sie zwin­gen. Wir sind libe­ral – aber wir ach­ten auch Min­der­hei­ten und Schutz­be­dürf­ti­ge und ent­schei­den uns im Ziel­kon­flikt für diese.“

    Wenn ich nicht wüss­te, dass das ernst gemeint ist, dann wür­de ich das für Sati­re hal­ten. :-D

  31. In mei­nem Buch­lein von 2004 gibt es nam­lich ein Kapi­tel das heiBt Patri­ar­chen und Pira­ten ..Dar­in gehe ich von einem Gedan­ken aus den die ita­lie­ni­sche Phi­lo­so­phin Lui­sa Mur­a­ro schon 1995 for­mu­lier­te nam­lich den dass das sei. Anzei­chen daf­ur sei­en der Glaub­wur­dig­keits­ver­lust der offi­zi­el­len Poli­tik die Unfa­hig­keit der Wirt­schaft Wohl­be­ha­gen und Wohl­stand zu ermog­li­chen der deso­la­te Zustand der Uni­ver­si­ta­ten also der Nie­der­gang all jener Insti­tu­tio­nen die zum Kern­be­stand des Patri­ar­chats gehorten..Allerdings mus­sen wir fest­stel­len dass am Ende des Patri­ar­chats ganz offen­bar nicht das Para­dies auf uns war­tet son­dern dass es in vie­ler­lei Hin­sicht eher schlim­mer als bes­ser wird. Oder wie John­ny Depp es im Film Fluch der Kari­bik for­mu­liert hat Wir neh­men was wir krie­gen kon­nen und geben nichts davon zuruck. Das ist es Wir haben es heu­te nicht mehr mit Patri­ar­chen zu tun son­dern mit Pira­ten. .Die Pira­ten­par­tei ist also nur die Spit­ze des Eis­ber­ges und es ist natur­lich bloB ein lus­ti­ger Zufall dass sie sich genau die­sen Namen gege­ben hat.

Schreibe einen Kommentar zu Björn Láczay Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.