Sozialwahl

Ach­tung: die­ser Arti­kel bezieht sich (sie­he Datum) auf die Sozi­al­wahl 2005. Zu 2011 schrei­be ich viel­leicht auch noch was.

Sozialwahl

… scheint ja irgend­wie extrem wich­tig zu sein. Jeden­falls will einem die Sozi­al­wahl­wer­bung das weiss machen. Anders als bei ande­ren Wah­len ist es aber extrem schwie­rig, etwas über die zur Wahl antre­ten­den Lis­ten zu erfah­ren. Z.B. gibt es auf der URL www.sozialwahl.de erst nach Dut­zen­den Klicks über­haupt eine Über­sicht über die zur Wahl antre­ten­den Lis­ten (näm­lich hier: http://www.sozialwahl.de/text_und_tonarchiv.php ). Naja, eigent­lich stimmt das auch nicht. Der größ­te Teil der dort ste­hen­den Tex­te ist ganz all­ge­mei­nes Wer­be­ma­te­ri­al. Eine ech­te Wahl­bro­schü­re gibt es – für die BfA – erst hier: http://www.sozialwahl.de/getFile.php?id=2 . An Per­so­nen sind dort, wenn über­haupt, nur die Spit­zen­kan­di­da­tIn­nen genannt. Dazu jeweils eine Sei­te all­ge­mei­ne Aus­sa­gen dar­über, was die jewei­li­ge Lis­te aus­macht. Wenn die vier­zehn auf dem BfA-Stimm­zet­tel zur Wahl ste­hen­den Lis­ten zur Ver­tre­ter­ver­samm­lung mal etwas sor­tiert wer­den (näm­lich nach den Lis­ten­ver­bin­dungs­stern­chen – lei­der steht nicht dabei, was „Lis­ten­ver­bin­dung“ eigent­lich hier genau bedeu­tet), dann gibt das grob fünf Blö­cke – als Selbst­aus­sa­ge jeweils ein mar­kan­tes Zitat aus der Bewer­ber­bro­schü­re (die Rei­hen­fol­ge der Lis­ten ist übri­gens abhän­gig vom Ergeb­nis bei der letz­ten Sozi­al­wahl vor sechs Jahren):

1. BfA-Gemeinschaft (Liste 1)

    „Unser Erfolg liegt zual­lerst in der Unab­hän­gig­keit – gewerk­schaft­lich und par­tei­po­li­tisch neu­tral.“ Außer­dem wird eine „star­ke Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung“ gefor­dert. Leis­tungs­be­zo­ge­ne, an die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung gekop­pel­te Rente. 

2. Gewerkschaftslisten

  • ver.di (Lis­te 2) – tre­ten für den Erhalt und die Akzep­tanz der gesetz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung ein 
  • Katho­li­sche und Evan­ge­li­sche Arbeit­neh­mer + Kol­ping­werk (Lis­te 8) – enga­gie­ren sich auf der Grund­la­ge der christ­li­chen Soziallehre 
  • IG Metall (Lis­te 9) – Refor­men kön­nen im bestehen­den Modell vor­ge­nom­men wer­den, das erhal­ten blei­ben soll 
  • DGB, IG BAU, IG BCE, GNGG (Lis­te 11) – das Ren­ten­sys­tem zukunfts­fä­hig machen, indem wir es auf eine brei­te­re Basis stellen 

3. Krankenkassenbezogene unabhängige Versichertengemeinschaften

  • TK-Gemein­schaft (Lis­te 3) – gegen eine Grund­ren­te, für den Abbau von Bürokratie 
  • BAR­MER-Inter­es­sen­ge­men­schaft (gewerk­schafts­un­ab­hän­gig) (Lis­te 6) – gewerk­schafts- und par­tei­un­ab­hän­gig für siche­re Renten 
  • DAK-Mit­glie­der­ge­mein­schaft (gewerk­schafts­un­ab­hän­gig) (Lis­te 7) – Ver­si­cher­te aus Wirt­schaft, Tech­nik und Ver­wal­tung, denen eine stei­gen­de Ren­te wich­tig ist 
  • KKH-Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft (gewerk­schafts­un­ab­hän­gig) (Lis­te 10) – gegen eine steu­er­fi­nan­zier­te Grund­ren­te, für leis­tungs- und bei­trags­ab­hän­gi­ge Rente 

4. Nochmal krankenkassenbezogene Versichtenvereinigungen

  • DAK-VRV (Lis­te 4) – unab­hän­gig von Gewerk­schaf­ten und Par­tei­en (auch http://www.dak-vrv.de/ziele.htm sagt lei­der nicht viel mehr aus, ohne in sozi­al­po­li­ti­schen Debat­ten drin­ne zu stecken) 
  • BAR­MER-Ver­si­cher­ten­ver­ei­ni­gung (Lis­te 5) – Ren­ten­ver­si­che­rung als moder­ne Dienst­leis­tung – Goog­le nennt noch http://www.barmer-vv.de/, sieht auf den ers­ten Blick schön aus, auf den zwei­ten ste­hen da ziem­lich vie­le Dum­my-Tex­te. Aber http://www.barmer-vv.de/ziele.html klingt zumin­dest ganz informativ 

5. Weitere Gewerkschaften

  • dbb Beam­ten­bund und Tarif­ver­bund (Lis­te 12) – siche­re, lohn- und bei­trags­ab­hän­gi­ge Ren­te, weni­ger Bürokratie 
  • Gewerk­schaft der Sozi­al­ver­si­che­run­gen (GdS) (Lis­te 13) – gegen Grundrente 
  • Christ­li­che Gewerk­schafts­bund Deutsch­lands (CGB) (Lis­te 14) – Chris­ten gegen die steu­er­fi­nan­zier­te Einheitsrente 

Wenn den Tex­ten in der Bewer­ber­bro­schü­re etwas ande­res ent­nom­men wer­den kann als die Fra­ge „Kom­pe­tenz“ (die natür­lich alle Lis­ten für sich in Anspruch neh­men), dann geht es (a) um die Gewerk­schafts­ori­en­tie­rung, (b) um die Grund­ren­te und © um Reformen.

Was ist mir wich­tig für eine Wahl­ent­schei­dung? Ich wür­de eine grund­sätz­li­che Reform des Ren­ten­sys­tems begrüs­sen, ins­be­son­de­re die Ein­füh­rung einer Grund­ren­te. Dabei kann es ruhig zu einem Modell­wech­sel kom­men (also kei­ne Reform im Sys­tem, son­dern eine Reform des Sys­tems). Denn scheint mir aber nie­mand zu wol­len. Also nicht wäh­len (vgl. http://www.taz.de/pt/2005/04/23/a0142.nf/text )? Vor­läu­fi­ges Fazit jeden­falls: so rich­tig klar ist mir auch nach der Lek­tü­re der Wahl­bro­schü­re nicht, wen ich wäh­len muss, um mei­ne Inter­es­sen ver­tre­ten zu las­sen. Immer­hin weiss ich jetzt bei eini­gen Lis­ten, dass ich sie nicht wäh­len werde.

P.S.: Nach eini­gem Suchen habe ich auch noch ein paar recht­li­che Grund­la­gen gefun­den: §33 und §§43ff. im vier­ten Sozi­al­ge­setz­buch und die Sozi­al­wahl­ord­nung. Da steht dann unter ande­rem drin­ne, dass es recht kom­pli­ziert ist, Wahl­vor­schlä­ge ein­zu­rei­chen, außer für Gewerk­schaf­ten und ähn­li­che Ver­bän­de. Und dass Lis­ten­ver­bin­dun­gen dazu die­nen, bei der Aus­zäh­lung nach d’Hondt als eine Lis­te berück­sich­tigt zu wer­den und damit Grö­ßen­vor­tei­le zu haben (§48 SGB IV). Das ist wich­tig, weil es eine Fünf-Pro­zent-Klau­sel gibt. Inner­halb der Lis­ten­ver­bin­dun­gen wird dann wie­der­um nach d’Hondt ent­schie­den, wel­che Lis­te wie­vie­le Sit­ze bekommt (§58 SVWO).

P.P.S.: Der Mai­ling­lis­te der Grü­nen Jugend ent­neh­me ich einen Hin­weis auf einen ganz inter­es­san­ten Arti­kel zum The­ma in der Ärz­te­zei­tung.

P.P.P.S.: Der Spie­gel ist sich eben­so unsi­cher, was das gan­ze soll – von pro­fes­sio­nel­len Jour­na­lis­tIn­nen und Recher­cheu­rIn­nen hät­te ich aller­dings ein biß­chen mehr an Infor­ma­ti­on erwartet.

Eine Antwort auf „Sozialwahl“

  1. Sozi­al­wahl 2011:

    Ich hab mal die Kan­di­da­ten­lis­ten durch­ge­schaut: Die Bar­mer GEK-Gemein­schaft (Lis­te 7) hat den höchs­ten Anteil von Kan­di­da­ten aus den 1970er/80er Jahr­gän­gen und 50% Frauenanteil.

    Es gibt auch Lis­ten mit 60% Frau­en­an­teil (z.B. ver­di, Lis­te 2), die rekru­tie­ren sich aber in ers­ter Linie aus 1940er/50er/60er Jahrgängen.

    Hat jemand einen Gegen­vor­schlag? Sonst wür­de ich die Lis­te 7 wählen.

    Mir schei­nen die Kan­di­da­ten­lis­ten jeden­falls mehr Infor­ma­tio­nen zu lie­fern als die­se „Die Lis­ten stel­len sich vor“ Bro­schü­re. Der Spie­gel hat übri­gens wie­der tur­nus­mä­ßig sei­ne Sozi­al­wahl-Schel­te publiziert.

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