92 % der Deutschen sind für Internetsperren im Kampf gegen Kinderpornographie. Und 90 % der Deutschen sind gegen Internetsperren im Kampf gegen Kinderpornographie. Zwei repräsentative Umfragen innerhalb von zehn Tagen, beide von infratest dimap durchgeführt. Was daran nicht stimmt, und warum das ganze ein schönes Beispiel dafür ist, wie manipulierbar Meinungsumfragen sind – und wie gut sich damit PR machen lässt – steht bei heise und auf ZEIT online. Meine Einschätzung: Hat die Chance, zum Lehrbuchbeispiel für die Gefahren manipulativer Fragen in der empirischen Sozialforschung zu werden.
Kurz: Zweimal zwei Beiträge
Ein bißchen Werbung für das „Green-Renaissance“-Blog-Projekt. Da gibt es nämlich zweimal was zum Thema Weihnachten …
- Zehnmal werden wir noch wach – Umfrage zu Weihnachtsgeschenken
- Nächste Ausfahrt Weihnachten – Weihnachtliche Mobilität
… und zweimal was zur neuen Studie „Umweltbewusstsein 2008«, die als groß angelegte Repräsentativerhebung dieses Jahr auch soziale Milieus berücksichtigt hat …
Nur, falls das hier jemand interessiert.
Kurz: Tücken des digitalen Weihnachtseinkaufs
Amazon.de verabschiedet sich nach Einkäufen derzeit mit folgender Warnmeldung:
Sie nutzen Ihren Computer gemeinsam mit anderen? Loggen Sie sich nach Ihrem Besuch aus
Anhand Ihrer Einkäufe bei uns möchten wir Ihnen bestmögliche Empfehlungen geben. Wenn Sie Ihren Computer gemeinsam nutzen, könnten die Empfehlungen Ihren Mitbenutzern Hinweise darauf geben, was Sie gekauft haben – bei Geschenken wäre vielleicht die Überraschung dahin. Deshalb: Loggen Sie sich nach jeder Nutzung aus.
Finde ich interessant, weil in diesen paar Sätzen ziemlich viel an Annahmen über die Nutzung von Computern und das Zusammenwirken zwischen Software-Agenten (den Algorithmen hinter den „Empfehlungen“) und Menschen steckt. Wäre wohl auch für Latourianische Analysen fruchtbar: Was bedeutet es für die Koevolution von Nutzungspraktiken, dass dieser Hinweis explizit ausgesprochen werden muss?
Spurensuche nach Gender-Aspekten in einem Forschungsprogramm
Die UB Freiburg hat soeben den Arbeitswissenschaftlichen Forschungsbericht Nr. 9 freigeschaltet: „Gender-Aspekte im Forschungsprogramm ‚Nachhaltige Waldwirtschaft‘ – eine Spurensuche“.
In diesem kleinen Aufsatz, der ein Nebenprodukt meiner Forschungstätigkeit im Projekt wa’gen darstellt, berichte ich über die Ergebnisse einer kleinen Befragung im Forschungsprogramm Nachhaltige Waldwirtschaft des BMBF. Ziel der Befragung der einzelnen Projekte in diesem Forschungsprogramm war es, herauszufinden, wie das Querschnittsthema Geschlecht in diesem Programm inhaltlich umgesetzt wurde, und welche Rolle Gender Mainstreaming und Frauenförderung als erklärte Ziele der Forschungspolitik strukturell gespielt haben.
Die Ergebnisse sind so erwartbar wie ernüchtern und unterstreichen die Notwendigkeit einer weiteren Beschäftigung mit der wissenschaftspolitischen Frage nach der Bedeutung von Geschlecht. Dies betrifft sowohl die inhaltliche Ebene wie auch die Frage, wie sich die strukturell unsichere Projektforschung im Forschungsalltag und in den Rahmenbedingungen der Förderer mit politischen Zielsetzungen wie etwa der Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder eben auch der klassischen Gleichstellungspolitik zusammenbringen lassen kann.
Ich bin gespannt, ob sich ausgehend von diesem Bericht – der tatsächlich eher Fragen aufwirft als sie zu beantworten – eine Debatte entwickelt und würde mich über Diskussionsbeiträge und Kritik freuen.
Warum blogge ich das? Weil ich das Thema „Geschlecht und Wissenschaftspolitik“ wichtig finde.
Zwischenstation (Update 2)
Nur kurz ein Lebenszeichen (für alle, die meinen Microblogging-Twitter-Feed ignorieren): ich war bis gerade eben auf dem 34. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im beschaulichen Jena, und werde dann morgen zum grünen Listenaufstellungsparteitag für Baden-Württemberg fahren (Henning wird wohl live berichten). Zur Listenaufstellung jetzt nichts weiter, zum Soziologiekongress noch ein paar Eindrücke:
Von der BesucherInnen-Zahl her war der Kongress (diesmal unter dem Motto „Unsichere Zeiten“) groß und bunt wie immer. Insgesamt fand ich ihn sehr gelungen, vor allem auch die räumliche Nähe (fast alles in einem Gebäude, ganz anders als in Kassel vor zwei Jahren). Es gab eine gewisse Arhythmik im Programm: morgens oft nicht so ganz spannende Plenen parallel, nachmittags ungfähr 25 Veranstaltungen zur Auswahl, und abends ein nichts so ganz überschneidungsfreies Programm.
Im Vorfeld habe ich von Leuten mit anderem Fachhintergrund gehört, dass ein ganzwöchiger Kongress ja Luxus sei. Aber ich glaube, genau dieser Luxus macht viel für die (wie ich immer noch finde, sehr starke) Fachidentität aus. Nicht nur, dass so ein Kongress – er findet übrigens alle zwei Jahre statt – ein exzellenter Generator für zufällige Begegnungen (und den Überblick über das soziologische Publikationswesen) ist. Er trägt auch stark dazu bei, sich zu vergewissern, dass es da – bei allen Schulenbildungen und heftigen Hahnen‑, Hennen- und Kückenkämpfen – eine weit geteilte gemeinsame Grundstimmung gibt. Er normalisiert den Modus der Verunsicherungserwartung und verstärkt die Wahrnehmung, dass es eben doch noch ziemlich viele andere gibt, die ähnliche Weltbeobachtungen anstellen. Also: Gemeinschaftsbildung (besonders gut sichtbar in der Abschlussveranstaltung, in der unter dem Motto „Männer auf verlorenem Posten“ eine Soziologin und ein (sehr sozialwissenschaftlicher) Historiker sowie 1000 SoziologInnen mit einer provokant-biologistischen Medizinerin und Gerichtsgutachterin diskutierten. Sollte interdisziplinär sein, machte aber nochmal klar, dass es sehr, sehr viele Menschen gibt, die die Selbstverständlichkeit einer sozialen Konstruktion von Geschlechterrollen teilen und mit so Konstrukten wie der „natürlichen mütterlichen Fürsorge“ und dem „beschützenden Mann“ nichts anfangen können. Insofern spannend, und ein schönes Mittel zum imagined community building).
Was habe ich selbst auf dem Kongress gemacht?
1. Mir einige Sachen angehört – u.a. Irene Dölling, die noch mal sehr schön deutlich gemacht hat, wie postfordistische Entgrenzungen und die Aufhebung der Institutionen im Beckschen Individualismus letztlich natürlich auch sowas wie Geschlechterarrangements irritieren und verändern. Und die Debatte neben Nancy Fraser und Axel Honneth, die so mittelspannend war. Und noch ein paar Vorträge da und dort.
2. An den Veranstaltungen der Sektion Umweltsoziologie teilgenommen (die Plenarveranstaltung gemeinsam mit der Wissenschafts- und Techniksoziologie et al. hat mir gut gefallen, die „Neue Trends“-Sektion war etwas schräg, da hätte ich mir mehr erwartet, und die von mir mitorganisierte und moderierte Sektions+Nachwuchsgruppensitzung heute hat meine eigenen Erwartungen trotz einiger technischer Probleme zu Beginn deutlich übertroffen – dort gab es vier Vorträge zum Klimawandel, die, so mein vielleicht etwas voreingenommener Eindruck, insgesamt ein sehr rundes Bild der soziologischen Klimawandelsdebatte gegeben haben, und gezeigt haben, was Umweltsoziologie alles machen kann. Von der Wissenschaftsdekonstruktion bis zu Alltagspraktiken und Fragen der (misslungenen) Verhaltenssteuerung).
3. Sektionales Networking (Mitgliederversammlung der Sektion, Mittagstreffen der Nachwuchsgruppe Umweltsoziologie in einem schön alternativen Gasthaus). Und natürlich viele Gespräche mit vielen Leuten.
4. Mich amüsiert, insbesondere mit „DIE STERNE“ auf dem Kongresskonzert (gute Idee). ((Anekdote: Einlass nur mit Stempel auf der Eintrittskarte, der nachweist, dass die Extragebühr gezahlt wurde. Wusste ich nicht, bei mir ist kein Stempel, Momente der Verunsicherung, dann fällt mir ein, dass im Namensschild noch so ein Stück Papier steckte, das den Stempel verdeckt hat.))
5. Selbst was vorgetragen – zur postindustriellen Forstwirtschaft, in der Sektionssitzung der Sektion Land- und Agrarsoziologie. Deren Vorsitzender, was ich nicht wusste, und andere wohl auch nicht, u.a. auch Wald besitzt.
6. Beobachtungen über SoziologInnen angestellt (z.B. scheint es mir eine Koinzidenz zwischen philosophienahen bzw. stark theorieorientierten Vorträgen, der Ablehnung von Powerpoint (Vortrag heißt „vom Blatt vorlesen“) und der Bevorzugung leger-formalen Kleidung und Haarschnitte zu geben).
Und was habe ich nicht gemacht? U.a. nicht in die Veranstaltungen zur Internetsoziologie reingeschaut (immer hatte ich was anderes parallel). Schade, bin gespannt, ob sich da was erfahren lässt, wie es da lief (und zwar vor dem für 2010 zu erwartenden Kongressband).
Warum blogge ich das? Weil die Eindrücke noch frisch sind. Und als Merkposten, um rechtzeitig für den Kongress 2010 in Frankfurt die Unterkunft zu organisieren. Die war in Jena trotz lange vorheriger Buchung nämlich ziemlich weit draußen.
Update: (14.10.2008) Einen lesenswerten und etwas wissenschaftlicheren Bericht über die Ereignisse aus der Markt- und Wirtschaftssoziologie hat Tina Günther über den Kongress geschrieben (wie wir schon auf dem Bahnsteig in Weimar festgestellt haben, haben wir komplett unterschiedliche Veranstaltungen besucht). Umso interessanter, was dort passiert ist, wo ich nicht war.
Update 2: Und hier noch die von mir ebenfalls leider nicht besuchte Web 2.0-Veranstaltung.
