Wissenschaftsorganisationen: Ausstieg aus dem CHE-Ranking

In the basement of the congress

Die Deut­sche Gesell­schaft für Sozio­lo­gie (DGS) hat im Juni allen sozio­lo­gi­schen Insti­tu­ten und Fakul­tä­ten emp­foh­len, nicht län­ger am CHE-Ran­king teil­zu­neh­men.

Das CHE-Ran­king wird seit 1998 durch­ge­führt und seit eini­gen Jah­ren in der ZEIT ver­öf­fent­licht, hat also eine hohe Sicht­bar­keit. Die Emp­feh­lung der Fach­ge­sell­schaft zum Boy­kott hat sich durch­aus in der Pres­se nie­der­ge­schla­gen – es ist ja auch ein recht unge­wöhn­li­cher Schritt, dass eine Wis­sen­schafts­or­ga­ni­sa­ti­on – lang­sam und schwer­fäl­lig, wie das pro­fes­so­ral domi­nier­te Orga­ni­sa­tio­nen wohl zumeist sind – sich so offen­sicht­lich gegen das Cen­trum für Hoch­schul­ent­wick­lung und des­sen lan­ge Jah­re die deut­sche Hoch­schul­po­li­tik domi­nie­ren­den Leit­ideen ausspricht.

Auch und gera­de das sim­pli­fi­zie­ren­de Ran­king mit­hil­fe der Ampel­sym­bo­lik täuscht über die Dürf­tig­keit der Daten­ba­sis hin­weg. Es sug­ge­riert, sich hier­bei den mas­sen­me­dia­len Prä­sen­ta­ti­ons­er­for­der­nis­sen beu­gend, ein­deu­ti­ge und ver­läss­li­che Urtei­le, die durch die ver­füg­ba­ren Daten kei­nes­wegs gedeckt sind. 

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Was ich heute morgen getan habe

T. streck­te sich gäh­nend, als sein Blick auf die matt schim­mern­de Anzei­ge des Weckers fiel. „Ver­dammt, in einer Minu­te geht es los!“ 

Zu faul, um sich ins Wohn­zim­mer zu bege­ben und den Tisch­rech­ner anzu­wer­fen, schnapp­te er sich sei­nen Taschen­kom­mu­ni­ka­tor, ein Wun­der­werk der Tech­nik. Klei­ner als eine Tafel Scho­ko­la­de, aber Bild­te­le­fon, Schnitt­stel­le zu diver­sen glo­ba­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­ten und Spiel­kon­so­le zugleich. T. ent­schied sich, den his­to­ri­schen Augen­blick mit Mil­lio­nen ande­rer zu tei­len. Mit eini­gen ein­ge­üb­ten Fin­ger­be­we­gun­gen schal­te­te er den Taschen­kom­mu­ni­ka­tor auf einen Kanal, auf dem unter ande­rem ein schot­ti­scher Sci­ence-Fic­tion-Schrift­stel­ler, der ame­ri­ka­ni­sche Prä­si­dent sowie diver­se Raum­fahrt­agen­tu­ren über das Ereig­nis berichteten. 

Das graue Dis­play des Funk­we­ckers zeig­te 07:29.

T. war es nicht genug, über das Ereig­nis zu lesen. Lei­der wür­de es kei­ne Live-Bil­der geben, aber zumin­dest den Ton aus dem Steue­rungs­zen­trum der ame­ri­ka­ni­schen Raum­fahrt­agen­tur woll­te er hören. Dazu ergänz­te er die Kanal­wahl auf dem Taschen­kom­mu­ni­ka­tor durch einen Radio­sen­der aus San Fran­cis­co, der den Ton aus dem Steue­rungs­zen­trum mit sphä­ri­schen Tönen unterlegte.

Jubel bran­de­te auf. Das durch die Zeit­ver­zö­ge­rung zum roten Pla­ne­ten beding­te ban­ge War­ten hat­te ein Ende. Das über die Mar­s­or­bi­ter wei­ter­ge­lei­te­tes Funk­si­gnal bestä­tig­te es. Das kom­pli­zier­te Lan­de­ma­nö­ver war erfolg­reich gewesen!

Die Flug­kap­sel hat­te sich erfolg­reich von der Lan­de­ein­heit getrennt. Die­se wur­de durch die Rei­bung der dün­nen Mars-Atmo­sphä­re abge­bremst, bis der größ­te Lan­de­fall­schirm, der jemals ein­ge­setzt wor­den war, aus­ge­fall­tet wer­den konn­te. Der nächs­te Schritt des Manö­vers war der schwie­rigs­te, und er muss­te auto­ma­tisch aus­ge­löst wer­den: Der Fall­schirm wur­de abge­sprengt, die Lan­de­ein­heit schal­te­te auf Rake­ten­an­trieb um und schweb­te nun über dem Gale-Krater. 

Dann wur­de der Him­mels­kran ein­ge­setzt! An drei Kunst­fa­ser­sei­len, wie in der Simu­la­ti­on mil­lio­nen­fach erprobt, wur­de das Erkun­dungs­fahr­zeug – so groß und schwer wie ein klei­nes Auto – lang­sam her­ab­ge­las­sen. Auf sei­nen sechs Alu­mi­ni­um­rä­dern setz­te es federnd auf. „Boden­kon­takt bestätigt!“ 

Im Kurz­nach­rich­ten­dienst über­schlu­gen sich die Bei­falls­be­kun­dun­gen und ers­ten Kom­men­ta­re. Jeder woll­te berich­ten, wo er in die­sem his­to­ri­schen Moment gewe­sen war. Und natür­lich gab es – wie immer – Witz­bol­de, die ihre Scher­ze trie­ben, statt inne­zu­hal­ten und die­se tech­ni­sche Meis­ter­leis­tung – für die die ame­ri­ka­ni­sche Raum­fahrt­agen­tur über einen Zeit­raum von acht Jah­ren das Brut­to­so­zi­al­pro­dukt Gua­ya­nas aus­ge­ge­ben hat­te – ehr­furchts­voll zu bestaunen.

Wenig spä­ter waren dann auch die ers­ten ver­schwom­me­nen Schwarz­weiß­bil­der durch die tief­dunk­le Nacht des Son­nen­sys­tems geschickt wor­den. Auf sei­nem Taschen­kom­mu­ni­ka­tor konn­te T. mit eige­nen Augen sehen, was „Curio­si­ty“, wie der Mars­ro­bo­tor lie­be­voll genannt wur­de, durch sei­ne Sicher­heits­ka­me­ras auf­ge­nom­men hat­te – eini­ge Stei­ne und sei­nen eige­nen Schat­ten. Jetzt wür­de sich der Kame­ra­kopf auf­rich­ten und das Robo­tor­fahr­zeug der NASA sei­nen nukle­ar­be­trie­be­nen Laser­arm aus­fah­ren, um die ein Mars­jahr dau­ern­de pla­ne­ta­re Erkun­dung zu beginnen. 

War­um blog­ge ich das? His­to­ri­sches Ereig­nis und so (auch wenn’s nicht die ers­te Lan­dung eines Erkun­dungs­ro­bo­ters auf einem ande­ren Pla­ne­ten ist).

Die drei Ebenen des Falls Johannes Ponader

Paint job II

Der FAZ-Her­aus­ge­ber Frank Schirr­ma­cher ist ja sowas wie ein Pira­ten­fan. Auch des­we­gen ist dem poli­ti­schen Geschäfts­füh­rer der Pira­ten, Johan­nes Pon­ader, ein klei­ner media­ler Coup gelun­gen: Er hat – um die Poin­te vor­weg­zu­neh­men – öffent­lich erklärt, auf sei­nen Arbeits­lo­sen­geld-II-Anspruch zu ver­zich­ten. Das hat eine gan­ze Men­ge unter­schied­li­cher Reak­tio­nen aus­ge­löst, vor allem von denen, die Ponaders Über­schrift „Abschied vom Amt“ falsch ver­stan­den haben. Par­tei­über­grei­fend, ver­steht sich (schön ana­ly­siert dies das Blog der digi­ta­len LINKEN). Und es war auch eine Reak­ti­on – dar­auf, dass ver­sucht wur­de, ihn öffent­lich in eine Rei­he mit Flo­ri­da-Rolf etc. zu stel­len, also als einen, der Sozi­al­leis­tun­gen missbraucht. 

Ich fin­de Ponaders Reak­ti­on nach wie vor respektabel. 

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Machtblindheit, oder: ist Law Code?

Petrikirche interior I

I. Deutungshoheit und die Wirkung von Texten

Das eine ist die unglaub­li­che Nai­vi­tät, mit der man­che Men­schen an Posi­ti­ons­pa­pie­re, Sat­zun­gen und Geset­ze her­an­tre­ten. Viel­leicht schlägt da bei mir der Sozio­lo­ge durch, aber wer glaubt, dass ein Text, nur weil in die­sem Text etwas steht, allei­ne Wir­kung ent­fal­tet, lei­det aus mei­ner Sicht an einer Wahr­neh­mungs­stö­rung. Eine Wahr­neh­mungs­stö­rung, die sich viel­leicht am tref­fends­ten als „Macht­blind­heit“ bezeich­nen lässt.

Macht­blind­heit meint hier nicht, blind vor Macht zu sein, son­dern nicht zu sehen, dass jeder Text deu­tungs- und inter­pre­ta­ti­ons­of­fen ist. Dass jeder zu einem Werk­zeug in einem Akteurs­netz­werk gemacht wer­den kann, um bestimm­te Zie­le zu errei­chen und ande­re Zie­le zu verhindern. 

Die Deu­tungs­mög­lich­kei­ten sind dabei nicht belie­big, aber sie sind sehr viel grö­ßer, als vie­le sich das vor­stel­len. Wer sich letzt­lich mit sei­ner Deu­tung durch­setzt, hat etwas mit dis­kur­si­ver Hege­mo­nie zu tun, aber eben auch damit, wer am sprich­wört­li­chen län­ge­ren Hebel sitzt.

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Der Fluss ohne Form. Eine Kritik der Liquid Culture Declaration

River art I

Jörg Blum­tritt, Bene­dikt Köh­ler und Sab­ria David haben vor eini­gen Wochen eine Erklä­rung abge­ge­ben – die Decla­ra­ti­on of Liquid Cul­tu­re.

Dem Spiel mit dem Adjek­tiv liquid (flüs­sig, auch: liqui­de, zah­lungs­fä­hig; viel­leicht auch sowas wie das neue open) ent­spre­chend neh­men die AutorIn­nen als ihr Leit­mo­tiv das Bild des Flus­ses der Geschich­te, der jetzt – an den Marsch­lan­den der Post­mo­der­ne vor­bei – in die kon­tu­ren­lo­se offe­ne See der Gegen­wart fließt. Ori­en­tie­rung auf die­sem Meer – im Zusam­men­hang mit dem Inter­net kein neu­es Bild (Bickenbach/Maye 1997) – geben nur noch die Sterne.
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