Photo of the week: Rhubarb series IX

Rhubarb series IX

 
Zum Foto: im Gar­ten mei­ner Eltern blüht ein kinds­ho­her Rha­bar­ber, auf dem aller­lei wun­der­sa­mes Getier her­um­fleuch­te – unter ande­rem die­ser grün­lich-gol­den glän­zen­de Käfer, von dem Z. behaup­tet, es sei ein Rosen­kä­fer. (Und sie hat recht – erstaun­lich, was so ein Wald­kin­der­gar­ten­kind im letz­ten Kin­der­gar­ten­jahr alles weiß …).

Zur Poli­tik: Nach­dem das letz­te Woche in Schles­wig-Hol­stein so gut geklappt hat, wäre es schön, wenn’s auch in NRW eine kla­re Basis für rot-grün geben wird – am Sonn­tag wird bekann­ter­ma­ßen gewählt.

Ich hof­fe, der oben abge­bil­de­te Käfer aus grü­nem Gold ist dafür, aber natür­lich eben­so für die her­vor­ra­gen­den Umfra­ge­wer­te, die es zum 1. Geburts­tag von grün-rot in Baden-Würt­tem­berg die­se Woche gab, ein geeig­ne­tes Sym­bol­bild. Der Wiki­pe­dia-Ein­trag für den gold­glän­zen­den Rosen­kä­fer nennt jeden­falls nichts, was die­ser Meta­pho­rik ent­ge­gen­ste­hen würde.

Ein paar Notizen zum Delegiertenprinzip

Ein Kri­tik­punkt der Pira­ten­par­tei an ande­ren Par­tei­en ist das Dele­ga­ti­ons­prin­zip. Zum Teil kann ich die­se Kri­tik tei­len (etwa wenn ich mir mehr­stu­fi­ge Dele­ga­tio­nen in der SPD anschaue, wo auf Kreis­ebe­ne bereits Dele­gier­te ent­schei­den, und wo Länder/Bezirke die Dele­gier­ten für den Bun­des­par­tei­tag wäh­len). Letzt­lich aber schei­nen mir Dele­ga­tio­nen – unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen – einen guten Kom­pro­miss zwi­schen Betei­li­gung und Effi­zi­enz darzustellen.

Wie machen wir Grü­ne das? Vor­weg sei gesagt: unter­schied­lich, weil unse­re Lan­des- und Kreis­ver­bän­de einen hohen Grad an Auto­no­mie auf­wei­sen. Bei­spiels­wei­se gibt es Kreis­ver­bän­de, die ihre Dele­gier­ten auf ein oder zwei Jah­re wäh­len, das also als eine Art Par­tei­amt ver­ste­hen. Ande­re ent­schei­den für jeden Par­tei­tag neu. Oder auf Lan­des­ebe­ne: Da gibt es durch­aus grü­ne Lan­des­ver­bän­de, die neben oder statt der Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz eine Lan­des­mit­glie­der­ver­samm­lung kennen.

Ich kann mal kurz dar­stel­len, wie der Kreis­ver­band Breis­gau-Hoch­schwarz­wald, in dem ich Mit­glied bin, die Dele­ga­ti­on hand­habt. Aktu­ell hat der Kreis­ver­band (KV) drei Dele­gier­ten­plät­ze für die Bun­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz (BDK) und fünf Dele­gier­ten­plät­ze für die Lan­des­de­le­gier­ten­kon­fe­renz (LDK).

Die­se Zah­len hän­gen von der rela­ti­ven Grö­ße des KV ab, bezo­gen auf den 31.12. des Vor­jahrs. Jeder KV hat ein Grund­man­dat, der Rest wird – in Baden-Würt­tem­berg – nach Hare-Nie­mey­er ver­teilt. Ins­ge­samt sind das für die baden-würt­tem­ber­gi­sche LDK etwa 200 Delegierte.

Für bestimm­te Par­tei­ta­ge (Lis­ten­auf­stel­lun­gen) müs­sen Dele­gier­te zur Bun­des­tags­wahl wahl­be­rech­tigt sein. Sonst ist nur die Mit­glied­schaft in der Par­tei relevant.

In mei­nem KV wer­den die Dele­gier­ten für jeden Par­tei­tag neu gewählt. Das führt zu lus­ti­gen Zei­tungs­ar­ti­keln, weil die Pres­se das irgend­wie als News ansieht, ist aber prak­tisch, weil damit Dele­gier­te nach The­men und z.T. nach Posi­tio­nie­run­gen aus­ge­wählt wer­den kön­nen. Wenn es ent­spre­chend vie­le Kan­di­da­tu­ren gibt, doch dazu gleich noch.

Für die Wahl der Dele­gier­ten gel­ten neben den all­ge­mei­nen Grund­sät­zen demo­kra­ti­scher Wah­len zwei Prinzipien.

Ers­tens das grü­ne Frau­en­sta­tut, das eine Min­dest­quo­tie­rung vor­sieht. Fak­tisch bedeu­tet dies, dass min­des­tens die Hälf­te der Dele­gier­ten­plät­ze an Frau­en ver­ge­ben wer­den soll. Dazu wird der Wahl­gang in einen Frau­en­wahl­gang (z.B. 3/5 Plät­zen) und einen offe­nen Wahl­gang (2/5 Plät­zen) auf­ge­teilt. Es gibt Mit­glie­der, die die­se Pra­xis kri­ti­sie­ren, aber letzt­lich führt sie tat­säch­lich zu quo­tier­ten Delegationen. 

Das zwei­te Prin­zip ist der Min­der­hei­ten­schutz. Damit ist hier nicht der SSW gemeint, son­dern die Tat­sa­che, dass es, wenn mehr Per­so­nen kan­di­die­ren, als es Plät­ze gibt, eine Begren­zung der Stim­men auf zwei Drit­tel gibt. Bei drei Plät­zen, die zu wäh­len sind, hat jedes Mit­glied auf der Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lung nur zwei Stimmen. 

Damit soll ver­hin­dert wer­den, dass ein Block, der auf der Mit­glie­der­ver­samm­lung eine (leich­te) Mehr­heit hat, sei­ne Kan­di­da­tIn­nen durch­zieht. Letzt­lich ein Relikt aus den Zei­ten der Flü­gel­kämp­fe, aber doch auch heu­te noch ein Garant für eine gewis­se Meinungsvielfalt.

Ein ande­res altes Prin­zip, das impe­ra­ti­ve Man­dat, gilt so nicht mehr. Impe­ra­ti­ves Man­dat wür­de bedeu­ten, dass alle Ent­schei­dun­gen der LDK oder BDK in der Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lung abge­stimmt wer­den und Dele­gier­te an die­se Ent­schei­dun­gen gebun­den sind. 

Was viel­mehr – bei wich­ti­gen und kon­tro­ver­sen The­men – geschieht, ist eine Dis­kus­si­on die­ser The­men auf der Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lung, viel­leicht auch ein Mei­nungs­bild. Kan­di­da­tIn­nen für die Dele­ga­ti­on soll­ten sich ent­spre­chend äußern, so dass vor der Wahl klar ist, wer für wel­che Posi­ti­on steht.

Gewählt wer­den Dele­gier­te und Ersatz­de­le­gier­te. Dabei ist gewählt, wer die meis­ten Stim­men erhält, z.T. mit einem 20%-Quorum verbunden.

Die gewähl­ten Dele­gier­ten wer­den ange­mel­det und bekom­men dann die Par­tei­tags­un­ter­la­gen zuge­schickt. Sie neh­men am Par­tei­tag – meist an einem Wochen­en­de – teil. Fahrt- und z.T. Hotel­kos­ten stre­cken sie vor, der KV erstat­tet die­se bei Bedarf. Zum Teil bucht auch der KV gleich die Hotelzimmer.

Nicht uner­wähnt blei­ben soll die Tat­sa­che, dass es in der Pra­xis häu­fi­ger vor­kommt, dass das Inter­es­se, dele­giert zu wer­den, begrenzt ist. Wenn nur drei Per­so­nen für drei Plät­ze kan­di­die­ren, wer­den die­se dann meist im Block gewählt.

Bei „wich­ti­ge­ren“ Par­tei­ta­gen kommt es dage­gen durch­aus zu „Kampf­kan­di­da­tu­ren“ – denen sich bspw. auch die loka­len Abge­ord­ne­ten stel­len müssen.

Par­tei­ta­ge sind übri­gens gene­rell öffent­lich. Auch Mit­glie­der, die nicht dele­giert sind, haben Rede­recht und kön­nen Anträ­ge mit­ein­brin­gen (nötig sind 20 Mit­glie­der, um einen Antrag auf eine BDK ein­zu­brin­gen, in Baden-Würt­tem­berg 10 Mit­glie­der, um einen Antrag auf eine LDK einzubringen).

So machen wir das, mit dem Delegieren. 

Sicher­lich ein Sys­tem, das sei­ne eige­nen Nach­tei­le mit sich bringt – aber doch funk­ti­ons­fä­hig und aus mei­ner Sicht ein guter Kom­pro­miss zwi­schen dem Wunsch, alle zu betei­li­gen, und Par­tei­ta­ge hand­hab­bar zu gestalten.

War­um blog­ge ich das? Als Bei­trag zur Debat­te über Dele­ga­tio­nen – und weil dich das Wort Dele­gier­te so schreibt.

Zwölf Sätze zum Wahlabend in Schleswig-Holstein

Indi­vi­du­al­li­be­ra­le (aka „Pira­ten“) und Wirt­schafts­li­be­ra­le (aka „FDP“) lie­gen in Schles­wig-Hol­stein mit jeweils um die acht Pro­zent fast gleich­auf. Bei­des wäre vor einem Jahr über­ra­schend gewe­sen, vor zwei Wochen wäre der Wie­der­ein­zug der FDP – mit ihrem zweit­bes­ten Ergeb­nis und mas­si­ven Ver­lus­ten – eine gro­ße Über­ra­schung gewe­sen. Die schles­wig-hol­stei­ni­schen Grü­nen mit Robert Habeck an der Spit­ze haben sich gegen­über der letz­ten Wahl leicht ver­bes­sern kön­nen und lan­den bei etwas über 13 Pro­zent. Für ein Land, in dem grü­nes Schei­tern an der Fünf­pro­zent­klau­sel (4,99%) noch gar nicht so lan­ge her ist, ein über­ra­schend gutes Ergeb­nis. Gemes­sen an der Souf­fle-Pro­gno­se von vor einem Jahr ist es nicht so gut, aber so sind die Wel­len­be­we­gun­gen der Hype­zy­klen eben, da ist jeder noch so gute Wahl­kampf machtlos.

Trotz­dem scheint es – zumin­dest nach der 22:57-Hochrechnung der ARD – für eine Koali­ti­on aus SPD (22 Sit­ze), Grü­nen (10 Sit­ze) und SSW (3 Sit­ze) zu rei­chen. Zwar nur knapp, aber immer­hin – und mit einem gewis­sen Puf­fer aus Pira­ten und einer Pira­tin*, die je nach Inhal­ten wohl zu einer Tole­rie­rung und viel­leicht sogar zu einer Mit­wahl von SPD-Spit­zen­kan­di­dat Albig zum Minis­ter­prä­si­den­ten bereit wären. Also fast schon Regie­rungs­ver­ant­wor­tung für die par­la­men­ta­ri­schen New­co­mer, die ihre Lücke gefun­den zu haben schei­nen. Wie dem auch sei: Simo­nis II ist wohl nicht zu erwarten. 

Immer mal was neu­es im Par­tei­en­sys­tem – und jetzt heißt es abwar­ten, wie das End­ergeb­nis im schwar­zen Land der roten Städ­te tat­säch­lich aus­fällt. Ich bin recht opti­mis­tisch, auch hin­sicht­lich der Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen – und hof­fe, dass die­ser Wahl­abend viel­leicht noch ein biss­chen Schwung für die NRW-Wahl nächs­te Woche gelie­fert hat.

* Die Ex-Grü­ne Ange­li­ka Beer, Lis­ten­platz 6.

Photo of the week: Dandelion world IV

Dandelion world IV

 
Mei­ne Toch­ter behaup­tet, dass sich etwas wün­schen darf, wer eine Pus­te­blu­me auf ein­mal aus­pus­tet. Was liegt also näher, als sich für mor­gen ein brauch­ba­res Ergeb­nis für Schles­wig-Hol­stein zu wün­schen? Und mit brauch­bar mei­ne ich eines, bei dem eine deut­li­che Mehr­heit für rot-grün da ist. Wer das – weil Schles­wig-Hol­stei­ne­rin oder Schles­wig-Hol­stei­ner – beein­flus­sen kann, indem sie oder er zur Wahl geht, soll­te das tun, ide­al­wei­se mit grü­ner Zweit­stim­me. Scheint es da oben ja zu geben, sowas.

In eigener Sache: „Leichtere Beschäftigungen“

Heavy biking

Auf­grund der lan­gen Pro­duk­ti­ons­zy­klen für wis­sen­schaft­li­che Auf­sät­ze kann ich – obwohl der­zeit gar nicht in der Wis­sen­schaft beschäf­tigt – stolz ver­mel­den, dass in den letz­ten Tagen mein Auf­satz „Leich­te­re Beschäf­ti­gun­gen‘. Geschlech­ter­dif­fe­renz als Leit­bild der Forst­li­chen Arbeits­wis­sen­schaft“ (Abs­tract) in der Zeit­schrift GENDER erschie­nen ist.

Wor­um geht es in dem Auf­satz? Ich habe mir für eini­ge Stan­dard­wer­ke der Forst­li­chen Arbeits­wis­sen­schaft ange­schaut, wie dort Geschlecht the­ma­ti­siert bzw. nicht the­ma­ti­siert wird. Dabei lässt sich sehr schön rekon­stru­ie­ren, wie die­se für die klei­ne Dis­zi­plin der Forst­li­chen Arbeits­wis­sen­schaft zen­tra­len „Klas­si­ker“ ein Bild von Geschlecht ver­mit­teln, das ganz grund­le­gend auf Dif­fe­renz auf­baut – hier die voll­wer­ti­gen männ­li­chen Arbeits­kräf­te, da die maxi­mal zäh­ne­knir­schend für „leich­te­re Beschäf­ti­gun­gen“ geeig­ne­ten Frau­en. Dabei wird Dif­fe­renz vor allem in Bezug auf Aus­sa­gen zur kör­per­li­chen Leis­tungs­fä­hig­keit und zu „geschlechts­spe­zi­fi­schen“ Fähig­kei­ten her­ge­stellt, und letzt­lich die geschlechts­be­zo­ge­ne Arbeits­tei­lung – mit männn­lich besetz­ter Erwerbs­ar­beit und weib­lich besetz­ter Fami­li­en­ar­beit als Arbeit für den Mann – als Selbst­ver­ständ­lich­keit etabliert.

Ich fin­de das inso­fern span­nend, als die Forst­li­che Arbeits­wis­sen­schaft eine sehr spe­zia­li­sier­te Sub­dis­zi­plin ist – in den 1920er Jah­ren ent­stan­den, hat sie vor allem die Her­aus­bil­dung eines „ordent­li­chen“ Berufs­bilds des Wald­ar­bei­ters begrün­det und beglei­tet, und damit – Hen­ne und Ei ein­mal dahin­ge­stellt – wohl doch zur bis heu­te durch­schla­gen­den beruf­li­chen Struk­tu­rie­rung in der Forst­wirt­schaft beigetragen.

Abschlie­ßend fra­ge ich mich, was in einer „auf­ge­klär­ten“ Arbeits­wis­sen­schaft an die Stel­le von Dif­fe­renz gesetzt wer­den kann. (Als Fra­ge for­mu­liert: Wie kann eine gen­der­sen­si­ble Forst­li­che Arbeits­wis­sen­schaft aus­se­hen, die die Welt nicht in zwei getrenn­te Kate­go­rien teilt?) Ide­al­ty­pisch wäre es, Dif­fe­renz durch eine Ori­en­tie­rung an Diver­si­tät zu erset­zen und dazu auch das „Bün­del“ Geschlecht auf­zu­schnü­ren. Wie weit das aller­dings in der Pra­xis umsetz­bar ist, ist eine ande­re Fra­ge – und nicht zuletzt eine Fra­ge, bei der etwa beim „diver­si­ty manage­ment“ schnell Femi­nis­mus und Neo­li­be­ra­lis­mus an einem Strang ziehen.

Viel­leicht noch ein paar Wor­te dazu, wie die­ser Text ent­stan­den ist – das war näm­lich eigent­lich ein rei­nes „Nebenbei“-Projekt mit ein biss­chen qua­li­ta­ti­ver Text­aus­wer­tung, durch­ge­führt von mir für einen Vor­trag beim Fest­kol­lo­qui­um zum 60. Geburts­tag von Prof. Dr. Sieg­fried Lewark (pdf der Foli­en). Das Kol­lo­qui­um fand im Juli 2007 statt.

Da der Vor­trag durch­aus auf Reso­nanz stieß, habe ich dar­aus – bzw. aus Tei­len davon – einen wis­sen­schaft­li­chen Text gemacht und die­sen ver­schie­de­nen Leu­ten zum lesen gege­ben. Das letzt­lich dar­aus ent­stan­de­ne Manu­skript habe ich dann im Juli 2010 bei der Zeit­schrift GENDER ein­ge­reicht, im Novem­ber 2010 wur­de es mit eini­gen Über­ar­bei­tungs­wün­schen im Grund­satz ange­nom­men. Anfang 2011 habe ich eine über­ar­bei­te­te Fas­sung an die Redak­ti­on geschickt, Ende 2011 die redi­gier­te Fas­sung und im Febru­ar die­sen Jah­res schließ­lich die end­gül­ti­gen Kor­rek­tur­fah­nen erhalten.

Wes­ter­may­er, Till (2012): „ ‚Leich­te­re Beschäf­ti­gun­gen‘. Geschlech­ter­dif­fe­renz als Leit­bild der Forst­li­chen Arbeits­wis­sen­schaft“, in GENDER, Jg. 4, H. 1, S. 124–140.